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Horror-Date: Wenn das Date einem nachstellt

In dieser Folge des Horrordates fühlt sich einer von der anderen belästigt, nachdem sie ihm auch nach Ende des Dates noch nachstellt.
Illustration: Daniela Rudolf-Lübke

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Manche Dates sind schlimmer als andere. Diesmal erzählt Maxim (Name von der Redaktion geändert) im Protokoll. Er traf mit 20 Jahren ein Tinderdate, das er im Nachhinein lieber nicht getroffen hätte.

Triggerwarnung: In diesem Protokoll wird unter anderem selbstverletztendes Verhalten, nachstellendes Verhalten und Drogenkonsum thematisiert.

Dating-Situation: Bier trinken an der Isar 

Geschlecht, Alter und Vibe des Dates: weiblich, 20, zu schnell zu viel von allem

Horrorstufe: 7 von 10 

„Ein Bild beim Wandern in den Bergen, eines am See, eines mit ihrem Hund: Lena hatte ein typisches Tinderprofil für eine Münchner Studentin. Wir matchten, sie schrieb mich an, was ich sehr sympathisch fand. Tinder kam mir damals vor wie ein Dating-Haifischbecken, in dem sich mehr Flops als normale Menschen tummelten, aber Lena schien nett zu sein. Ich wohnte nur ein paar Blocks entfernt von der Isar, also verabredeten wir uns dort auf ein Bier. Für den Fall, dass wir uns nicht finden sollten, gab ich ihr meine Handynummer. 

Lena kam mit ihrem Hund. Wir holten uns zwei Bier, spazierten ein paar hundert Meter und setzten uns dann ans Ufer. Dann begann Lena zu erzählen – und viele ihrer Geschichten überwältigten mich regelrecht. Innerhalb der ersten paar Minuten erzählte Lena, dass sie regelmäßig synthetische Drogen ‚zum Ausgleich‘ nehme und sich selbst verletze. Ich wusste ansonsten kaum etwas über sie und fühlte mich dann total überfordert von diesen persönlichen Geständnissen. Für sie gehörte beides wohl einfach zu ihrer Realität – ich war damit aber noch kaum in Kontakt gekommen. Innerhalb von Minuten fühlte ich mich immer unwohler und streichelte manisch ihren Hund, um mich zu beruhigen.

Lena redete weiter: Sie verbrächte ihre Freizeit auf Autobahnraststätten, weil ihre Freunde ältere Truckerfahrer seien und sie die Anonymität dort schätzen würde. Das wirkte auf mich alles ziemlich befremdlich. Ich wusste gar nicht, wie ich mit diesem sehr anderen Leben umgehen sollte. Zu diesem Zeitpunkt fand ich das Date schon so wild, dass ich es nur noch beenden wollte. Es war noch keine halbe Stunde vergangen. 

Ich versuchte, das Gespräch in für mich normalere Bahnen zu lenken: Studium, Hobbys, Lenas Hund. Aber als ich erzählte, dass ich Medizin studierte, driftete sie in Verschwörungstheorien ab. Lena hielt nichts von ‚Schulmedizin‘ und teilte heftig gegen Mediziner:innen aus. Ich hatte keine Lust, mich zu rechtfertigen gegenüber einer Person, die ich kaum kannte. Und Lena wechselte auch schon wieder hektisch das Thema, ohne mir Fragen zu stellen. Ich trank mein Bier in der Hoffnung, mich danach möglichst schnell verabschieden zu können. So viel Abstand wie möglich wollte ich von Lena. 

Lena war mir einfach zu viel

Als ich meinte, ich müsse nach Hause, sagte Lena gleich, dass sie mich fahren wollte. Ich versuchte, abzulehnen – zu Fuß wohnte ich kaum zehn Minuten entfernt. Aber sie bestand darauf und ich willigte ein. Ich hatte aber schon ein komisches Gefühl, weil Lena mich nicht gehen lassen wollte. Also beschloss ich, nicht direkt vor meinem Haus auszusteigen. Nach zwei Minuten Fahrt bat ich sie darum, mich abzusetzen. Lena sagte: „Ich möchte dich schon noch intensiver kennenlernen.“ Ich sagte mehrmals: „Nein, will ich nicht“, was Lena aber einfach ignorierte. Ich stieg an der nächsten Kreuzung aus, als sie an einer Ampel hielt. Selbst dann rief sie mir noch etwas hinterher, aber ich lief los. Lena war mir einfach zu viel.  

Ich ging über einen Umweg nach Hause. Als ich angekommen war, sah ich aus dem Treppenhaus, wie ihr Auto vorbeifuhr. Später, in meinem Zimmer, noch zweimal. Ich vermute, dass Lena in diesem Moment meine Wohnung suchte. Ich blieb vom Fenster weg und traute mich nicht, das Licht anzumachen. In den kommenden Tagen schrieb mir Lena auf Tinder, wie schön es gewesen sei, mich kennenzulernen und dass wir bestimmt eine tolle gemeinsame Zukunft hätten. Dann schrieb sie mir auf Whatsapp. Ich wies sie auch dort noch einmal ab, dann antwortete ich nicht mehr. Lena rief mich um zwei Uhr nachts mehrmals an. Als ich das morgens sah, blockierte ich sie.

Ich verstand nicht, wie sie so schnell so anhänglich sein konnte, obwohl sie während des Dates nicht einmal Interesse an meinem Studium oder mir als Person gezeigt hatte. Mich irritierte, dass sie meinen Wunsch danach, den Kontakt zu beenden, offenbar nicht akzeptieren konnte. Ich wollte Lenas Gefühle zwar nicht verletzen, wusste aber nicht, was ich tun sollte. Stattdessen hoffte ich, dass sie verstehen würde, dass wir nicht zusammenpassten. Mehr, als es ihr zu sagen, konnte ich ja auch nicht tun. 

Nach diesem Date hatte ich noch lange ein ungutes Gefühl, wenn ich andere Frauen kennenlernte. Dass sie meine Grenzen so missachtet hat, war eine sehr unangenehme Erfahrung. Wie unwohl ich mich gefühlt habe, hat mich dafür sensibilisiert, dass Frauen solche schlechten Erfahrungen noch viel öfter machen. Das habe ich bis heute, fünf Jahre später, nicht vergessen.“ 

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