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Horror-Nachbar: Der Corona-Party-Veranstalter

Schmal, blond, vielleicht 17 – es gibt auch junge Horrornachbarn.
Illustration: FDE

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Welche Menschen neben einem hausen, kann man sich nur selten aussuchen. Manchmal machen sie das Wohnen zur Qual. Diesmal geht es um einen Teenager, der während der Corona-Zeit eine Party nach der anderen feierte.

Horror-Stufe:  7 von 10   

Der Nachbar: Ein feierwütiger Teenager in der Corona-Zeit

Der Vibe: Erzwungener Frieden bis zum Nachbarschaftskrieg

Die Corona-Zeit mit Lockdowns und Kontaktverbot war für viele junge Menschen auf unterschiedliche Art belastend. Für mich, weil ich mit Beginn der Pandemie in eine neue Stadt und damit neue Wohnung zog und dort fast jeden Tag allein im Homeoffice verbrachte. Für meinen Nachbarn, weil er gerne Partys feierte – die zu der Zeit aber verboten waren.  So machte er mich zu einer Person, die ich nie werden wollte: Jemandem, der andere Menschen wegen einer Ordnungswidrigkeit bei der Polizei verpetzt.

Aber von vorne: Als mein Nachbar im Spätsommer 2020 einzog, stimmte er mich direkt darauf ein, was mich in den nächsten Monaten erwarten würde. Er veranstaltete eine große Einweihungsfeier mit polternden Teenies, schallender Popmusik, betrunkenem Gelächter. An diesem Punkt der Pandemie durfte man sich mit mehreren Menschen in einer Wohnung treffen, die Party war also legal. So bat ich ihn um fünf Uhr morgens freundlich und bestimmt, leiser zu sein. Das klappte, und ich machte mir Hoffnung, einen kooperativen jungen Mann als neuen Nachbarn gewonnen zu haben. 

Diese Hoffnung hielt sich allerdinngs nicht allzu lange. An einem Donnerstagabend verspürte ich zum ersten Mal einen Anflug von Ärger, der sich in einem Klopfen gegen die Wand meines Nachbarn als Warnsignal entlud. Als Antwort kam ein Klopfen zurück – doch nicht auf der anderen Seite der Wand, sondern an meiner Wohnungstür. 

„Hey, sind wir zu laut“, fragte mein Nachbar – schmal, blond, vielleicht 17. Hinter ihm hatten sich zwei Freunde von ihm wie Bodyguards versammelt. Ich trat einen Sicherheitsschritt zurück. „Naja, es wäre super, wenn ihr etwas leiser machen könntet, ich muss morgen arbeiten“, antwortete ich zögerlich. Ich wollte nicht gleich als Spießerin abgestempelt werden und versuchte, Verständnis dafür aufzubringen, dass wir alle eine harte und einsame Zeit durchmachten. Er war schließlich ein Teenager. Dann nahm das Gespräch eine unerwartete Wendung: „Okay – du kannst aber auch nächstes Mal mit rüberkommen und mit uns feiern!“ Man musste mir meine Entrüstung im Gesicht angesehen haben. Eine Party im Innenraum widersprach völlig meinem Verständnis von verantwortungsvollem Handeln in diesen Zeiten. Doch das sagte ich nicht, sondern wimmelte die drei mit einem höflichen „ja, mal sehen“ ab, steckte mir Noise-Cancelling-Kopfhörer in die Ohren und ignorierte die Laute von nebenan. 

Dann kam der Herbst, und mit ihm neue Corona-Auflagen, inklusive des Verbots von privaten Feiern. Ich traf Freund:innen nur noch einzeln und verbrachte viele Wochenenden ab 22 Uhr mit einer Serie oder einem Buch im Bett. Mein Nachbar tat das erwartungsgemäß nicht. 

In der Presse las man von Menschen wie mir. Menschen, die ihre Nachbar:innen verrieten

Irgendwann an einem Freitagabend klopfte es mal wieder an meiner Tür – es war bereits 23 Uhr. Mein Nachbar gab mir Bescheid, „dass ein paar Leute zu Besuch kommen würden“ und lud mich auch zur Party ein. Ich wurde wütend. „Ihr wisst schon, dass das verboten ist?!“, sagte ich mit zitternder Stimme. Zurück kam nur ein belustigtes „ja, ja“. 

Gröhlende Teenager und dröhnende Musik durchdrangen die Nacht; Noise-Cancelling hatte keine Chance. Ich schickte wutentbrannte WhatsApp-Nachrichten an meinen Nachbarn, in denen ich davor warnte, die Polizei zu rufen. Ich kam mir vor wie eine Lehrerin, die ihre Achtklässer:innen nicht im Griff hat. Bald kam eine lallende Sprachnachricht zurück: „Wir haben die Musik jetzt runtergedreht … und können demnächst auch für dich einkaufen gehen, das macht man doch so für Omas.“ Autsch. Die Demütigung bestärkte mich nur darin, um drei Uhr endlich die Polizei zu rufen. Ich gab an, dass es sich hier um eine verbotene Corona-Party handelte. In der Presse las man in dieser Zeit häufig von Menschen wie mir. Menschen, die ihre Nachbar:innen verrieten. Die Polizei allerdings sollte an diesem Abend nicht eintreffen – angeblich wegen Glatteis. Glück für meinen Nachbarn, eine weitere schlaflose Nacht für mich. 

Später stellte ich den Nachbarn mal wegen seiner Partys zur Rede. Zwischenzeitlich hatte er sogar eine Abmahnung vom Vermieter bekommen. Wir schrien uns im Hausflur an. Corona sei ihm egal, sagte er, und ich sei nur frustriert: „Du hast doch nur keine Freunde, die dich besuchen kommen!“ Es blieb mir also nur noch eins: Ich musste aufgeben und ausziehen.

Am Tag vor meinem Auszug veranstaltete mein Nachbar erneut eine Feier. Ich machte mir eine Flasche Wein auf, drehte die Musikbox auf maximale Lautstärke und tanzte glücklich durch meine Wohnung. Dann legte ich mich beseelt in mein Bett. Ich habe selten so gut geschlafen wie in dieser Nacht.

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