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Horror-Schwiegereltern: Der Zocker

Illustration Jessy Asmus

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Alter zum Zeitpunkt der Beziehung: beide 21

Beziehungssituation: sechs Monate zusammen

Horror-Stufe: 4 von 10

Gibt Schlimmeres, als vom Vater der Freundin gemocht zu werden. Zumindest schien es so, dass Sinas* Vater mich mochte. Gleich beim ersten Treffen bot er mir das Du an. Ich stand vor der Wohnungstür von Sina und ihm, er machte auf, grinste und sagte: „Ich bin Andreas*, komm rein, was willst du trinken?“ Er gab mir nicht förmlich die Hand, sondern hielt sie mir zum Abklatschen hin, wie ein Fußballer seinem Teamkollegen. Alles klaro, dachte ich, das ging ja gut los, hatte ich bisher selten, einen so schnellen freundschaftlichen Umgang mit einem potentiellen Schwiegervater. Was ich zu dem Zeitpunkt nicht wusste: Andreas wollte keine Freundschaft. Andreas wollte zocken.

Er fing ganz unschuldig an. Zu meinem ersten Bier servierte er ein Kartenspiel: „Runde Uno?“ Warum nicht, dachte ich. Nächster Abend bei Sina, nächstes Bier, nächstes Uno-Spiel, und dieses Mal sollte es schon um etwas gehen: „Jeder fünf Euro Einsatz?“ Äh, ich wusste nicht so recht. „Komm schon, macht gleich mehr Spaß, wirst schon sehen.“ Ich willigte ein und war zehn Minuten später einen Fünfer los. Sina schien es nicht weiter zu stören, dass ihr Vater mich mal eben abgezockt hatte, sie meinte nur: „Fünf Euro – mehr setzt du nicht ein!“

Dann der dritte Abend mit Sinas Vater, dieses Mal in meiner Bude, ich hatte eingeladen und Andreas ein Gastgeschenk dabei: „Kleine Aufmerksamkeit, hast du bestimmt noch nicht.“ Stimmte, ein Roulette-Spiel besaß ich tatsächlich noch nicht. Nach ein paar Gläsern Wein packten wir es aus, und Sina flüsterte mir nun schon mahnend ins Ohr: „Fünf Euro – denk dran!“ „Eh klar“, flüsterte ich zurück. Die ersten Runden spielten wir nicht um Geld. Nachdem ich allerdings jeweils mit Rot richtig gelegen hatte und die Kugel sowie die Kohle schon auf meiner Seite sah, ging ich auf Andreas‘ folgendes Angebot ein: „Jeder einen Zwanni, bisschen Nervenkitzel!“ Sina veschluckte sich fast am Wein, als ich nur antwortete: „Dann mal los.“ Und natürlich: Der Zwanni war ruckzuck von meiner in Andreas‘ Tasche gewandert.

Dass sich Andreas kurz darauf mit dem Geld verabschiedete, schob ich auf seine angedeutete Müdigkeit. Sina allerdings vermutete: „Vielleicht will er wirklich nur mit dir spielen, es tut mir Leid. Er hat so was schon mal gemacht.“ „Und wie ist das ausgegangen?“ „Mein Ex ist mit zur Pokerrunde von meinem Vater und seinen Freunden, nicht nur einmal. Irgendwann wurde mir das zu viel. Hab mich getrennt. Aber die beiden sind immer noch befreundet. Also: ‚befreundet‘.“ Sina zeichnete mit ihren Fingern Anführungszeichen in die Luft. Zockerfreunde also. Und genau so einer sollte ich scheinbar auch werden: Ein Zockerfreund, der frei Haus von Sina geliefert wurde. Tatsächlich fragte mich Sinas Vater eine Woche später, ob ich nicht mal Pokern wolle, auch mal um ein bisschen mehr Kohle. „Nein, danke“, sagte ich nur. Und hatte bis zur Trennung von Sina ein halbes Jahr später kaum mehr etwas mit Andreas zu tun.

*Name geändert

Der Autor des Textes möchte anonym bleiben, ist der Redaktion aber bekannt.

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