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3100 Euro brutto für die Glasapparatebauerin

Foto: Lena Schwanke

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Was ich als Glasapparatebauerin mache

„Ich fertige hauptsächlich Glasgeräte für die Chemie – angefangen bei Reagenzgläsern über Kühler bis hin zu großen Doppelwandreaktoren, das sind zwei Gefäße, die ineinander sitzen. Zuerst suche ich immer das Material im Lager. Für einen Zweihalskolben, also eine Glaskugel mit zwei Röhren als Öffnungen, benötige ich beispielsweise einen Kolben und einen Glasschliff. Dieses Verbindungsstück kürze ich zunächst. Dann erhitze ich über dem Gasbrenner eine Stelle des Kolbens, blase ein Loch hinein und befestige es daran. Am Ende werden alle Gefäße in einem großen Ofen auf etwa 600 Grad erhitzt und langsam abgekühlt, damit sich die Moleküle ordnen können und das Glas später nicht springt. Reagenzgläser sind in wenigen Minuten gefertigt, kompliziertere Doppelwandreaktoren hingegen benötigen oft mehrere Stunden bis Tage.

Wie ich mich bei der Arbeit schütze

Zum Schutz vor den Flammen und heißen Glassplittern binden wir die Haare bei der Arbeit immer zusammen und tragen Laborkittel, langärmlige Kleidung sowie geschlossene Schuhe. Da beim Erhitzen von Glas Natrium in grellen, orangen Flammen verbrennt, setzen wir auch Schutzbrillen auf. Die filtern das Licht, sodass wir trotzdem sehen können, was wir tun. Zur eigenen Sicherheit arbeiten wir zudem niemals allein in der Werkstatt.

Wie sich Vorstellung und Realität unterscheiden

Ich hätte nie gedacht, dass es so viele verschiedene Berufe in der Glasbranche gibt. Die meisten denken nur an Glasbläser:innen, die zum Beispiel Vasen oder Trinkgläser fertigen. Doch auch Christbaumkugeln, Thermometer, Glasflaschen und eben Glasapparate für Experimente müssen hergestellt werden. Für all diese Dinge gibt es eigene Ausbildungen. Am Anfang hatte ich außerdem ständig Angst, dass ich etwas kaputt mache. Aber Glas ist viel stabiler als man denkt.

Wie ich Glasapparatebauerin geworden bin

Nach dem Abitur habe ich erst medizinische Praktika absolviert, weil ich aus einer Ärztefamilie stamme. Aber schnell war mir klar: Das möchte ich nicht beruflich machen. Meine Cousine hat mich dann auf den Beruf der Glasapparatebauer:innen aufmerksam gemacht. Da ich mich sehr für Handwerk interessiere, habe ich mich für die dreijährige Ausbildung beworben. Am Anfang habe ich die Grundlagen der Glasbearbeitung gelernt und Reagenzgläser gefertigt. Dann wurden die Glasapparate immer anspruchsvoller. Dreimal pro Jahr hatte ich vier Wochen Berufsschule, wo ich neben klassischen Fächern wie Mathe, Deutsch und Englisch auch fachbezogenen Unterricht hatte. Da habe ich zum Beispiel den Fachjargon gelernt, aber auch, aus was Glas besteht oder warum es durchsichtig ist. Einmal pro Woche hatten wir Praxisunterricht in der Werkstatt. Am Ende der Ausbildung musste ich eine theoretische und praktische Prüfung absolvieren.

Mein Arbeitgeber, die Universität, bietet allen Azubis an, danach mindestens ein halbes Jahr dort weiterzuarbeiten. Da mein Ausbilder kurz nach meinem Berufseinstieg in Rente gegangen ist, wurde eine unbefristete Stelle frei und ich wurde übernommen. Nun möchte ich gern meinen Meister machen, um neue Techniken zu lernen und noch komplexere Apparate herstellen zu können. Dafür benötige ich einen Ausbilderschein, Kenntnisse in Betriebswirtschaft sowie weitere Übung und noch mehr theoretisches Wissen.

Wie der Arbeitsalltag aussieht

Unser Team besteht aus vier Angestellten und einer Auszubildenden. Wir arbeiten von 7.30 bis 16 Uhr. Wer zuerst ankommt, schaltet die Gasanlage in der Werkstatt an und öffnet den Ofen, damit die Restwärme vom Vortag entweichen kann. Anschließend holen wir uns neue Aufträge vom schwarzen Brett. Die stammen von Professor:innen und Student:innen der Chemie, Biologie oder Physik unserer Universität. Manchmal reparieren wir auch Glasgefäße, die im Labor zerbrochen sind.

Welche Eigenschaften man als Glasapparatebauer:in braucht

Als Glasapparatebauer:in sollte man gutes räumliches Vorstellungsvermögen besitzen, weil Professor:innen und Student:innen einem oft nur skizzieren oder beschreiben, was sie mit den Glasgefäßen versuchen möchten. Oft muss man kreativ und offen für neue Techniken sein, um die passenden Lösungen zu finden. Aber auch ein bisschen Chemie- und Physikwissen ist nötig, um beraten zu können. Hinzu kommen Sorgfalt und Fingerspitzengefühl. Denn bei einem Versuch kann es darauf ankommen, dass beispielsweise zwei Röhrchen exakt in einer Linie verlaufen.

Außerdem sollte man keine Angst vor dem Gasbrenner haben, auch wenn der deutlich größer ist als der Bunsenbrenner in der Schule. Stark an den Fingern verbrannt habe ich mich erst einmal. Man muss sich nur merken, welche Stellen man zuletzt erhitzt hat, da sie nach wenigen Minuten noch mehrere hundert Grad heiß sind. Wenn wir zerbrochene Gefäße reparieren sollen und sie zuvor nicht richtig gereinigt wurden, führen chemische Rückstände rasch zu Stichflammen oder kleinen Explosionen. Dann erschrickt man schnell, viel mehr passiert aber in der Regel zum Glück nicht.

Was der Job mit dem Privatleben macht

Manchmal schicken mir Freund:innen Fotos von Kaminscheiben, die gesprungen sind, und wollen wissen, ob ich diese reparieren kann. Aber das kann ich leider nicht, weil sie aus einem anderen Glas bestehen als das, womit ich arbeite. Oft werde ich auch gefragt, welches Glas in den Altglas-Container gehört. Schlussendlich: Alle Einmach- und Verpackungsgläser gehören in den Glascontainer, der Rest in die graue Tonne – auch die Glasstrohhalme, auf denen recyclebar steht, da sie sich nicht einschmelzen lassen. Und wenn ich auf einem Weihnachtsmarkt einen Stand mit kleinen Glastieren finde, schaue ich mir die natürlich an, um Ideen zu sammeln, was ich selbst mal ausprobieren könnte. Denn als Geschenk fertige ich auch mal kleine Glastierchen.

Was ich auf Partys immer gefragt werde

Die meisten kennen meinen Beruf nicht. Daher lautet die erste Frage auf Partys oft: Was machst du genau? Reagenzgläser? Das stimmt allerdings nur teilweise; in der Ausbildung habe ich zum Üben Reagenzgläser gefertigt, im echten Berufsleben werden sie von Maschinen produziert. Manche zeigen mir auch Fotos auf ihrem Handy – zum Beispiel eine große Glasvase oder einmal war es auch ein Glasdildo – und fragen: Kannst du sowas auch herstellen? Aber das ist nicht mein Job, sowas produzieren Glasbläser:innen und Glasmacher:innen.

Welche Herausforderungen der Fachjargon mit sich bringt

Oft gibt es für ein Teil viele verschiedene Namen, dadurch kann die Kommunikation manchmal schwierig werden. In der Schule bekommt man zwar einen gewissen Fachjargon mit, aber der unterscheidet sich je nach Region. Zusätzlich nutzen wir viele Begriffe, die im Alltag anders verwendet werden: Filterplatten heißen bei uns Fritten, die Anschlüsse für Schläuche Oliven und winzige Sprünge in Kolben Sternchen. Letztere werden so genannt, weil sie so aussehen. Der Begriff Fritte stammt hingegen aus dem Lateinischen und bezieht sich auf das poröse Material der Filterplatten. Manchmal ernte ich auch Schmunzeln oder entsetzte Blicke von pubertierenden Schülerpraktikant:innen, wenn ich sie zum Beispiel auffordere, einen Ansatz zu machen und die Brust rund zu blasen. Dabei bezeichnen wir als Brust nur die Rundung zwischen einem Flaschenhals und dessen Körper.

Wie viel man als Glasapparatebauer:in verdient

Ich werde von der Uni nach Tarif bezahlt. Brutto verdiene ich etwa 3100 Euro pro Monat; netto bleiben etwa 2100 Euro. Als Einsteiger:in ist das ein Durchschnittsgehalt. Mit mehr Berufserfahrung oder einer Meisterstelle steigt das Gehalt. In der freien Wirtschaft ist es schätzungsweise ein Drittel mehr.

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