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Rund 4300 Euro brutto für den Fahrdienstleiter

Foto: Lara Walter/Bearbeitung: SZ Jetzt

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Jannik, 22, wollte nach seinem Bachelor einen praktischen Job und entschied sich für einen Quereinstieg zum Fahrdienstleiter bei der Deutschen Bahn. Was genau ein Fahrdienstleiter eigentlich macht und warum ohne ihn kein Zug durch Deutschland fährt, erzählt er hier. 

Was ich als Fahrdienstleiter mache

„Die Deutsche Bahn nennt den Beruf manchmal auch Zugverkehrssteuerer. Das erklärt eigentlich schon ganz gut, was ich mache: Ich steuere den Zugverkehr und entscheide, welcher Zug wann und wo fahren darf. Und ich achte darauf, dass die Infrastruktur auf meiner Zugstrecke in einwandfreiem Zustand ist. Das heißt, ich weise jedem Zug seinen Fahrweg zu und stelle damit Weichen und Signale. Außerdem prüfe ich, dass die Bahnübergänge gesichert sind und die Züge freie Fahrt haben. Bei Störungen und Problemen muss ich entscheiden, wie der Zugbetrieb weiter am Laufen gehalten wird und sorge dafür, dass die Störungen schnellstmöglich behoben werden. Zusätzlich bin ich im ständigen Austausch mit den Lokführerinnen und Lokführern und gebe Anweisungen bei Gleiswechseln oder bei Störungen. Für meinen Job sitze ich in einem sogenannten Stellwerk. Dort werden die Signale, Weichen und Bahnübergänge überwacht und gesteuert. Dafür habe ich verschiedene Kameras und Bildschirme. Ich kommuniziere auch viel mit den Fahrdienstleitern anderer Stellwerke. Wir müssen beispielsweise koordinieren, wo Züge abgestellt werden und wo Güterzüge die Personenzüge überholen können. Jeder Tag ist anders, es gibt immer irgendwelche außerplanmäßigen Aufgaben und Tätigkeiten. Das macht den Job so spannend für mich.”

Wie mein Arbeitsalltag aussieht

„Mein Arbeitsalltag variiert je nach Schicht: Wir haben eine Frühschicht von 6 bis 11 Uhr, eine Spätschicht von 11 bis 20 Uhr und eine Nachtschicht von 20 bis 6 Uhr. 

Zu Beginn einer jeden Schicht macht man eine Schichtübergabe und verschafft sich einen Überblick der aktuellen Baumaßnahmen oder weiterer Besonderheiten. Danach startet man mit den üblichen Aufgaben: Normalerweise kommt alle 20 Minuten eine S- Bahn in beide Richtungen. In den Stoßzeiten kommt eine zweite S-Bahn-Linie dazu. Dafür muss man die Weichen und Signale händisch auf dem Stelltisch einstellen. Dazu kommen die Güterzüge, die keine festen Fahrzeiten haben. Da müssen wir koordinieren, wann welcher Güterzug die Personenzüge überholen kann. Zusätzlich muss ich noch alle Störungen und Probleme abarbeiten. Immer wieder muss ich mal kurz auf den Stelltisch und die Kameras schauen, um sicherzustellen, dass alle Züge am richtigen Ort fahren und dass alle Gleise und Bahnübergänge frei sind.”

So bin ich zu dem Job gekommen

„Nach meinem Abitur und einem Freiwilligen Sozialen Jahr habe ich ein Studium im Bereich Bahningenieurwesen in Österreich absolviert. Während des Studiums habe ich unter anderem für die Deutsche Bahn in der Kapazitätsentwicklung und in der Verkehrsanlagenplanung gearbeitet. Das waren Jobs, die viel mit meinem Studium zu tun hatten. Ich habe bei den Jobs gemerkt, dass eine Tätigkeit im Büro nicht unbedingt etwas für mich ist. Man sitzt viel in Besprechungen und ist zwar Teil eines Ganzen, aber sieht nicht wirklich den Beitrag, den man geleistet hat. Ich habe mich mehr nach einer Tätigkeit gesehnt, bei der man seinen eigenen Bereich hat und am Ende des Tages fertig wird mit den Aufgaben. Meine Chefin hat mir dann nahegelegt, eine Funktionsausbildung zum Fahrdienstleiter zu machen. Mit meinem abgeschlossenen Bachelor hat die Funktionsausbildung nur zehn Monate gedauert, das ist ein spezielles Angebot für Quereinsteiger. Diese Funktionsausbildung kann jeder mit abgeschlossener Ausbildung oder abgeschlossenem Studium machen. Die Ausbildung habe ich im vergangenen Jahr im Oktober begonnen. Mir wurden dort ganz kompakt und intensiv die Regelwerke und technischen Grundlagen für den Job vermittelt. Außerdem haben wir viel an Simulatoren geübt. Ende Juni habe ich meine örtliche Zulassungsprüfung am Stellwerk absolviert und arbeite seitdem als Fahrdienstleiter in einem Stellwerk in München.”

Was der Job mit meinem Privatleben macht

„Das ist eigentlich das, was mir am Job so gut gefällt: Nach meiner Schicht drücke ich auf den Übergabeknopf und mein Kollege übernimmt damit die komplette Verantwortung. Ich kann dann durchatmen und habe erstmal frei. Ich habe während meiner Schicht eine hohe Verantwortung und viel Druck, aber sobald ich in der Bahn sitze und zurück in meine Wohnung fahre, fällt der Druck komplett von mir ab. Es gibt nichts, das ich noch irgendwie zuhause machen könnte: Ich muss keine E-Mails checken oder irgendwas von zu Hause aus arbeiten.”

Die größte Herausforderung im Job

„Die größte Herausforderung ist auf jeden Fall, bei einer Störung einen kühlen Kopf zu bewahren. Der Job ist zu vielen Teilen eine überwachende Tätigkeit. Aber wenn eine Störung eintritt, muss man sofort handeln. Voreilig darf man aber auch nicht eingreifen, zum Beispiel, damit ein Zug unbedingt pünktlich kommt. Die Sicherheit muss in solchen Situationen an erster Stelle stehen. Ich bin noch neu im Job und muss mich erst an so viel Verantwortung gewöhnen.”

Welche Eigenschaften ich für den Job brauche

„Der Job ist etwas für Menschen, die gerne Verantwortung übernehmen, gut im koordinieren sind und im Ernstfall schnell reagieren können. Zur Einstellung für den Job muss man einen medizinischen und psychologischen Test bestehen, bei dem beispielsweise Daueraufmerksamkeit und Multitasking Fähigkeit überprüft werden. Ein bisschen technikaffin sollte man auch sein und nicht vor Schichtarbeit zurückschrecken. Und man sollte damit klarkommen, auf einem kleinen Stellwerk alleine auf Arbeit zu sein.” 

Das werde ich auf Partys gefragt

„Meist fragen mich Leute ,ach, du machst die Schranken auf und zu?’. Oder sie fragen mich, ob ich die ‚Weiche herunter kurbele‘. Ich sage dann immer ‚ja, auch‘. Aber viel wichtiger ist es, dass ich den Zugverkehr im Überblick behalte und ich für die Sicherheit im Zugverkehr zuständig bin. Der Bahnverkehr ist ein riesiger Staffellauf, es hat ganz viel mit Kommunikation mit den Lokführern und anderen Fahrdienstleitern zu tun. Ist eigentlich schade, dass mein Job so unbekannt ist, weil wir händeringend mehr Leute brauchen, die den Job machen. Ohne Fahrdienstleiter fährt in Deutschland kein Zug.“

Vorstellung vs. Realität

„Ich habe die Nachtschichten auf die leichte Schulter genommen. Ich bin eine richtige Nachteule und wenn ich nachts für die Hochschule gelernt hatte, war ich am nächsten Tag fit. Aber die ersten Nachtschichten im Job haben meinen Schlafrhythmus komplett durcheinander gebracht. Und ich dachte vor der Ausbildung, dass die Arbeit auf jedem Stellwerk gleich sei. In Wahrheit ist die Arbeit komplett unterschiedlich, je nach Technik und Bereich, für den man zuständig ist. In München gibt es beispielsweise eine Betriebszentrale, das ist ein riesiges Stellwerk. Die Fahrdienstleiter sitzen da vor vielen Monitoren und überblicken viele Kilometer Bahnnetz gleichzeitig aus der Ferne. Und dann gibt es kleine Stellwerke, in denen noch jede Weiche mechanisch von Hand mit Hebeln umgelegt wird.”

Wie viel ich verdiene

„Mein Gehalt variiert je nach meinen zugeteilten Schichten. Am Wochenende bekomme ich mehr Gehalt, genauso wie an Feiertagen und in der Nachtschicht. Zudem bekomme ich eine Antrittsprämie für jedes Mal zur Arbeit fahren. Durchschnittlich verdiene ich rund 4300 Euro brutto pro Monat.”

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