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Etwa 1300 Euro brutto für den Fahrradkurier in Teilzeit

Foto: Privat

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Was ein Fahrradkurier macht

Grundsätzlich transportieren wir Fahrradkuriere mit dem Fahrrad Dinge für unsere Auftraggeber. Wir fahren entweder mit einem normalen Fahrrad und einer Tasche oder mit Lastenrädern. Wir transportieren prinzipiell alles: von Post über Blutproben bis zu Muttermilch. 

Wir haben viele Stammkunden, zum Beispiel die Stadt, Krankenhäuser, Arztpraxen und verschiedene Unternehmen. Aber letztendlich kann uns jeder beauftragen. Es gibt auch Leute, die anrufen und sagen: „Hey, kannst du das hier abholen und heute noch zu meinem Steuerberater bringen?“ Oft sind das Menschen, die selbst nicht so mobil sind. 

Wie der Arbeitsalltag aussieht 

Die Anrufe der Kunden erreichen eine Person aus unserem Team, die die Anrufe dann per Funk an die Kuriere verteilt. Am besten so, dass alle eine schöne Runde fahren und nicht immer Aufträge am anderen Ende der Stadt kriegen. Die Schichten sind zwischen drei und acht Stunden lang. Manchmal fährt man die ganze Schicht durch, an anderen Tagen kann man längere Pausen machen, weil wir nicht so viele Aufträge haben.

Das absurdeste, das ich je transportiert habe  

Vor kurzem habe ich etwas von einem Edelmetallhändler abgeholt. Das war ein krass verschlossenes Plastikpaket, das ungefähr 20 oder 30 Kilo schwer war. Irgendwann dachte ich: Lol, ich transportiere wahrscheinlich gerade 20 oder 30 Kilo Gold oder Silber auf dem Lastenrad. Ich fand das eine lustige Vorstellung. 

Wie ich zu dem Job gekommen bin  

Mit 19 habe ich eine Doku über Fahrradkuriere in Vancouver gesehen. Ich war immer sehr fahrradbegeistert und fand es cool, dass man mit Fahrradfahren Geld verdienen kann. Als ich nach Freiburg kam, habe ich angefangen, das zusätzlich zum Studium und später zu meiner Fahrradmechaniker-Ausbildung als Nebenjob zu machen. Seit Mai dieses Jahres bin ich hauptberuflich Kurier. Die Arbeit als Fahrradmechaniker mag ich auch, aber das ist eine sehr stille Arbeit, bei der man die ganze Zeit im Laden ist.  

Was ich an dem Job besonders mag  

Ich arbeite nicht wegen des Geldes als Kurier, sondern weil es mir Spaß macht. Die Kurierszene ist eine coole Community. Bei meinem Kurierdienst haben wir einen ziemlichen Family-Vibe. In Deutschland und international gibt es auch immer wieder Meisterschaften und Treffen von Fahrradkurieren. Diesen Juli war ich zum Beispiel in Budapest bei der Europameisterschaft der Kuriere und habe dort im Cargo-Race den vierten Platz belegt. 

Als Kurier ist man immer unterwegs und erlebt viel. Sport beruhigt mich und nach der Arbeit denke mir: Ich habe mich bewegt, jetzt kann ich mich ausruhen. Außerdem hat man viel Verantwortung. Der Job kann hart sein, besonders im Winter. Deswegen weiß ich nicht, ob ich ihn ewig machen will, aber zur Zeit passt er sehr gut. 

Welche Eigenschaften man als Kurier braucht 

Man muss fokussiert sein, um alles richtig zu machen. Und fit, denn man fährt fünfzig bis hundert Kilometer am Tag. Man muss sich durch den Verkehr schlängeln und dabei schnell reagieren und bremsen können. Und vielleicht auch ein bisschen Ärger mit Autos und anderen Radfahrern auf sich nehmen.  

Ein bisschen schrauben sollte man auch können. Denn wenn man mitten in der Schicht einen Platten kriegt, muss man den flicken, um weiterfahren zu können. 

Wie groß die Unfallgefahr ist  

Besonders am Anfang hatte ich ein paar kleine Unfälle. Einmal hat mich ein Taxi angefahren. Das kam aus einer Straße, in der eigentlich keine Autos fahren dürfen. Der Fahrer hat gesagt: „Sorry, ich bin komplett schuld. Sollen wir die Polizei rufen?“ Ich habe erst mein Rad gecheckt und danach mich selbst und gemeint: „Ne, alles gut, ich bin ja nicht verletzt und ich muss los.“ Dann bin ich einfach weitergefahren, weil ich komplett unter Stress war.

Bisher habe ich mir zum Glück noch nichts gebrochen, nur ein bisschen Haut aufgeschürft. Ich hatte aber auch schon Situationen, in denen es sehr eng war und richtig schlimm hätte werden können.  

Welche Frage ich auf Partys immer höre  

Viele fragen, ob ich bei Foodora arbeite – das ist nicht so. Grundsätzlich machen wir aber das gleiche: Dinge mit dem Fahrrad transportieren. Aber wir sind ganz anders aufgestellt. Wir sind kein großer Konzern, sondern ein kleines Geschäft. Bei Foodora werden die Aufträge zum Beispiel über eine App verteilt, bei uns macht das ein Mensch. 

Außerdem werde ich oft gefragt, was für ein Fahrrad ich fahre. Jeder von uns fährt mit seinem Privatrad. Das Rad sollte auf jeden Fall robust sein, weil es oft benutzt wird und im Regen steht. Viele Kuriere fahren Fixies, das sind Räder ohne Leerlauf und Schaltung. Meiner Meinung nach macht das in Freiburg nicht so viel Sinn, weil man immer mal wieder einen Berg hochfahren muss. Ich fahre mit einem alten Rennrad. Aber wir haben auch eine Flotte aus sechs oder sieben Lastenrädern bei der Arbeit. 

Andere häufige Fragen sind: Was transportierst du? Bist du nicht genervt, wenn es kalt ist? 

Was der Job mit dem Privatleben macht 

Diese Woche mache ich fünf Schichten und ich weiß, dass ich danach sehr müde sein werde. Der Job nimmt mir viel Energie. Ich muss also dafür sorgen, dass ich in meinem Privatleben genug Erholung bekomme. Ich fahre nur etwa 25 bis 30 Stunden die Woche, weil es sonst zu anstrengend ist. Die meisten Kuriere hören den Job mit Ende 20 auf. Ich fahre jetzt auch weniger Mountainbike oder Rennrad in meiner Freizeit, weil ich in meinem Job schon so viel Fahrrad fahre. Oft verbringe ich meine Freizeit mit anderen Kurieren, weil wir den Spaß am Fahrradfahren teilen. 

Vorstellung vs. Realität 

Ich hatte mir den Job ein bisschen wie bei „Premium Rush“ (bekannter Actionfilm über einen Fahrradkurier in New York) vorgestellt, aber in Freiburg ist das nicht so. In größeren Städten wie New York ist die Arbeit als Kurier eher ein Überlebensding, weil es kaum sichere Radwege gibt und der Verkehr ein bisschen verrückter ist. Hier hingegen ist es sehr sicher, Fahrrad zu fahren. 

  

Viele Leute denken: Cool, man kriegt einfach Geld, um mit dem Fahrrad rumzugurken, aber das ist nur so halb richtig. Du kriegst schon Geld, aber du musst auch schnell sein. Ich fahre durchschnittlich 25 bis 30 km/h. Um die Aufträge effizient zu erledigen, muss man die Wege kennen und wissen, wo Baustellen sind.  

Wie viel Spaß der Job macht, ist auch sehr vom Wetter abhängig. An manchen Tagen regnet es und man ist irgendwann bis auf die Knochen durchnässt. Oder der Wind drückt einen die ganze Zeit in die falsche Richtung. Aber es gibt auch Tage, an denen alles perfekt läuft und alle Aufträge können wie geplant erledigt werden. Wenn man sich erfolgreich durch den Verkehr schlängelt, kommt man in einen Flow – für diese Momente macht man den Job.  

Wie viel ich als Kurier verdiene  

Man verdient den Mindestlohn plus einen Prozentsatz für jeden Auftrag, den man erledigt hat. Bei meinem Kurierdienst bekommt man noch ein kleines Verschleißgeld pro Kilometer. Ich verdiene insgesamt um die 1300 Euro brutto pro Monat. Ich finde es ziemlich schwer, von meinem Gehalt zu leben und überlege, noch einen Minijob anzufangen.

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