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Horror-Nebenjob: Bei einer Pizza-Kette alleine den Laden schmeißen

An diesen Nebenjob erinnert sich unsere Autorin noch besonders gut.
Illustration: Daniela Rudolf-Lübke

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Manche Jobs sind schlimmer als andere – in dieser Serie erzählen wir von unseren und euren schrägsten  Nebenjobs. Diese Geschichte hat unsere Autorin Philina erlebt und aufgeschrieben.

Horror-Stufe: 8 von 10

Chef: Ein Manager, der seinen Rücken kaputt schuftete und selten Verständnis zeigte

Bezahlung: Mindestlohn (um die neun Euro)

Erlernte Skills: Ruhe bewahren, Pizza backen, mich selbst zu behaupten

Im Sommer 2018 war ich 17 Jahre alt, mit dem Abi fertig und suchte einen Nebenjob. Also fuhr ich mit dem Fahrrad zum nächsten Pizza-Laden und fragte, ob eine Aushilfe gesucht wird. Ich dachte, das sei ein gute Idee. Spoiler: War es nicht.

Der Manager, ein Mann Mitte Vierzig, stellte mich nach drei kurzen Probetagen sofort ein. Ich wunderte mich ein bisschen – warum gibt man einer 17-Jährigen ohne jede Vorerfahrung so schnell einen Job und lässt sie so viel Verantwortung übernehmen? Im Nachhinein weiß ich: Der Manager war wohl einfach froh, irgendjemanden für den Job zu haben. 

Denn meine Aufgabe war es im Grunde, den gesamten Laden tagsüber alleine zu schmeißen. Deshalb telefonierte ich, nahm Bestellungen auf, bereitete den Teig vor, belegte und buk die Pizzen, schnitt sie, faltete die Kartons, putzte den Laden und hatte die Macht über die Kasse. Ob das viel oder wenig Arbeit war, kam auf den Tag an. Entweder war wirklich gar nichts – und damit meine ich wirklich wüstenstaubmäßig gar nichts – los und die Zeit streckte sich unendlich lang. Oder es kam alles auf einmal. Mittags zum Beispiel bestellten eigentlich nur Firmen, aber dafür richtig viel: Manchmal bis zu 30 Pizzen auf einmal, alle mit Extrawunsch, hier bitte noch ein bisschen Salami mehr, und da bitte keinen Reibekäse, aber dafür Mozzarella! Und vergessen Sie nicht, die Zwiebeln im dritten Salat klein zu schneiden! Wenn solche Bestellungen kamen, musste ich alles so schnell wie irgendwie möglich vorbereiten – denn solche Firmen zählten zu unseren Stammkunden und brachten viel Umsatz. Da sollten die Pizzen auch pünktlich zur Mittagspause ankommen. 

Und natürlich wollten die Pizzafahrer genau dann, dass ich ihnen bei der Kommunikation mit Kund*innen half. Weil kaum einer der Fahrer (es waren nur Männer) Deutsch sprach, hatten sie oft Probleme, sich mit Kund*innen zu verständigen. Die Lösung des Problems war dann fast immer ich: Während ich gerade die Zwiebeln für Salat drei extra klein schnitt, vermittelte ich also auch noch mit Händen und Füßen zwischen Fahrern und Kund*innen. 

Ich bekam die gesamte Wut der hungrigen, genervten Kund*innen ab

Das Kundenmanagement war nämlich eine Katastrophe. Auf Anweisung des Chefs sollte an jeder Ecke gespart werden. Ich sollte zum Beispiel weniger Belag für die Pizzen verwenden, als eigentlich vorgesehen war. Bei meinem Lohn kam das Geld jedenfalls nicht an – und das, obwohl ich die gesamte Wut der hungrigen, genervten Kund*innen abbekam.

Dazu kam der generelle Umgang mit uns Angestellten: Oft wusste ich erst Sonntagabends, wann ich in der kommende Woche arbeiten musste. Auf andere Verpflichtungen wie Uni-Kurse wurde keine Rücksicht genommen. Leider waren viele Mitarbeiter*innen dort abhängig von dem Job – deshalb mussten sie sich den Umgang gefallen lassen. Ich selbst hatte gerade erst mit dem Studium angefangen und einfach nicht die Zeit, mir einen anderen Job zu suchen.

Einmal fiel ich auf einen Trickbetrug an der Kasse rein. Zwei Männer quatschten mich so voll, dass ich nicht bemerkte, dass sie ihre Bestellung gar nicht bezahlt hatten. 60 Euro fehlten also in der Kasse – das wurde von meinem Gehalt abgezogen. Der Laden war für solche Fälle wohl nicht versichert – oder der Chef wollte mich bestrafen, auch wenn er so tat, als hätte er Mitleid. Ich hätte mir jedenfalls mehr Unterstützung gewünscht.

Die Grenze wurde überschritten, als mir einer der Pizzafahrer übergriffige Fragen zu meinem Sexleben stellte

All das hat den Job schon zu einem ziemlich miesen Nebenjob gemacht. Die Grenze wurde aber überschritten, als mir einer der Pizzafahrer intime und übergriffige Fragen zu meinem Sexleben stellte. Ich war schockiert, aber souverän genug, ihn eiskalt und böse anzustarren. Er versicherte schnell, dass das natürlich nur „Spaß“ gewesen sei. Trotzdem sprach ich mit dem Chef. Der Typ bekam dann eine Abmahnung und wir wurden wenigstens nicht mehr gemeinsam in Schichten eingeteilt – komplett ließ sich der Kontakt aber natürlich nicht vermeiden. Auch wenn ich im Nachhinein gestärkt aus der Situation herausgegangen bin, fühlte ich mich damals in seiner Gegenwart enorm unwohl und bedrängt. Das war dann auch einer der Hauptgründe, warum ich den Laden nach neun Monaten verlassen habe.

Trotzdem habe ich auch aus diesem Job etwas mitgenommen: Ich lernte, mich als junge Frau zwischen Männern zu behaupten und mich unter Stress zu organisieren. Und auch, wenn der Job körperliche Schwerstarbeit war und ich jeden Tag stinkend und mit fettigen Haaren nach Hause kam, hatte er ein paar positive Aspekte: Ich blieb fit! Trotz der katastrophalen Pizzavariationen, die ich für mich selbst ausprobierte (für die Ananas-mit-Curry-Kombination hassen mich bestimmt viele Menschen), war ich top in Form. Und meine Pizzen schmecken bis heute großartig!

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