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4000 Euro brutto für die Tourmanagerin

Mehrere Wochen am Stück nicht zu Hause sein – für Kristin ist das Alltag.
Foto: Christian Kaiser

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Wie mein Arbeitsalltag aussieht

Ich stehe morgens zwischen sieben und zehn Uhr auf, das kommt ganz auf die Größe der Tour an. Mein Feierabend beginnt, wenn nachts der Tourbus abfährt, ins Bett gehe ich meistens zwischen zwei und drei Uhr nachts.

Es ist meine Aufgabe, dass alle den Zeitplan möglichst gut einhalten. Wenn die Künstler spezielle Termine haben, begleite ich sie. Während der Show bin ich am Bühnenrand oder mache mit dem Veranstalter die Ticketabrechnung für den Abend. Die Show, die das Publikum zu Gesicht bekommt, ist allerdings nur die Spitze des Eisbergs. Meine Vorbereitungen gehen lange vorher los. Ich muss wissen, wo die Parkplätze für Tourbus und LKW sowie Stromanschlüsse sind, wann wir aufs Gelände und ins Gebäude können, wie der Timetable aussieht, ob es Catering gibt oder besondere Termine wie Interviews anstehen. Mit all diesen Infos erstelle ich Zeitpläne für jeden Tag der Tour, sowohl für die Produktion als auch für die Künstler. Ich organisiere Unterkünfte für freie Tage, kalkuliere die Fahrten von Ort zu Ort mitsamt Pausenzeiten des Busfahrers und kümmere mich um Flüge und Visa für Bands aus Übersee.

Wie ich Tourmanagerin geworden bin

Ich habe vor 13 Jahren ganz klassisch mit einer Ausbildung zur Veranstaltungskauffrau angefangen, in einer Agentur für Firmenevents. Privat war ich aber schon immer großer Musikfan und habe während meines Urlaubs auf dem Wacken Open Air schon bei der Künstlerbetreuung mitgeholfen. So bin ich schließlich zum Tourmanagement gekommen, anfangs habe ich das jahrelang freiberuflich neben meinem eigentlichen Job gemacht. Vergangenes Jahr bin ich dann ganz auf die Selbständigkeit umgestiegen.

Wie ich mich als Frau in der männerdominierten Musikbranche fühle

Der Anteil an Frauen in meinem Berufszweig in Führungspositionen liegt vielleicht bei fünf bis zehn Prozent. Häufig bin ich die einzige Frau in der Reisegruppe. Ich habe mich aber nie unwohl gefühlt, meine Bands und Kollegen sind super. Trotzdem kommt es vor, dass ich in der Location ankomme und zu hören kriege, wo denn der Tourmanager sei. Als wäre ich nur die Assistentin. Meistens erspare ich mir einen Kommentar, weil wir ja noch um die 14 Stunden zusammenarbeiten müssen und der Tag für alle so angenehm wie möglich werden soll.

Solche Sprüche waren noch schlimmer, als ich jünger und unsicherer war. Heute weiß ich, was ich kann und überzeuge mit meiner Leistung. Leider habe ich aber auch schon von sexistischen Kommentaren und körperlichen Übergriffen gegenüber Kolleginnen gehört. Ich bin mit einigen anderen Frauen aus der Branche verknüpft, wir unterstützen uns in solchen Situationen. Auch die medialen Berichte über Rammstein und deren Backstage-Parties zeigen, wie wichtig es ist, darüber laut zu sprechen.

Vorstellung vs. Realität

Ich arbeite viel mit Plänen und Listen. Anfangs hatte ich die Hoffnung, alle würden sich minutiös daran halten. In der Realität ist das aber nicht möglich. Da kommt man morgens am Ziel an und auf dem abgesperrten Parkbereich für den Tourbus steht ein Falschparker. In so Situationen braucht es viel Flexibilität und Spontanität – denn der 18 Meter lange Bus muss irgendwo hin und der Busfahrer muss seine Dreiviertelstunde Pausenzeit einhalten. Dann ziehe ich los und suche nach einer Alternative. Ich habe schon nachts im Disney-Schlafanzug zusammen mit einem Busfahrer einen Anhänger aus dem Matsch gezogen. So ein Tag auf Tour hat 24 Stunden und garantiert geht etwas schief.

Welche Eigenschaften man als Tourmanagerin braucht

Als Tourmanager sollte man ein sehr gutes Organisationstalent mitbringen. Spontanität ist gefragt, weil Dinge trotz all der Organisation anders laufen als geplant. Aufgrund der langen intensiven Tourphasen – meistens sind wir um die sechs Wochen unterwegs – sollte man zudem zuhause gut sozial verankert sein und zugleich die nötigen sozialen Skills mitbringen, um auf engstem Raum mit der Crew und den Künstlern zu leben. Im Tourbus trennt dich nur ein Vorhang von 15 anderen Menschen. Häufig muss man selbst zurückstecken und eine positive Ausstrahlung bewahren, damit die Stimmung der Reisegruppe nicht kippt.

Was der Job mit meinem Privatleben macht

Ich bin etwa die Hälfte des Jahres auf Tour und sehe dadurch viele Städte, in die ich sonst vermutlich nie gekommen wäre.  Zum Glück bringen meine Freunde meinem Job viel Verständnis entgegen. Teilweise werde ich zu Treffen gar nicht mehr eingeladen, weil sie davon ausgehen, dass ich sowieso keine Zeit habe – das ist nicht böse gemeint, sondern realistisch. Das bedeutet aber auch, dass ich Freundschaften besonders intensiv pflegen muss, wann immer ich zuhause bin.

Ähnlich ist es im Bezug auf Partnerschaften. Es hilft, realistisch zu bleiben und sich bewusst zu sein, dass man sich regelmäßig wochenlang nicht sehen wird. Gerade bei Menschen, die mich neu kennenlernen, ist das schwierig. Sie nehmen Absagen eher persönlich und müssen sich an die Situation erst gewöhnen. In Phasen, in denen keine Tour stattfindet, bin ich dafür sehr flexibel. Wenn gerade besonders viel los ist, gehen solche Phasen nur zwei Tage, aber ich hatte auch schon mehrere Monate Zeit zwischen einer und der nächsten Tour. Da kann ich spontan nachts auf die Kinder von Freunden aufpassen oder vormittags Termine im Bürgerbüro wahrnehmen. Trotz der sozialen Anstrengungen möchte ich so lange wie möglich weiter touren. Sobald das nicht mehr geht oder ich mir mehr Zeit daheim wünsche, kann ich mir vorstellen, Büroarbeit zu machen oder junge Veranstaltungskaufleute und Eventmanager auszubilden.

Durch meinen Job hat sich außerdem mein Blick auf Konzerte verändert, die ich privat besuche. Während eines Auftritts geistern dann viele Gedanken herum: Sollte diese Feuerfontäne jetzt so gezündet werden, war das richtig? Warum dauert der Umbau so lange, gibt es ein technisches Problem?

Die Frage, die ich auf Partys immer gestellt bekomme

Gelegentlich fragen mich Leute, wie mir diese oder jene Stadt gefallen hat – meistens gehts aber um die Künstler. Dann wollen Menschen wissen, ob ich schon mal die Person getroffen habe und wie der so drauf ist. Mit Promis habe ich durchaus zu tun, ich war beispielsweise letztes Jahr mit Nico Santos unterwegs und bin regelmäßig Tourleiterin bei Let’s Dance Live. Bei kleineren Produktionen teilen wir uns sogar den Tourbus. Das hat mich aber weder früher noch heute interessiert. Ich möchte einfach, dass man nett zu mir ist.

Ich erlebe dabei menschlich alles, von übertriebener Dankbarkeit bis hin zu ständiger Unzufriedenheit an allem, was ich mache. Positive oder lustige Stories erzähl ich Leuten gerne, negative aber eher anonymisiert, weil man nie weiß, ob der Künstler einfach einen schlechten Tag hatte. Ich glaube, die meisten in der Branche legen diese Verschwiegenheit an den Tag. Wobei die natürlich Grenzen hat und bei Übergriffen unbedingt gebrochen werden sollte.

Das verdient man als Tourmanagerin

Als Selbständige muss ich viel selbst bezahlen: die Krankenversicherung, eine freiwillige Renten- und Arbeitslosenversicherung, Berufshaftpflicht, IHK-Beiträge, Einkommensteuer und Umsatzsteuer. Dazu kommen Rücklagen für jene Monate, in denen ich keine Aufträge habe und stattdessen viel Büroarbeit wie Buchhaltung oder Akquise mache. Kürzlich bin ich wegen eines Bänderrisses ausgefallen, auch für solche Ausfälle muss ich vorsorgen. Monatlich zahle ich mir abzüglich aller Steuern sowie Versicherungen etwa 2500 Euro netto aus. Das wären dann in etwa 4000 Euro brutto.

Je nach Größe der Produktionen ist der Verdienst meiner festangestellten Kollegen sehr unterschiedlich. Vergleiche ich mein Gehalt mit jemandem, der beispielseise im Booking arbeitet, liege ich derzeit wohl im guten Mittelfeld. Generell komme ich gut mit meinem Verdienst zurecht, langfristig verfolge ich aber das Ziel, mehr zu verdienen, um ausreichend Altersvorsorge betreiben zu können.

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