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1736 Euro brutto für die Podologin

Foto: privat; Grafik: jetzt

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Die Motivation

Wenn man den Ekel mal außen vor lässt, ist der Fuß ein hochinteressantes Körperteil. Wie auch in den Fingerspitzen enden dort die meisten Nerven. Und weil das das Körperteil ist, was am weitesten von unserer Körpermitte entfernt ist, wird es auch als erstes krank. Wenn ich zum Beispiel eine Nervenerkrankung habe, spüre ich das als erstes in den Füßen und in den Händen. Es sind quasi unsere Enden und somit das Unwichtigste für unseren Körper. 

Was mir an meinem Job wirklich sehr gefällt, ist, dass ich Menschen dabei helfen kann, in ihren letzten Lebensjahren schmerzfrei zu laufen. Und zwar ganz ohne Medikamente; nur mit meinem Wissen und meinen Fähigkeiten. Das treibt mich an, wenn Patienten unfreundlich sind oder knifflige Probleme haben. Weil ich ganz genau weiß, dass ich den Effekt meiner Arbeit sofort sehe – also eine halbe Stunde später, wenn meine Patienten fast beflügelt die Praxis verlassen.        

Der Berufsalltag

Gegen acht Uhr ist Arbeitsbeginn und eine halbe Stunde später kommen die ersten Patienten. Wenn ich mich umgezogen habe, muss ich den Hygienebereich vorbereiten: Instrumente und den Raum sterilisieren. Die Instrumente werden im Ultraschallbad gereinigt, mit Wasser abgespült und in Tüten verpackt. Ich brauche für jede Behandlung mindestens sechs. Was man kennen könnte, sind eine Zange, Fräser, einen kleinen Polierer und ein Skalpell-Halter. Die Klingen sind Einmalprodukte. Kosmetische Behandlungen machen wir überhaupt nicht. Für normale Pflege und Nagellack sind die Fußpflegerinnen da. Bei uns landen wirklich nur kranke Füße von Diabetikern, Schlaganfallpatienten oder Patienten mit Nervenkrankheiten. Auch unsere soziale Kompetenz ist deshalb sehr gefragt. Der Fuß ist für viele Menschen ohnehin schon die absolute Tabuzone. Eins der Körperteile, für das man sich irgendwie schämt, weil es nicht so schön aussieht. Wenn es dann auch noch krank aussieht, wirkt es bedrohlich und ist Betroffenen noch unangenehmer. Deswegen muss man erstmal etwas mit ihnen plaudern; das Eis brechen. In der Regel dauert jede Behandlung 30 Minuten. An langen Arbeitstagen schaffe ich 20 Termine, an kürzeren zwölf. 

Unsere wichtigste Aufgabe ist die Prophylaxe. Im besten Fall wollen wir nicht erst eingreifen, wenn die Füße schon weh tun, sondern dem vorbeugen. Manchmal ist es schon verrückt, Menschen erklären zu müssen, dass man einen Fuß nicht in einen viel zu schmalen oder kleinen Schuh quetschen sollte, weil das langfristige Schäden verursachen kann. Dass hohe Absätze total schick aussehen, den Fuß aber verletzen. Es geht auch nicht nur darum einen eingewachsenen Zehnagel zu schneiden, sondern herauszufinden, warum er schief wächst. Ist man mit der Analyse durch, geht es ans Handwerk. Wir bauen zum Beispiel sogenannte Nagelkorrekturspangen. Das klingt fies, unterscheidet sich aber nicht großartig von einer Zahnspange. Ein Großteil unserer Arbeit beschäftigt sich mit diabetischen Füßen. Zuckerkranke haben nämlich ein erhöhtes Amputationsrisiko.

Der Weg

Mit 17 Jahren habe ich meine Ausbildung zur Podologin begonnen – das war relativ ungewöhnlich. Ich war die Jüngste an der Berufsschule. Die meisten haben eine medizinische Vorbildung als Kranken- oder Altenpflegerin und schulen dann noch mal für zwei Jahre um. Da viele junge Menschen sich total vor Füßen ekeln, ist der Job als Podologe wenig attraktiv. Meine Klassenkameraden waren also im Schnitt 40 Jahre alt – was manchmal schon ziemlich gruselig war. Dass mich die Phobie vor Füßen nie eingenommen hat, lag daran, dass meine Mutter auch Podologin ist und ich ihre Arbeit sehr spannend fand.

In der Ausbildung fängt man dann sofort an, an den Füßen der Klassenkameraden oder von Familienmitgliedern zu üben. Um die Skalpell-Technik zu beherrschen braucht man die vollen drei Ausbildungsjahre. Denn anders als beim Chirurgen müssen wir das Skalpell so fest in der Hand halten, dass wir es uns nicht sofort ins Knie oder in den Fuß rammen, sobald Patienten sich mal erschrecken oder kitzelig sind. Deswegen klemmen wir es zwischen den kleinen Finger und halten die Klinge mit den Daumen und Zeigefinger fest. Es klingt genauso kompliziert, wie es ist. Wir mussten also eine ganze Weile an Gemüse und Obst üben und haben unseren Dozenten regelmäßig Salate geschnibbelt. Als die Kartoffelscheibe dann eines Tages so dünn war, dass man durchschauen konnte, war man bereit für echte Füße. Wobei selbst das keine Garantie dafür ist, Patienten nicht versehentlich zu verletzen, weil jede Haut anders ist.

Nach drei Jahren darf man sich dann staatlich examinierte Podologin nennen. Zu meiner Zeit kostete die Ausbildung noch Geld – das waren knapp 10.000 Euro. Mittlerweile wurde das Schulgeld zum Glück abgeschafft.

Die Frustration

Obwohl die meisten Fußpfleger keine medizinische Ausbildung haben, sind sie unsere direkten Konkurrenten. Es ist ein ungeschützter Beruf, was bedeutet, dass sich jeder so nennen kann – ohne jemals zuvor ein Skalpell in der Hand gehalten zu haben. Jedenfalls müssen wir dann ihre Fehler ausbügeln. Wie zum Beispiel Schnitte wieder gesund pflegen. Genauso frustriert ist der Umgang einiger Ärzte mit uns. Für sie sind wir nicht selten irgendwelche Tanten, die ein bisschen Chichi an den Füßen machen. Des merke ich besonders, wenn ich mich mit einem Arzt in Kontakt setzte und einen Behandlungsvorschlag mache.

Das Schlimmste an meinem Beruf sind aber die Patienten, die wir wegschicken müssen. Zuletzt war es eine querschnittsgelähmte Frau mit Spastiken in den Händen. Da sie Medikamente nimmt, braucht sie eine besondere Pflege. Einfach ein bisschen Nägel schneiden reicht nicht, wenn eine Patientin zum Beispiel einen Blutverdünner einnimmt. Da kann jeder winzige Schnitt zum Risiko werden. Da sie aber keine Diabetikerin ist, übernimmt die Krankenkasse keinen Cent. Eine Behandlung kann sie sich aber auch nicht leisten. Umsonst arbeiten kann ich mir nicht leisten. Es dauert ein paar Tage, solche Erlebnisse zu verdauen. Mich wurmt es, dass Menschen dadurch mit Schmerzen weiterleben müssen und sich sogar in Gefahr bringen, weil einfache Fußpflegerinnen keine medizinische Ausbildung besitzen. Wir haben uns so geeinigt, dass sie sich sofort bei uns meldet, sollte sie verletzt werden.

Die Frage, die auf Partys immer gestellt wird

Die Reaktion wird wohl keinen überraschen: Ihhh Füße! Warum machst du das? Füße sind total widerlich. Wenn ich dann aber ein bisschen mit meinem medizinischen Fachwissen prahle, ändert sich das ganz schnell. Dann verschwindet plötzlich das Vorurteil, dass wir nur ein bisschen Hornhaut abschmirgeln. Aus Ekel wird Interesse und wir zu sowas wie den Heilern der Füße. Oft wird auch ziemlich schnell auf die eigenen Problemchen an den Füßen angespielt – und plötzlich ist mein Job gar nicht mehr so abschreckend. Dass ich dann auch in meiner Freizeit ständig nackte Füße sehe, nervt etwas.                        

Das Geld

Viele Kunden sagen, 34,50 Euro für eine Behandlung sei zu teuer. Wenn man sich aber überlegt, dass allein die Materialkosten bei 20 Euro liegen, arbeite ich schon unterbezahlt. Die Zukunft läuft darauf hinaus, dass wir mehr verdienen können. Politisch setzt man sich gerade dafür ein, dass die Krankenkassen alle Behandlungen übernehmen und nicht nur die von Diabetikern. Da ich einen Sohn im Kindergartenalter habe, arbeite ich gerade als Teilzeitkraft 20 Stunden die Woche und verdiene rund 1.736 Euro brutto. In der Vollzeit würde ich auf 3.200 Euro brutto kommen. Insgesamt ist der Job einer Podologin mit guten Zukunftsperspektiven verknüpft, denn wir alle haben Füße, die vielleicht irgendwann mal Pflege brauchen. Außerdem kann man sich vielfältig weiterbilden, wodurch man gute Aufstiegschancen hat. Man kann sogar studieren und als Dozent weiterarbeiten.

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