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Kann Sex mit Freund*innen funktionieren?

Illustration: Julia Schubert

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Eine „Freundschaft Plus“ erscheint wie eine unkomplizierte Alternative zu einer fixen Beziehung. Die Voraussetzung: Zwei Freund*innen vergnügen sich zwar im Bett, halten aber Liebe und Lust getrennt. Kann das Modell funktionieren? Was passiert, wenn eine*r von beiden Gefühle entwickelt? Drei Personen erzählen von ihren Erfahrungen.

„Alle um uns herum wussten genau, dass wir schon längst in einer Beziehung waren, nur wir nicht“

Marie, 22, studiert Sozialwissenschaften in Osnabrück:

„Wir sind zusammen zur Schule gegangen. So richtig befreundet waren wir zu dem Zeitpunkt nicht. Als wir anfingen, uns für das Plus zu treffen, fiel uns auf, dass wir total auf einer Wellenlänge sind. Wir wurden zu besten Freunden und hörten dann zeitweise auf, miteinander zu schlafen. Er hatte eine Person, mit der er zusammen sein wollte und ich auch. Aber das hat bei uns beiden nicht geklappt. Danach fing unsere Freundschaft Plus wieder an. Zwei Jahre ging das.

Während der Partnerschaften haben wir uns gegenseitig voll unterstützt und Ratschläge gegeben wie beste Kumpels. Zu dem Zeitpunkt dachte ich nicht, mehr Gefühle für ihn zu haben. Die Freundschaft war mir zu wichtig, um sie mit einer Beziehung kaputt zu machen. Aber mit der Zeit merkten wir beide, dass wir doch Gefühle füreinander hatten.

Dann kam irgendwann der Sommer und auf einmal waren wir im Pärchenurlaub in Italien. Alle um uns herum wussten genau, dass wir schon längst in einer Beziehung waren, nur wir nicht. Wir hielten in der Öffentlichkeit Händchen und küssten uns. Dann konnten wir einander auch nicht mehr anlügen.

Ich war eigentlich total überzeugt von Freundschaft Plus. Noch nach einem Jahr hätte man mich fragen können und ich hätte geschworen, nicht mit ihm zusammenzukommen. Dieses Konzept mehrere Jahre durchzuziehen, ist meiner Ansicht nach aber schwierig. Bei uns ist es zum Glück gut gegangen. Wir haben uns füreinander entschieden, obwohl es andere Personen in unserem Leben gab. Deshalb habe ich überhaupt keinen Zweifel an unserer festen Beziehung. Mittlerweile sind wir zwei Jahre zusammen.“

„Ich bin echt nicht stolz darauf, wie das Ganze abgelaufen ist“

Jonas, 22, studiert Wirtschaftsinformatik in Mannheim:

„Meine Erfahrung mit Freundschaft Plus ging ungefähr drei Jahre. Aus unserer anfänglichen Affäre entwickelte sich eine gute Freundschaft. Wir gingen ins Schwimmbad oder sie war dabei, wenn meine Kumpels bei mir zu Hause waren. Wir waren viel füreinander da, wenn es der anderen Person schlecht ging. Rückblickend war unsere Freundschaft Plus aber stressiger als eine feste Beziehung.

Jedes Mal, wenn wir darüber sprachen, wie unsere Beziehung aussehen sollte, gerieten wir aneinander. Sie erhoffte sich aus der Freundschaft mehr, aber ich wollte keine feste Beziehung mit ihr. Ich habe ihr gesagt, dass wir dann lieber nicht miteinander schlafen sollten. Sie bot es jedoch immer wieder an. Und ich sagte nicht Nein. Ich bin echt nicht stolz darauf, wie das Ganze abgelaufen ist.

Für sie war unsere Beziehung toxisch und dann haben wir irgendwann beschlossen, dass ich auf ihre expliziten Nachrichten nicht mehr antworte. Ich habe mich gefragt: ,Muss ich jetzt die Verantwortung für sie übernehmen?‘ Wir sind ja erwachsene Menschen. Sie wollte wahrscheinlich über Sex Gefühle in mir auslösen, die ich einfach nicht hatte. Ihr jetziger Freund weiß nichts von mir, besonders weil wir uns am Anfang ihrer Beziehung noch Nudes geschickt haben.

Meiner Erfahrung nach ist Freundschaft Plus zum Scheitern verurteilt, wenn man nicht von vornherein klare Grenzen setzt und durchweg offen kommuniziert. Wir haben vor einigen Monaten entschieden, dass wir lieber den Kontakt komplett abbrechen sollten. So richtig schaffen wir das aber immer noch nicht, sporadisch schreiben wir.“

„Unsere Freundschaft Plus ging bis Ramadan ziemlich kontinuierlich weiter“

Nina (Name geändert), 25, wohnt in Berlin und studiert Nachhaltigkeit:

„Wir trafen uns auf einer Jahrgangsparty Anfang des vergangenen Wintersemesters. Wir unterhielten uns gut und gingen ein paar Tage später zusammen Bier trinken. Ab dann trafen wir uns regelmäßig für Sex. Aber wir kochten auch mal nur zusammen, ohne Körperlichkeiten. Unsere Beziehung war sehr respektvoll und freundschaftlich. Wir haben immer offen kommuniziert, das war keine Affäre am Rande.

Wir sprachen eines Abends darüber, dass unsere Beziehung als Freundschaft-Plus-Modell gut funktionieren würde. Ich habe gerne Zeit mit ihm verbracht, aber auch nicht öfter als ein oder zwei Abende die Woche.

Dabei spielte auch eine Rolle, dass wir zusammen im Ausland studierten und nicht wussten, wohin die andere Person gehen würde. Bei ihm war die zeitliche Limitierung ein Faktor. Das wäre mir jetzt nicht wichtig gewesen, aber ich hatte einfach keine romantischen Gefühle für ihn. Zwischenzeitlich traf er sich auch mit einer anderen Frau. Das war für mich unschön, weil ich merkte, dass ich schon eifersüchtig wurde.

Unsere Freundschaft Plus ging bis Ramadan ziemlich kontinuierlich weiter. Aber dann war der körperliche Aspekt der Beziehung erst mal auf Eis gelegt, weil er als Muslim während des Fastenmonats keinen Sex haben konnte, bezwiehungsweise wollte. Wir trafen uns aber weiterhin als Freunde. Bis heute interessiere ich mich für seine Zukunft und sein Leben. Er hilft mir auch immer noch bei Fragen zur Uni, obwohl wir jetzt in unterschiedlichen Städten leben. Für ihn war mein Wohlbefinden total wichtig. Er hat sich selbst mal als Feminist bezeichnet und so habe ich ihn auch wahrgenommen. Diesen Respekt zwischen uns habe ich sehr geschätzt.“

(Dieser Text ist in inhaltlicher Zusammenarbeit mit Die Frage entstanden, einem Format von funk.)

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