Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Horror-Date: Das gruselige Fangirl

Grafik: jetzt

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Dating-Situation: Erstes Date mit einem Tinder Match in einem Restaurant/ eher Snackbar.

Geschlecht und Alter des Dates: Weiblich, 26 Jahre

Horror-Stufe: 8 von 10

„,Hi‘, Bussi links und rechts. ,Wow, es ist so schön, dass wir uns endlich mal treffen‘, sagte Claudia und drückte mich dann ziemlich fest an sich. Und zwar um einiges zu lang für ein erstes Treffen. Komisch fühlte sich das schon an, aber noch flößte mir ihr auffälliges Verhalten keine Angst ein. Ich interpretierte es eher als ganz süße Euphorie. 

Sie sah gut aus. Dunkle Locken, grüne Augen, Jeansjacke, klein und zierlich, schönes Lächeln. Und wie es für Tinder-Dates eher unüblich und deswegen an dieser Stelle wichtig zu erwähnen ist: Claudia (Name geändert) sah wirklich so aus wie auf ihren Profilbildern.

Claudia hatte mich angeschrieben, weil wir früher offensichtlich auf demselben Gymnasium waren. Sie war damals eine Stufe unter mir und hatte mich wiedererkannt. Ein paar Witze über unseren ehemaligen Schulleiter später war klar: Date, übermorgen, gemeinsames Falafel-Essen. 

Bis dahin schrieben wir gefühlt im Viertelstundentakt: Sie hatte vor zwei Wochen mit dem klettern angefangen, ich war inzwischen seit fast zwei Jahren dabei. Sie mochte arabisches Essen, ich vergötterte es. Wir verstanden uns gut und waren dafür, dass wir uns gerade einmal 72 Stunden kannten, direkt ziemlich close.

Anstatt sich in der Falafel-Bar mir gegenüber zu setzen, rutsche Claudia neben mich auf die Bank und kuschelte sich direkt an mich. ,Du siehst nicht nur richtig gut aus, sondern riechst auch total lecker‘, hauchte sie mir ins Ohr. Unangenehm! Der Fremdscham lief mir da zum ersten Mal wie kaltes Wasser den Rücken herunter. Was ich mit einem Lächeln überspielte und nach der Speisekarte griff. Ich hatte nämlich wirklich Hunger.

,Ich bestelle das, was du nimmst. Du hast bestimmt einen guten Geschmack‘, antwortete sie als ich ihr die Karte hinhielt. Das hörte ich zum ersten Mal, aber vielleicht entdeckte Claudia ja noch verborgene Talente an mir. Alles, was ich ihr erzählte, fand sie toll: den eher unbeliebten Beamtenjob, dass ich mir ein Rennrad angeschafft hatte, mein Auslandssemester, in dem ich eigentlich nur gefeiert hatte. Ziemlich absurd wurde ihre Bewunderung, als ich ihr erzählte, dass ich neuerdings Trauzeuge eines Kumpels sei. ,Ich find das total süß, dass du das machst.‘ Erst war ich mir nicht sicher, ob das ihr Ernst oder spöttische Ironie war. Sie fing an in meinen Haaren rumzufucheltn, schaute mir in die Augen und ergänzte: ,Es ist toll, dass es Menschen wie dich gibt, die ihre Freunde so supporten. Da muss man auch einfach mal danke sagen. Danke dafür!‘ Okay, es war ihr Ernst und das war gruselig – aber noch lange nicht alles.

,Wo wir schon mal bei deinen Freunden sind. Ich habe schon ein bisschen auf Instagram gestalkt und finde deinen Kumpel Sebastian und seine Freundin echt sympathisch. Ben wirkt zurückhaltend. Und dein Bruder Max ist voll niedlich, Moment, er ist doch dein Bruder, oder?‘ Hilfe!!! Obwohl ich vor Claudia über all diese Menschen kein Wort verloren hatte, wusste sie ihre Namen und auch, in welchem Verhältnis ich zu ihnen stand. Meine Nervosität sah sie mir wohl an. ,Keine Sorge, ich habe nur meine Hausaufgaben gemacht‘, sagte sie. 

Daraufhin schlang ich meinen Falafel in drei Bissen runter, antwortet nur noch einsilbig mit ja oder nein, brachte sie noch zur U-Bahn-Haltestelle und täuschte einen Magenkrampf vor, um so schnell wie möglich verschwinden zu können. Das war vielleicht nicht nett. Ich wollte mir wohl ersparen, dass sie mir auf der Straße eine Szene machte. Die machte sie mir dann wenige Tage später auf WhatsApp, als ich ihr sehr vorsichtig mitteilte, dass das mit uns nichts werde. Ich habe dann nicht nur ihre Nummer gelöscht, sondern auch Tinder. Der Schock saß einfach zu tief.“

Der junge Mann, der unserer Autorin diese Geschichte erzählt hat, hat darum gebeten, anonym bleiben zu dürfen. Er ist der Autorin aber bekannt. 

Mehr Horror:

  • teilen
  • schließen