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Mama-Kolumne Folge 18: Angst um das eigene Kind
In dieser Kolumne geht es um Schwangerschaft und Eltern-Sein, um die Hürden, das Glück, die Mythen rund ums Thema Baby. Unsere Autorin ist Mutter einer dreijährigen und einer einjährigen Tochter. Folge 18: Die Urangst, das eigene Kind zu verlieren.
Hinweis: Diese Folge thematisiert Ängste von Eltern, Fehlgeburten, den plötzlichen Kindstod und tödliche Unglücke.
Seit ich Mutter bin, kenne ich eine Liebe, die viel intensiver ist als alle Gefühle, die ich zuvor empfunden hatte. Die Liebe zu meinen Kindern übersteigt die Liebe zu meinem Mann, meinen Eltern und Geschwistern, zu Freund:innen, zu mir selbst. Doch mit dieser Liebe habe ich auch eine neue Angst kennengelernt. Die davor, mein Kind zu verlieren.
Diese Urangst ist größer und tiefer als jede andere Furcht, die ich kenne. Sie sitzt wie ein Backstein in meinem Magen, bringt meine Hände zum Zittern - immer dann, wenn ich daran denke, dass meinen Kindern etwas zustoßen könnte. Wenn ich die Ohnmacht spüre, sie nicht vor allem Leid der Welt beschützen zu können.
Dieses Gefühl ist zum Glück kein Dauerzustand, meistens bin ich zuversichtlich im Hinblick auf die Zukunft meiner Kinder. Und doch ergreift sie mich manchmal. Zum Beispiel nach Nachrichten wie der jüngsten: In Aschaffenburg hat ein Mann eine Kita-Gruppe mit einem Messer attackiert, auch ein Zweijähriger starb. Ein kleiner Junge, ein unschuldiges Kind, wird unvermittelt und gewaltvoll aus dem Leben und seiner Familie gerissen. Was ihm und den anderen Opfern zugestoßen ist, erschüttert mich. Und lässt mich fragen: Könnte sowas auch mein Kind treffen?
Fehlgeburt, plötzlicher Kindstod, Autounfall - die Szenarien im Kopf
Die Angst, das eigene Kind zu verlieren, beginnt für Eltern schon in der Schwangerschaft. Zwar bringen die regelmäßigen Kontrollen in der gynäkologischen Praxis im besten Fall eine kurze Erleichterung – „Alles in Ordnung, Ihr Baby ist gesund.“ Doch auch, wenn mit jeder weiteren Schwangerschaftswoche das Risiko einer Fehlgeburt sinkt: ganz ausgeschlossen werden kann sie nie. Ich selbst habe den Zwilling meiner zweiten Tochter sehr früh verloren, noch vor der zwölften Schwangerschaftswoche war der zweite Herzschlag einfach nicht mehr da. Eine Bekannte musste im achten Schwangerschaftsmonat ihr bis dahin gesundes Baby totgebären, infolge einer sehr seltenen Komplikation.
Kommt das Kind gesund auf die Welt, ist die Angst aber nicht zu Ende. Es begleitet einen die Furcht vor dem plötzlichen Kindstod. Ich erinnere mich an einige Nächte, in denen wir immer wieder kontrollierten, ob unser Baby noch atmet. Werden die Kinder älter, ist es die Angst vorm Ersticken oder Ertrinken, vor Autounfällen oder sonstigen möglichen Katastrophen, die viele Eltern vorsichtig und aufmerksam bleiben lässt.
Dass Eltern sich um das Wohlbefinden der eigenen Kinder sorgen, ergibt natürlich Sinn. Die Angst führt dazu, dass wir unseren Nachwuchs beschützen und unnötige Risiken vermeiden. Sie bringt uns dazu, es im Auto richtig anzuschnallen, ihm beim Radfahren einen Helm aufzusetzen, dem Kind beizubringen, dass es nicht ohne zu schauen über die Straße rennen und nicht mit Fremden mitgehen soll. Die Realität aber bleibt: Das Risiko ausradieren können wir nicht. Also bleibt auch die Angst.
Angst zu haben, ist normal
Zum Problem wird die Angst ums eigene Kind dann, wenn sie den Alltag bestimmt. Wenn Eltern stark darunter leiden – oder aber, wenn die Angst dazu führt, dass sie ihr Kind überbehüten oder kontrollieren. Ein Kind braucht Freiraum, muss sich ausprobieren und eigene Erfahrungen sammeln können. Ein vernünftiges Gefahrenbewusstsein an die Hand bekommen, das sollte es schon. Aber von allem fernhalten, das im entferntesten Sinne ein Risiko bereithalten könnte? Das klingt auch nicht nach der Art Leben, das ich mir für meine Kinder wünsche.
Angst ums eigene Kind zu haben, ist normal. Doch Eltern sollten sich nicht von ihr beherrschen lassen. So sehe ich das zumindest. Sich bewusst zu machen, wie unwahrscheinlich eine Gefahr ist, kann helfen. Der plötzliche Kindstod ist in Deutschland mittlerweile selten, die jährliche Zahl der Fremdentführungen Minderjähriger liegt im einstelligen Bereich, die Anzahl im Straßenverkehr verunglückter Kinder hat sich in den vergangenen 30 Jahren mehr als halbiert.
Doch leider ist die Angst, sein Kind zu verlieren, nichts vorwiegend Rationales. Die statistische Wahrscheinlichkeit bedeutet auf emotionaler Ebene für den Einzelnen oft wenig. Weshalb – den niedrigen Entführungszahlen zum Trotze – viele Eltern inzwischen ihre Kinder auf dem Schulweg per GPS orten.
Wenn mich die Angst um meine Kinder überkommt, hilft es mir, mich mit meinem Mann und Freund:innen dazu auszutauschen, uns gegenseitig aktiv zu beruhigen und auf andere Gedanken zu bringen. Ich weiß schließlich, dass ich meine Kinder nicht vor allem beschützen kann. Die Sorge um sie wird deshalb nie ganz weggehen. Gleichzeitig hilft der Gedanke: Umso weniger Macht ich meiner Angst in unserem Alltag gebe, je weniger die beiden meine Sorgen spüren, desto weniger präsent ist dieses beklemmende Gefühl in ihrem Leben, desto weniger kann es sie lähmen. Bis sie vielleicht selbst einmal Kinder haben.