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Warum die Zeit der Popband "Mumford&Sons" schon lange vorbei ist
Es gibt Bands, die kamen einem, als man noch jünger und bedürftiger war, vor wie die Offenbarung. Man dachte, diese Band, die hat was wunderbar Neues geschaffen, in dem man sich rundherum wohlfühlte und das man – garantiert – niemals anzweifeln würde. Und dann vergehen zehn Jahre und man kann über das, was man damals berührend fand, nur noch den Kopf schütteln. Man kennt diesen „Was habe ich mir nur dabei gedacht“-Effekt als Nebenwirkung des Älterwerdens. Er stellt sich vor allem bei Klamotten ein, die man schon lange im Schrank hängen hat und manchmal (wirklich sehr selten) sogar bei Freunden.
Mit der Folk-Band Mumford & Sons, die am Freitag ihr neues Album „Delta“ herausbringt, ist es ähnlich. Für die, die diese Band nicht kennen (was in unserer Generation relativ wenige Menschen sein dürften): Mumford & Sons haben Ende der 2000er wirklich anständige Indiesongs geschrieben. Dann kam jemand auf die Idee, dazu Banjo zu spielen – und vollbracht war der Wandel zum neuen messianischen Indie-Shit.
Seufze nicht länger
Banjo? Wahnsinn. Folk? Hatte man davor noch nie drüber nachgedacht, oder zumindest sehr selten. Und die Lyrics erst. So krass. Und, das muss ich auch heute noch zugeben, der Song „ Dust Bowl Dance“, in dem es um einen jungen Mann geht, der für den Mord an seiner Familie Rache übt, ist vielleicht der einzige Song der Band, der kein Mindesthaltbarkeitsdatum hat. Aber es gab eben auch Lieder wie „Sigh no more (zu deutsch: „Seufze nicht länger“) oder „After the Storm“, die so kitschig sind, dass man beim Anhören rot wird und das vermutlich nur aushält, wer das erste Mal verlassen wurde. Hier ein Auszug:
But there will come a time, you'll see, with no more tears/
And love will not break your heart, but dismiss your fears.
Uääärgh. Ich könnte jetzt sagen, ich hätte Mumford & Sons von Anfang an als total platte Indie-Kacke entlarvt. Aber das habe ich nicht. Kaum etwas hat mein Herz so angerührt wie das Debüt-Album dieser Band. Peinlich? Ohja. Aber ich weiß, dass es nicht nur mir so ging. Es ging einer ganzen Reihe von Menschen im gleichen Alter so. Das beruhigt mich und zeigt auch, dass an den Songs einfach was dran war. Ich stand schon Arm in Arm in einer Reihe aus Freunden auf einem Mumford & Sons Konzert und mehrere Menschen in dieser Reihe haben geweint, als der Frontmann sang:
Keep the earth below my feet/
For all my sweat, my blood runs weak.
Das mag auch an fünf Tagen Festival-Erschöpfung oder diversen Gräsern gelegen haben, die von den weinenden Menschen vorab geraucht worden waren. Aber ich behaupte, es war einfach, weil ihre Herzen von den Mumfordschen Dreiklängen so angerührt waren.
Ich habe zu dieser Zeit schon viele andere Musiker gehört, von denen ich heute weiß, dass sie Poeten sind und dass ihre Musik mich jahrzehntelang begleiten wird. Bob Dylan, David Bowie, The Band. Allein schon deshalb, weil sie ihre Sache immerhin so gut gemacht haben, dass ich auch nach zehn Jahren menschlicher Weiterentwicklung nicht in den Büromülleimer kotzen will, wenn ich heute ihre Texte und Melodien höre.
Aus Musik kann man rauswachsen wie aus einem Pullover
Die Erfahrung, dass man aus Musik rauswachsen kann wie aus einem Pullover kennt jeder. Trotzdem ist das Unverständnis, mit dem man manchmal Musik gegenübersteht, die man vor ein paar Jahren noch geliebt hat, immer wieder faszinierend. Beim neuen Mumford & Sons Album fällt es ein bisschen leichter, den Kopf zu schütteln. Denn es ist wirklich, man kann es nicht anders nennen, hundsmiserabel schlecht. Mittelmäßige Melodien reihen sich an noch mittelmäßigere Songzeilen, in denen Marcus Mumford, der Leadsänger, feststellt:
And if I say I love you, well, then I love you /
And if I say I love you, well, then I love you
Klingt logisch. Lyrik ist es keine. Schlimmer noch: „Delta“ ist ein Album, das klingt wie die Vertonung einer Romanverfilmung von Nicholas Sparks (das ist der mit den Kitschbüchern). Und manchmal werden an der Stelle, wo früher das Banjo einsprang, unfassbar öde elektronische Beats eingespielt.
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Fast bekommt man Mitleid mit sich selbst – und mit Marcus Mumford
Umso überraschender finde ich es, dass mir in meiner Facebook-Timeline immer wieder angezeigt wird, dass es Menschen gibt, die angeben, dass sie auf das Mumford & Sons Konzert in der Olympiahalle gehen werden. Entweder, diese Menschen haben das neue Mumford & Sons-Album noch nicht gehört (und das Vorgänger-Album vermutlich auch nicht, denn das klingt ähnlich). Oder sie hängen einfach noch sehr an ihrem 18-Jährigen-Ich. Was ja auch verständlich ist; war eine schöne Zeit, damals. Damals, als diese Band bei meinen orientierungslosen Freunden und mir einen Nerv getroffen hatte; einen, der nur auf ein Banjo und Marcus Mumford’s sinnsuchende Texte gewartet hatte.
Aber, und das ist der Punkt, das ist zehn Jahre her. Es gibt heute wirklich Künstler, die mit ihrer Musik auch im Jahr 2018 noch etwas Neues, Bahnbrechendes in der Popmusik schaffen. Die Arctic Monkeys oder Bilderbuch zum Beispiel, oder Drake bei den Hiphoppern. Mumford & Sons gehören definitiv nicht dazu.
Fast bekommt man bei diesem Album Mitleid mit seinem früheren Selbst, noch mehr aber mit Marcus Mumford: Wie man für eine Frau wie Carey Mulligan einen so verdammt faden Song wie „Guiding Light“ schreiben kann, ist mir ein Rätsel. Ich glaube an dich, Marcus Mumford, du findest dieses sinngebende Licht. Aber wenn du auf der Suche ständig deine eigene Musik hörst, hast du keine Chance.