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„Ich bin nicht von Trump enttäuscht“

Am Mittwoch stürmten Anhänger*innen Donald Trumps das US-Kapitol. Was denken Republikaner*innen darüber, die nicht dabei waren?
Foto: Lev Radin / imago images/Pacific Press Agenc

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Am vergangenen Mittwoch stürmten Hunderte Anhänger*innen von Noch-US-Präsident Donald Trump das Kapitol in Washington, D.C. Im Sitz der beiden Kammern des US-Parlaments sollte zu dieser Zeit eigentlich Joe Biden als gewählter US-Präsident offiziell bestätigt werden. Kurz vorher hatte Trump seine Anhänger*innen zu Protesten angestachelt, nachdem er sich seit Wochen geweigert hatte, seine Niederlage in der US-Wahl anzuerkennen. „Wir werden zum Kapitol hinunterlaufen“, sagte er in Washington vor seinen Fans. Bei den darauffolgenden Krawallen kamen daraufhin fünf Menschen ums Leben.

Joe Biden verurteilte die Ausschreitungen schnell, Donald Trump äußerte sich zunächst eher wohlwollend, rief allerdings dazu auf, friedlich zu bleiben. Erst am Donnerstagabend amerikanischer Zeit, nach massiver Kritik auch aus den eigenen Reihen, verurteilte Trump in einer Rede die Ausschreitungen. Inzwischen haben soziale Netzwerke wie Twitter Donald Trumps Accounts gesperrt.

Wie blicken Donald Trumps Wähler*innen auf die Geschehnisse?  Würden sie Donald Trump wiederwählen, wären morgen Wahlen? Wir haben mit drei jungen Menschen gesprochen, die im November 2020 Donald Trump gewählt haben.

„Amerika und seine Leute müssen immer an erster Stelle stehen“

Jackson, 23, kommt aus Los Angeles und studiert Englisch

„Die Ausschreitungen waren falsch und dumm. Es gab keine Chance, damit irgendetwas zu erreichen. Ehrlich gesagt: Mich hat es kaum berührt, als ich gesehen habe, dass das Kapitol gestürmt wurde. Für mich ist das Kapitol ein Nest der Korruption. Ich verstehe also, warum die Menschen wütend sind. Linke hätten das Kapitol vor einigen Monaten wahrscheinlich als Symbol für Korruption und ‚weiße Macht‘ bezeichnet. Jetzt nennen sie es den ‚Tempel unserer Demokratie‘. Es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Wahl gestohlen wurde. (Anm. d. Red.: Es gibt keine Beweise dafür, dass es Wahlfälschung gab.) Ich würde zu hundert Prozent wieder für Trump stimmen.

Ich habe wie viele Amerikaner kein Vertrauen mehr in unsere Demokratie. Die Republikanische Partei ist eine Schande, bis zu dem Punkt, an dem ich mich nicht mehr als Republikaner betrachte. Wir brauchen Populismus und Nationalismus. Amerika und seine Leute müssen immer an erster Stelle stehen. Keine Auslandskriege mehr. Keine Millionen-Dollar-Finanzierung für Gender Studies in Pakistan. Das System muss den Menschen dienen, nicht umgekehrt. Ich hoffe, die Partei strukturiert sich grob um oder es entsteht eine neue populistische Partei der Trumpisten.“

„Republikaner waren immer stolz darauf, dass sie gewaltlos sind“

Kylie Johnson, 25, Geschichtslehrerin aus Kalifornien

„Es stimmt nicht, dass Trump zum gewaltsamen Protest aufgerufen hat. Er hat seine Unterstützer gebeten, präsent zu sein und zu zeigen, dass wir zwar eine Demokratie sind, aber aktuell ein großer Teil der Bevölkerung politisch nicht repräsentiert wird.

Ich unterstütze keine Art von gewalttätigem Protest. Das habe ich nicht getan, wenn die Linken gewaltsam demonstriert haben, und ich unterstütze auch nicht die Leute, die am Mittwoch dabei waren. Ich glaube nicht, dass das die echten Konservativen oder Mitte-rechts-Wähler waren, die die Republikanische Partei eigentlich ausmachen, sondern eher Extremisten. Die Republikaner waren immer stolz darauf, dass sie gewaltlos sind und mit widrigen Situationen gut umzugehen wissen.

Ich finde es albern, dass Twitter Trump jetzt gesperrt hat, aber eine Menge andere Menschen, die viel schlimmere Aufrufe zur Gewalt gepostet haben, weiter dort aktiv sein dürfen. Klar, Twitter ist ein eigenständiges Unternehmen, aber wenn sie so was machen, dann sollten sie es auch konsequent in der Breite tun. Der Markt wird die entstandene Lücke aber sowieso schließen, so wie immer.

Dass nun über ein neues Amtsenthebungsverfahren diskutiert wird, verstehe ich nicht. Wieso warten sie nicht einfach, bis die Präsidentschaft regulär übergeben wird? In ein paar Tagen wird Biden Präsident sein – warum also jetzt so einen Prozess anstoßen und Zeit und Steuergelder darauf verschwenden? Dass Trump gesagt hat, dass er nicht zu Joe Bidens Amtseinführung kommen will, ist für mich schlechter Stil. Ich kann das persönlich zwar verstehen, weil ihm so viel Hass entgegenschlägt. Aber da könnte er schon etwas professioneller reagieren. Ich hoffe, dass es nur Gerede ist, und er am Ende doch teilnimmt. 

Wenn Trump wieder zur Wahl stünde, würde ich ihn jetzt glaube ich nicht noch einmal wählen – weil ich nicht glaube, dass er gewinnen würde. Die Linken haben alles dafür getan, ihn in Misskredit zu bringen und so unsere Partei zu spalten. Es braucht jetzt einen echten Konservativen, um unsere Partei zu einen und die Demokraten herauszufordern. Meine Hoffnung ist allerdings auch, dass die kommenden vier Jahre zeigen werden, dass Extreme unserem Land nichts nutzen und dass wir unser politisches System erneuern müssen.“

„Viele Amerikaner, rechts wie links, sind mit der Arbeit dieses Kongresses nicht zufrieden“

Tom, 25, kommt aus Wyoming und arbeitet in San José, Kalifornien, für einen Computer-Hersteller

„Ich war überrascht, wie leicht die Menschen ins Kapitol eindringen konnten. Ich dachte: Zumindest richten sich die Frustrationen gegen diejenigen, die für die Wut der Menschen verantwortlich sind – die Politiker. Das ist immerhin besser, als Geschäfte und Häuser in ihrer Nachbarschaft niederzubrennen. Das Kapitol ist ein Symbol unserer Republik. Es ist aber auch die Heimat unseres Kongresses und viele Amerikaner, rechts wie links, sind mit der Arbeit dieses Kongresses nicht zufrieden.

Ich habe im November Trump gewählt. Wenn morgen Wahlen wären, dann würde ich wieder für Trump stimmen. Dabei war es für einen Präsidenten unangemessen, ständig einfach irgendwas zu behaupten (Anm. d. Redaktion: bezüglich eines angeblichen Wahlbetrugs, für den es keine Belege oder Beweise gibt). Er hätte in Ruhe untersuchen lassen sollen, ob die Wahl gestohlen worden ist. Die Partei hätte auf größere Ermittlungen im Bezug auf potenziellen Betrug drängen sollen. Auch hier war Trump mit seinem Verhalten keine Hilfe. (Anm. der Redaktion: Die Stimmen in den Swing-States wurden auf Antrag Trumps mehrfach ausgezählt, die Ergebnisse der Wahl wurden bestätigt.) 

Manche Republikaner haben die Niederlage akzeptiert, andere nicht. Ich bin nicht von Trump enttäuscht, sondern vom republikanischen Establishment. Ich habe das Gefühl, dass sie ihren Wahlkreisen und ihren Werten den Rücken gekehrt haben. Trump steht noch zu seinen Wählern.“

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