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„Einigen ist die CDU vermutlich nicht radikal genug“

Fotos: privat; Collage: jetzt

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Vergangenen Sonntag fanden in Sachsen und Brandenburg die Landtagswahlen statt. Dabei stürzten die bisherigen Regierungsparteien ab, AfD und Grüne gewannen teilweise massiv dazu. Bei den jungen Wähler*innen zwischen 16 und 29 sind die Grünen und die AfD sogar die stärksten Parteien. Das sagt ziemlich viel darüber aus, wie gespalten die Einwohner*innen beider Bundesländer in der Frage sind, wie es nun mit ihrer Heimat weitergehen soll. Wir haben mit jungen Menschen aus Sachsen und Brandenburg gesprochen, warum sie welche Wahlentscheidung getroffen haben.

„Ich wollte eine Partei wählen, die die Macht hat, sich gegen die AfD durchzusetzen“

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Foto: privat

Sandy, 34, Physiotherapeutin aus Sachsen, hat die CDU gewählt.  

„In meinem Wahlkreis wurde vor allem die CDU gewählt. Auch ich habe der CDU meine Stimme gegeben, hauptsächlich aus taktischen Gründen. Ich wollte eine Partei wählen, die die Macht hat, sich gegen die AfD durchzusetzen und bei der meine Stimme wirklich etwas bewirkt. Bei der SPD hingegen hat man ja schon seit Jahren einen Abwärtstrend gesehen und die Grünen hätten nicht so viele Stimmen bekommen, um sich gegen die AfD zu behaupten.

Dass die AfD tatsächlich so viele Stimmen dazu gewonnen hat, ist schockierend – aber war natürlich zu erwarten. Das hat sich ja auch schon bei den Kommunalwahlen im Mai gezeigt. Ich denke, dass sich viele Menschen hierzulande für die AfD entschieden haben, weil die Politiker in Sachsen in den letzten Jahren oftmals am Volk vorbei gehandelt haben. Das ist, denke ich, der Grund, warum die Bürger hier so frustriert sind und warum sich viele nicht gehört fühlen.

Trotz den Ergebnissen bin ich zuversichtlich, dass man mit jeder Koalition ohne die AfD noch das Beste für unser Land herausholen kann. Wichtig ist aber vor allem, dass die Politiker jetzt aufwachen und erkennen, dass sie endlich etwas dagegen tun müssen, dass die AfD nicht die Oberhand gewinnt. Sonst könnten wir wieder in eine Situation kommen, in der wir schon einmal waren, und die für Deutschland damals in einer Katastrophe geendet hat.“

„Dadurch, dass die AfD trotzdem so einen großen Sprung gemacht hat, bin ich zufrieden“

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Foto: privat

Robin, 18, Maurer aus Sachsen, hat für die AfD gestimmt.

„Ich habe die AfD gewählt und ich hätte mir gewünscht, dass die Partei noch besser abschneidet. Mehr als 30 Prozent wären meiner Meinung nach in Sachsen möglich gewesen. Dann wäre die Partei noch mehr auf Augenhöhe mit der CDU. Aber dadurch, dass die AfD trotzdem so einen großen Sprung gemacht hat, bin ich zufrieden.

Das Wahlergebnis zeigt vor allem, dass die Parteien, die in den letzten Jahren regiert haben, nicht ihre Aufgabe erfüllt haben. Sie haben einfach nicht darauf gehört, was die Menschen in Sachsen möchten. Besonders was den Strukturwandel in der Oberlausitz oder allgemein in Sachsen angeht. Wenn man Wachstum in einer Gegend haben will, dann muss man auch was dafür tun. Nicht nur große Reden schwingen, sondern zum Beispiel Großprojekte nach Sachsen bringen und nicht nur in den Westen.

Ich würde dieses Scheitern nicht nur an einer Partei, wie zum Beispiel der CDU, festmachen. Alle anderen Parteien, die mitregiert haben, haben ebefalls ihren Beitrag dazu geleistet. Es wurde in den letzten Jahren viel zu wenig für den Osten gemacht und dadurch wurde der AfD der Rücken gestärkt, das sieht man jetzt an dem guten Ergebnis. Man kann aber natürlich noch nicht sagen, ob die Partei ihre Ziele durchsetzen kann.“

„Einigen ist die CDU vermutlich nicht radikal genug“

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Foto: privat

Isabell, 23, Studentin aus Brandenburg, hat ihre Stimme den Grünen gegeben.

„Ich habe die Grünen gewählt und natürlich gehofft, dass sie genügend Stimmen bekommen, um ein geeigneter Kandidat für eine Koalition im brandenburgischen Landtag zu sein. Als das Wahlergebnis feststand, habe ich mich erstmal darüber gefreut, dass die SPD weiterhin die stärkste Kraft ist und dass die Grünen im Vergleich zur Wahl vor fünf Jahren deutlich zugelegt haben. Dass die AfD so viele Stimmen bekommt, habe ich allerdings auch schon befürchtet.

Es überrascht mich, dass offenbar so viele Wähler den Ansichten der AfD zumindest insoweit zustimmen, dass sie diese anderen Parteien vorziehen – besonders, nachdem in den letzten Wochen vermehrt der rechte Flügel der Partei diskutiert wurde. Ich denke, dass viele Wähler mit ihrer Stimme für die AfD ein Zeichen setzen wollen, insbesondere nach der Flüchtlingskrise 2015. Das beschäftigt mich sehr – vor allem, wenn ich daran denke, dass sich vergangenen Sonntag der Beginn des zweiten Weltkriegs zum achtzigsten Mal gejährt hat.

Dass die CDU so viele Stimmen verloren hat, liegt denke ich daran, dass sie eine Traditionspartei ist, viele Wähler aber Veränderungen sehen wollen. Einigen ist die CDU vermutlich nicht radikal genug, andere denken zurück an die Krisen auf Bundesebene in den letzten Jahren. Auch der späte Braunkohleausstieg und die Umweltpolitik könnten eine Rolle spielen.“

„Wenn die AfD und die SPD die stärksten Parteien sind, sollten sie zusammenarbeiten“

Diese 23-jährige Studentin aus Brandenburg möchte anonym bleiben und nicht verraten, was sie gewählt hat. Ihr Name ist der Redaktion bekannt.

„Das Wahlergebnis überrascht mich nicht. Ich persönlich finde leider keine Partei, die meine Meinung vertritt, und wähle immer das kleinste Übel. Deswegen freue ich mich über keinen Erfolg oder Misserfolg einzelner Parteien. Mittlerweile denke ich sowieso, dass es nicht mehr wichtig ist, wer regiert. Vieles wird von der Wirtschaft oder von anderen Machtkonzernen vorgegeben. Wer dann an der Spitze steht, macht wahrscheinlich keinen Unterschied mehr.

Ich finde es schade, wie gespalten die Gesellschaft ist. Mir war bewusst, dass die AfD in keinem Fall regieren wird und dass die anderen Parteien sich stattdessen zusammenschließen werden. Nach einer demokratischen Wahl fände ich es aber fair, dass der Wählerwille umgesetzt wird. Sprich: Wenn die SPD und die AfD die stärksten Parteien sind, sollten sie zusammenarbeiten. So könnten Befürworter sowie Gegner der AfD sie mal in aktiver Position sehen und die SPD würde zeigen, dass der Wählerwille vor ihren eigenen Bedürfnissen steht.

Das Ergebnis der AfD kann ich teilweise nachvollziehen. Klar finde ich diesen starken Rechtsruck nicht gut, aber ich kann ihre Wähler ein Stück weit verstehen. Menschen finden Zugehörigkeit in dieser Partei. Sicher sind auch welche dabei, die sie aus Protest wählen und dadurch ihre Unzufriedenheit mit den ,alten’ Parteien ausdrücken. Aber viele Menschen sind insgeheim vielleicht doch rechts eingestellt und wollen die von der Gesellschaft als selbstverständlich gesehene Vielfalt nicht. Diese Einstellung war bis jetzt aber nicht gesellschaftsfähig. Durch das Wählen der AfD können sie ihre bisher unterdrückte Meinung jetzt zeigen.“

„Viele Wähler wissen nicht mehr, wofür die SPD eigentlich steht“

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Foto: privat

Johann, 27, Student in Sachsen, hat die SPD gewählt.

„Ich würde mich als sehr unentschlossenen Wähler bezeichnen, da ich mich bei jeder Wahl für eine andere Partei entscheide. Bei der diesjährigen Landtagswahl habe ich mich für die SPD entschieden, weil sie eine der etablierten Parteien ist und ich mich am meisten mit ihren Zielen identifizieren kann.

Obwohl ich den Abwärtstrend der SPD kenne, habe ich gehofft, dass sich mehr Wähler für die SPD entscheiden. Ich denke, die Verluste der SPD lassen sich vor allem dadurch erklären, dass die Partei seit Schröders Agenda im Jahr 2010 nicht mehr wirklich für die Arbeitnehmer steht und ihre Zielgruppe aus den Augen verloren haben. Das heißt, die Wähler sind eher zu extremeren Parteien, wie den Grünen, abgewandert, die ihren Standpunkten treu bleiben. Dagegen hat die Glaubwürdigkeit der SPD extrem gelitten. Für die Zukunft sollte die Partei konkretere Aussagen treffen und diese dann auch umsetzen. Viele Wähler wissen nicht mehr, wofür die SPD eigentlich steht.

Dass stattdessen eine Partei wie die AfD im Wahlkampf so viel Macht bekommen hat, finde ich katastrophal. Ich kann nachvollziehen, dass gerade in Sachsen viele Menschen aufgrund von hoher Arbeitslosigkeit, dem bevorstehenden Strukturwandel durch den Braunkohle-Ausstieg sowie durch die steigende soziale Ungerechtigkeit sehr verunsichert sind. Warum man aus Protest die AfD wählt, ist für mich unbegreiflich – das ist immerhin eine rechtspopulistische Partei. Obwohl die AfD mit ihrem Wahlprogramm verspricht, die Region zu stärken und Themen wie die Infrastruktur auf dem Land und die Netzabdeckung voranzubringen, kann die AfD nicht die Lösung sein.“

„Ich könnte mir gut vorstellen, dass Rezo bei jungen Wählern einen großen Einfluss hatte“

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Foto: Privat

Justus, 17, Schüler aus Brandenburg, hat die FDP gewählt.

„Ich habe die FDP gewählt, weil ich wirtschaftlich sehr interessiert bin und viele Punkte ihres Programms gut finde. Natürlich habe ich gehofft, dass sie die Fünf-Prozent-Hürde knackt und dass die Wählerschaft der AfD nicht weiter wächst. Befürchtet habe ich genau das Gegenteil, weil der Trend in Deutschland – vor allem in Ostdeutschland – schon länger nach rechts geht.

Trotzdem bin ich davon ausgegangen, dass die Grünen mehr Wähler bekommen und die CDU durch den Fridays-for-Future-Trend vielleicht sogar überholen. Dass die CDU Stimmen verliert, dachte ich mir – aber nicht, dass sie weniger kriegt als die SPD. Ich könnte mir gut vorstellen, dass Rezo bei jungen Wählern einen großen Einfluss hatte. Außerdem glaube ich, dass die CDU durch die Weiterführung der großen Koalition Stimmen verloren hat, weil sie schon in der letzten Legislaturperiode nicht viel erreichen konnte. Und auch, dass die Linke so wenig Stimmen bekommen hat, ist ein Zeichen für den allgemeinen Rechtsruck.

Ich glaube, die Wählerschaft der AfD besteht immer noch aus vielen Protestwählern. Hinzu kommt, dass viele Menschen auf ihre populistische Vorgehensweise reinfallen. Die glauben dann Aussagen wie ,Flüchtlinge kriegen immer mehr Geld und bei Deutschen herrscht Armut‘. Ich kann das nach wie vor nicht nachvollziehen. Da sind Menschen an der Spitze, die teilweise nicht mal an den Klimawandel glauben, obwohl er nachgewiesen ist. Das ist fast schon peinlich. “

„In meinem Freundes- und Bekanntenkreis sind einige Leute, die die AfD wählen“

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Foto: privat

Marcus, 34, Versicherungsvermittler aus Sachsen, hat die Linke gewählt.

„Ich habe mich für die Linke entschieden, weil die Partei besonders auf das soziale Miteinander eingeht. Was ich bei der Linken außerdem gut finde, ist, dass die Partei den Dingen immer auf den Grund geht. Denn meist sind es die Linken, die fragen, wie es zu einer bestimmten Situation gekommen ist und die der Bevölkerung auch die notwendigen Informationen vermitteln.

Obwohl die Linke es schon früher schwer hatte, sich gegen die großen Parteien zu behaupten, dachte ich, dass sich noch ein paar mehr Leute jetzt für diese Partei entscheiden würden. Dass die AfD die zweitstärkste Partei geworden ist, hat mich aber nicht wirklich überrascht. In meinem Freundes- und Bekanntenkreis sind einige Leute, die die AfD wählen. Manche von ihnen allein aus dem Grund, dass sie keine Ausländer in ihrem Land haben möchten. Meiner Meinung nach sind es auch oft die Nachrichten, die Ausländerfeindlichkeit und Ängste gegenüber Migration verstärken.

Auch problematisch finde ich, dass sich meiner Erfahrung nach nur wenige Leute mit dem Wahlprogramm der Parteien auseinandersetzen. Die Wähler gehen eher nach ihrem Gefühl und suchen sich dann eine Partei heraus, die ihrer Meinung nach zu ihrer Ansicht passt, ohne deren Inhalte wirklich zu prüfen.“

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