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Bisexuelle Menschen, seid ihr nicht eigentlich pansexuell?

Bi oder pan? Manchmal gar nicht so einfach.
Illustration: Daniela Rudolf-Lübke

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querfrage bi pan cover

Bi oder pan? Manchmal gar nicht so einfach.

Illustration: Daniela Rudolf-Lübke

Liebe bisexuelle Menschen, 

ich als Frau habe mich bislang immer als hetero bezeichnet – und erst neulich in einem Gespräch gemerkt, dass ich auch von mir sagen könnte, dass ich bi bin. Auch wenn ich noch nie in eine Frau verliebt war, bin ich mir sehr sicher, dass mir das leicht passieren könnte.

Was ich aber aus dem Bauch heraus nicht von mir sagen würde: dass ich pansexuell bin. Bisexuell bedeutet, dass sich zum Beispiel eine Frau romantisch und sexuell nicht nur zu Männern sondern auch zu Frauen hingezogen fühlt. Pansexuell dagegen, dass es für einen Menschen hinsichtlich romantischer oder sexueller Anziehung keine Unterschiede zwischen jeglichen Geschlechtern gibt. Der kleine, aber wichtige Unterschied: Pansexualität schließt explizit auch Menschen ein, die keine Männer und keine Frauen sind, sondern zum Beispiel nicht-binär oder intergeschlechtlich. 

Ist pansexuell als Begriff zu unbekannt?

Eigentlich wäre es doch sinnvoll, sich als bisexuelle Person direkt als pansexuell zu bezeichnen – oder? Denn in den wenigsten Fällen ist sofort ersichtlich, ob ein Mensch non-binär ist oder eben nicht. Viele non-binäre Personen werden von außen eher als männlich oder eher als weiblich wahrgenommen, ohne, dass das stimmt. Und zumindest ich würde niemals sagen: „Ah, du bist non-binär, achso, ich dachte, du wärst eine Frau. Na dann: ciao!“ Wenn man verknallt ist oder jemanden so heiß findet, dass man mit der Person schlafen will, ist Geschlecht dann nicht eh total egal? 

Wieso also ersetzen wir Bisexualität nicht einfach direkt durch Pansexualität? Liegt es daran, dass der Begriff „pansexuell“ einfach noch sehr unbekannt ist und viele Personen verwirren und auch abstoßen könnte? Oder daran, dass der Maßstab für die Selbstbezeichnung dann doch Tatsachen und nicht Was-wäre-wenn-Konstrukte sind? Dass sich Menschen also erst dann als pansexuell bezeichnen, wenn sie wirklich mal eine Beziehung mit einer non-binären Person hatten oder zumindest eine längere Affäre oder einen heftigen Crush? So, wie ich gerade noch eher von mir sage, dass ich hetero bin – eben weil ich bisher nur Beziehungen zu Männern hatte? 

Liebe bisexuelle Menschen, die sich schon sicherer in ihrer Bisexualität sind als ich, erzählt doch mal. Wie steht ihr zu der ganzen Sache? 

Eure (fast) Heteros 

PS: Wenn ich so drüber nachdenke, gibt es auch non-binäre Menschen, die ich ziemlich anziehend finde und die ich gerne daten würde. Vielleicht sollte ich den Begriff „pan“ doch mal vorsichtig testen. 

Die Antwort:

Liebe (fast) Heteros,

puh, mit dieser Frage legt ihr den Finger in die Wunde. Tatsächlich habe ich mich das auch schon oft gefragt. Eine wirklich klare Antwort habe ich für mich noch nicht gefunden. Da gibt es nämlich ein kleines Problem zwischen Theorie und Praxis. Ich versuche das hier mal aufzudröseln und merke an dieser Stelle schon mal an, dass ich natürlich nur für mich und nicht für all Bi- oder Pansexuellen sprechen kann:

Theoretisch trifft die pansexuelle Definition genau auf mich zu. Du hast nämlich Recht: Wenn man sich verliebt, ist das Geschlecht total egal. Eigentlich sogar schon beim Flirten. Wenn man sich körperlich näher kommt, vergesse ich das Geschlecht der anderen Person sowieso. Ich finde es absolut wichtig, sichtbar zu machen, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt und ich weiß, dass es problematisch ist, an einer binären Aufteilung – sei es nur in der Sprache – festzuhalten. 

Es wäre theoretisch also tatsächlich sinnvoll, sich direkt pansexuell zu nennen und das würde ich auch tun. Wären da nicht ein paar praktische Haken: Schon jetzt wird mir meine Bisexualität von Bekannten als Phase oder Großstadttrend ausgelegt. Ganz ehrlich: Diesen Menschen zu erklären, dass ich pansexuell bin, darauf habe ich einfach keine Lust. Ich führe im Alltag schon genug feministische Aufklärungsgespräche. Außerdem hat der Begriff pansexuell sogar für mich einen eher esoterischen Beigeschmack, der mir nicht gefällt. Es ist peinlich, aber ich habe tatsächlich ein bisschen die Befürchtung, potentielle Date-Kandidat*innen damit abzuschrecken. Dass Miley Cyrus und Cara Delevigne sich so nennen, macht es nicht besser, sondern den Begriff noch mehr zu einem hippen Accessoire für die ach-so-individuellen Cool-Kids, die von vielen vor allem belächelt werden. „Ihr seid nicht pansexuell, ihr seid lächerlich“, hat eine Kollegin vor einiger Zeit mal geschrieben – so wie sie denken viele Menschen, und das hat Auswirkungen. Dass das Unsinn ist, weiß ich, richtig davon lösen kann ich mich aber noch nicht.  

Der Druck, es beweisen zu müssen

Was mich aber viel mehr hemmt, mich pansexuell zu nennen, ist etwas anderes: das Gefühl, es auch beweisen zu müssen. Ich glaube, viele nicht-heterosexuelle Menschen kennen das. Ich hole kurz aus: Ich finde Frauen schon immer interessant, dachte aber lange, ich sei einfach nur experimentierfreudig. Erst als ich mich auch in Frauen verliebt habe und wusste, dass ich mehr will als nur Abenteuer, habe ich vorsichtig angefangen, mich bisexuell zu nennen. Tatsächlich komme ich mir bis heute dabei manchmal heuchlerisch vor. Denn ich hatte noch nie eine lesbische Beziehung. Ihr seht: Schon als bisexuelle Person fühle ich den Druck, mir und anderen beweisen zu müssen, dass ich nicht nur auf Männer stehe. Dieser Druck würde mit der Bezeichnung pansexuell noch steigen. Denn ich habe das Gefühl, den Begriff pansexuell erst für mich benutzen zu dürfen, wenn ich mal was mit einer non-binären Person hatte oder zumindest in eine verliebt war. Oder in deinen Worten: Der Maßstab sind (zumindest für mich) Tatsachen und nicht Was-wäre-wenn-Konstrukte. 

Für letzteres als Basis muss man ganz schön selbstsicher sein, nicht nur in Bezug auf die sexuellen Orientierung sondern auch auf die eigene Identität, die hängt schließlich immer mit dran. Ich würde mir auf jeden Fall unaufrichtig vorkommen, mich pansexuell zu nennen und damit eine Gruppe zu vertreten, zu der ich (noch) gar nicht gehöre. Wobei, wenn man’s fühlt … Ihr merkt: es ist verzwickt. Am schönsten fände ich es, wenn ich meine Sexualität gar nicht benennen müsste. Bis es soweit ist, bleibe ich eine etwas verunsicherte, offiziell bisexuelle, im Herzen aber wohl doch schon pansexuelle Frau. 

Eure (noch) bisexuellen Menschen 

P.S.: Sag Bescheid, wenn du deinen Testversuch startest! Da schließe ich mich gerne an. 

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