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Trans Menschen, wie findet ihr euren neuen Namen?

Illustration: Daniela Rudolf-Lübke

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Liebe trans* Menschen, 

Namen sind eine so eine Sache. Freund*innen von mir, die Kinder bekommen und deshalb auf Namenssuche sind, machen sich oft sehr, sehr viele Gedanken. Sie schreiben lange Listen. Werfen alle Ideen wieder um. Entscheiden sich neu. Einen Namen auszuwählen, fühlt sich für sie groß und wichtig an. 

Und es stimmt ja auch: Cis Menschen, also Menschen, die sich mit dem Geschlecht identifizieren, das ihnen bei ihrer Geburt zugewiesen wurde, leben ihr ganzes Leben lang mit dem Namen, der ihnen von ihren Eltern gegeben wurde. Auch, wenn sie vielleicht andere Namen schöner und passender für sich selbst fänden. Ich musste mich mit „Sophie“ auch ein bisschen anfreunden. Das darf man eigentlich niemandem erzählen, aber ich hatte mal eine kurze Phase, als ich vielleicht fünf Jahre alt war, in der ich sehr gern „Victoria Aurelia“ geheißen hätte. Kann ich heute nicht mehr nachvollziehen – und meine Eltern waren vernünftig genug, darüber nur zu lachen. Jetzt mag ich meinen Namen und fühle mich mit ihm wohl. 

Ich stelle mir vor, dass die Suche nach einem eigenen neuen Namen mindestens so lange dauert wie die nach dem Namen eines Kindes

Auch ihr trans* Menschen bekommt bei der Geburt einen Namen zugewiesen. Und vielleicht findet ihr den Namen an sich auch ganz schön. Nur merkt ihr ja dann irgendwann, dass dieser Name – falls er strikt dem männlichen oder weiblichen Geschlecht zugewiesen ist, was im Deutschen meist so ist – nicht zu eurem wirklichen Geschlecht passt. Ihr braucht also einen neuen Namen, der besser passt, und der euch nicht falsch gendert. Und das stelle ich mir gar nicht leicht vor. Denn wenn schon die Namenssuche für andere Menschen schwierig ist, wie ist das erst, wenn man sich selbst einen geben muss?

Wie macht ihr das also? Wächst so ein Name langsam in einem Menschen heran und dann wisst ihr irgendwann: Das ist er? Oder habt ihr diesen einen Namen seit der Kindheit im Kopf? Orientiert ihr euch an Vorbildern? Durchwälzt ihr Namenslisten im Internet? Ich stelle mir vor, dass die Suche nach einem eigenen neuen Namen mindestens so lange dauert wie die nach dem Namen eines Kindes. Oder hört ihr irgendwann mal einen bestimmten Namen und wisst dann: Das ist er, das bin ich? Oder ist das so individuell wie Menschen nun einmal sind? 

Erzählt doch mal. 

Eure cis Menschen

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Liebe cis Menschen,

Namen sind unglaublich wichtig. Der Name beeinflusst sehr, wie man wahrgenommen wird – deswegen ist es auch so eine große Entscheidung, den Namen zu ändern und einen Namen zu wählen. Denn auch, wenn man ihn natürlich wieder ändern könnte: Es fühlt sich wie eine Entscheidung fürs Leben an.

Mir fiel meine Namenssuche so gar nicht leicht. Ich wollte meinen Namen ursprünglich schon ändern, als ich Anfang 2018 nach Berlin gezogen bin. Dann hätten mich direkt alle unter einem anderen Namen kennengelernt und mein alter Name wäre zurückgeblieben. Im Endeffekt habe ich mich dann aber doch nicht getraut. Es verging fast ein ganzes Jahr, bis ich endlich meinen Namen änderte.

Ich wollte komplett hinter dem Namen stehen und von ihm überzeugt sein

Ich habe mich vor dieser Änderung lange gedrückt, obwohl schon viele Menschen in meinem Umfeld wussten, dass ich trans bin. Die größte Hürde war für mich definitiv, einen Namen zu finden, mit dem ich mich wohlfühle. Ich wollte mir zu 100 Prozent sicher sein, wenn ich ihn allen mitteilte. Es ging mir darum, nicht beim ersten vermeintlich negativen Kommentar ins Zweifeln zu kommen. Außerdem wollte ich verhindern, noch einmal allen mitteilen zu müssen, falls ich meinen Namen wieder ändern würde. Ich wollte komplett hinter dem Namen stehen und von ihm überzeugt sein.

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Unsere Autorin Anouk ist angehende Pädagogin und setzt sich in ihrer Freizeit für trans* Rechte ein. Auf Instagram (@Anouk11.2) informiert und bildet sie zu Missständen rund ums Thema trans*.

Foto: Privat

Ich ging tatsächlich so vor, dass ich einfach Namenslisten im Internet durchsuchte. Ich wollte einen geschlechtsneutralen Namen, der aber eher weiblich konnotiert ist. Das machte es mir etwas leichter, da diese Kriterien die Suche sehr einschränken und die Auswahl nicht so riesig ist, da die meisten geschlechtsneutralen Namen eher als männlich angesehen werden. Der Name, den ich ursprünglich für mich auswählte, bevor ich nach Berlin zog, war Ruby. Es gab später allerdings mehrere Gründe, aus denen ich den Namen nicht mehr mochte. Also fing ich wieder an, Listen zu durchstöbern und ließ mir dabei wirklich Zeit. Irgendwann hatte ich dann eine Liste an Namen, die ich ganz okay fand. Meine Favoriten waren Merle, Momo und Anouk.

Ich begann erst einmal, die Namen für mich auszuprobieren

Zu allen drei Namen hatte ich keinerlei Assoziationen. Ich kannte zu dem Zeitpunkt keine Momo, Merle oder Anouk. Das ist, denke ich, auch Eltern bei der Namenswahl wichtig. Denn wenn man schon eine Person kennt, die einen bestimmten Namen trägt und diese Person nicht allzu sympathisch ist, möchte man nicht sein Kind so nennen – und schon gar nicht sich selbst.

Ich begann also, die Namen auszuprobieren. Erstmal nur für mich und in meinem Kopf. Ich stellte mich vor einen Spiegel und probierte aus, wie es ist, sich mit dem Namen vorzustellen. Ich schrieb die jeweiligen Namen zusammen mit meinem Nachnamen auf und versuchte so herauszufinden, welcher dieser Namen zu mir passt. Irgendwann fing ich dann an, mit Freund*innen darüber zu reden. Dies tat ich aber auch nur mit wenigen, da ich nicht zu viele Meinungen dazu haben wollte, sondern wirklich auf mich selbst hören wollte. Später probierte ich den Namen Anouk mit meinen Freund*innen aus, dann testete ich ihn auch auf Twitter, wo mir damals noch kaum Leute folgten. Ich fühlte mich direkt unglaublich wohl mit dem Namen, aber es verging noch einige Zeit, bis ich ihn überall verwendete.

Die Namensfindung ist so individuell und viele haben da eine ganz andere Herangehensweise. Ich bin es ziemlich pragmatisch angegangen und mir war es sehr wichtig, keine Person zu kennen, die den Namen trägt und dadurch keine Assoziation dazu zu haben. Von anderen Personen habe ich schon gehört, dass sie Namen von fiktiven Personen nahmen, mit denen sie sich sehr identifizieren konnten, oder von einem Menschen, wie der sie sein wollten. Einige suchen sich einen Namen aus, der eine starke Bedeutung für sie hat, andere nehmen den erstbesten, mit dem sie sich wohl fühlen. Manche fragen ihre Eltern um Rat, andere teilen ihren Findungsprozess mit niemandem. 

Einigen Leuten mag die Suche sehr leicht fallen, andere ändern ihren Namen öfter, bis sie einen gefunden haben, mit dem sie sich wirklich wohl fühlen. Es ist auch vollkommen okay, den Namen wieder zu ändern, finde ich. Einem Namen wird in unserer Gesellschaft viel zu viel Wert zugeschrieben. Warum sollte man ihn nicht einfach wechseln, wenn er nicht mehr passt?

Meiner Meinung nach können auch cis Personen ihren Namen gerne ändern, wenn sie das Gefühl haben, dass dieser nicht zu ihrem Selbstbild passt. Leider ist es nicht so leicht, den Namen offiziell ändern zu lassen, gegen diese Hürden setzen sich aber momentan die Grünen im Bundestag ein. Sie haben ein Selbstbestimmungsgesetz vorgeschlagen, das es möglich machen soll, den Namen und Geschlechtseintrag selbstbestimmt ändern zu können. Komplett ohne Gutachten, Gerichtsverfahren und hohe Kosten.Momentan ist die Änderung des Namens vor dem Staat noch mit vielen Hürden verbunden und vor allem für nicht-binäre trans* Personen ist es quasi unmöglich, ihren Namen offiziell zu ändern, wenn sie sich nicht dafür verstellen wollen. Ich hoffe sehr, dass sich die Gesetzeslage in naher Zukunft verbessert, da jeder Mensch selbst entscheiden können sollte, wie er angesprochen werden will.

Aber auch wenn ihr euren Namen mögt und euch das alles nicht betrifft, könnt ihr, liebe cis Menschen, euch dafür einsetzen, dass sich die Situation für uns verbessert. Beispielsweise, indem ihr auf das Selbstbestimmungsgesetz aufmerksam macht.

Wir wären euch sehr dankbar.

Eure trans* Menschen

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