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„Auf die Worte des Papstes müssen jetzt Taten folgen“

Fotos: Privat / BDKJ-Bundesstelle/Christian Schnaubelt / Privat / Jesse Demmermuth

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Im neuen Dokumentarfilm „Francesco“ des russischen Regisseurs Jewgeni Afinejewski hat sich Papst Franziskus für rechtlich anerkannte Partnerschaften für gleichgeschlechtliche Paare ausgesprochen. Auch sie seien Kinder Gottes. „Was wir benötigen, ist ein Gesetz, das eine zivile Partnerschaft ermöglicht.“ Gleichgeschlechtliche Paare sollten „rechtlich abgesichert“ sein. Für progressive Katholik*innen bedeutet diese Äußerung des Papstes einen großen Schritt in die richtige Richtung. Vielen geht das aber nicht weit genug und sie fragen sich, warum der Papst zwar die zivilrechtliche Anerkennung fordert, aber gleichzeitig die kirchliche verwehrt? Wir haben mit vier Katholik*innen darüber gesprochen, was sie von Papst Franziskus' Aussage und dem Umgang der katholischen Kirche mit Homosexuellen halten.

„Ich wünsche mir von der Kirche, dass sie ihre Sexuallehre und ihr Geschlechterverständnis grundlegend reformiert“

protokolle papst homolebensgemeinschaft text max lucks

Foto: Jesse Demmermuth

Max Lucks ist 23 Jahre alt und studiert Sozialwissenschaften

„Alle schwulen Katholiken und lesbischen Katholikinnen, die ich kenne, haben auf irgendeine Art und Weise Diskriminierung und Ablehnung durch ihre Kirche erfahren. Und das meistens von oben: Der Klerus, also verschiedenste Kardinäle, Bischöfe, Pfarrer vertreten sehr homofeindliche Auffassungen. Da fühlt man sich eben nicht wertgeschätzt. Da bekommt man das Gefühl, dass man als Mensch, in der Art wie man lebt, nicht gesehen wird, nicht akzeptiert wird und niemals gleichberechtigt sein wird. Und das ist, glaube ich, etwas hoch Problematisches. Das hat bei mir selbst dazu geführt, dass ich mit der Kirche immer wieder mal gehadert habe. Die jetzige Aussage des Papstes ist für die innerkirchlichen Verhältnisse ein sehr großer Fortschritt. Wenn man sich die Lage anschaut mit den vielen reaktionären Kardinälen im Vatikan, wenn man sich die Situation in Polen anschaut, wo die Kirche ganz aktiv an der Drangsalierung von LGBT-Personen mitwirkt, dann ist es schon stark, dass sich der Papst traut, so etwas zu äußern.

Ich bin sehr katholisch erzogen worden und ich glaube, dass ich deshalb auch sehr freiheitlich und solidarisch erzogen worden bin. Dabei ist Freiheit und Solidarität für einige vielleicht das Gegenteil von katholischer Erziehung. Für mich hat das immer gut zusammengepasst. Was ich an der Kirche mag , insbesondere an der  katholischen Kirche, ist für mich nicht dieses Spießige, Reaktionäre. Ich finde, dass die katholische Kirche sich eigentlich durch einen vorsichtigen Hedonismus und ein sehr starkes Sozialfundament auszeichnet. Das hat mich immer wieder dazu bewegt da zu bleiben. Mir gefallen die Standpunkte der Kirche zum Beispiel in der Soziallehre und dieser Anspruch, etwas weltweit Umfassendes sein zu wollen.

Auf die Worte des Papstes müssen jetzt aber Taten folgen, sonst sind sie nichts wert. Ich glaube, der allererste und dringendste Schritt ist, dass der Papst der polnischen Bischofskonferenz jetzt eine Ansage macht. Und dann finde ich natürlich, dass die Kirche sich reformieren muss. Das gilt für den Bereich von Frauen und auch für den Bereich von LGBTQ-Personen, für die man ein Klima der Akzeptanz schaffen muss. Natürlich wünsche ich mir auch eine 'Ehe für alle' in der Kirche. Der Papst und die gesamte katholische Kirche sollten, statt an der Drangsalierung von LGBTQ-Personen mitzuwirken, sich schützend vor sie stellen. Ich wünsche mir von der Kirche, dass sie ihre Sexuallehre und ihr Geschlechterverständnis grundlegend reformiert. Der synodale Weg in Deutschland gibt da ja wenigstens ein ganz kleines bisschen Hoffnung.“

„Die kirchliche 'Ehe für alle' ist der einzige Weg, um die Diskriminierung zu beenden“

protokolle papst homolebensgemeinschaft text lukas faerber

Foto: Privat

Lukas Färber, 22, studiert Soziale Arbeit in Münster

„Seit drei Jahren bin ich mit meinem Freund zusammen. Aber ich glaube nicht, dass ich noch in diesem Leben kirchlich heiraten darf. Da helfen auch nicht Franziskus’ Worte, die kein deutliches Signal sind. Sie ändern nichts an der Diskriminierung von Homosexuellen in der katholischen Kirche.

Eine kirchliche Hochzeit hat eine andere Ernsthaftigkeit als eine eingetragene Partnerschaft. Man verspricht vor Gott, füreinander da zu sein. Es geht um Loyalität und Nächstenliebe. Es hebt eine Beziehung auf eine andere Ebene. Aber auch nach Papst Franziskus’ Aussage wird das nicht möglich sein. Zuerst habe ich mich gefreut, weil sich erstmals ein Papst so positiv zu den Rechten Homosexueller positioniert. Aber im nächsten Moment dachte ich mir: Ich weiß, wie die katholische Kirche funktioniert. Wirkliche Änderungen wird es wohl kaum geben. Und dann habe ich mich an Franziskus’ Worte von 2010 erinnert, als er noch nicht Papst war. Damals schrieb er an die Kloster von Buenos Aires: Die Homoehe sei ein ‚Angriff gegen Gottes Plan‘. Ja, für katholische Verhältnisse ist sind Franziskus’ Worte ein Schritt, den man anerkennen muss. Gleichzeitig ist es traurig, dass man sich schon darüber freuen muss.

Ich hoffe, dass es nicht bei der weltlichen Ebene bleibt, auf die sich Franziskus bezieht, und dass er auch für sein eigenes Gebiet, die Kirche, Entscheidungen trifft. Es braucht ein deutliches Signal, das zeigt: ‚Wir tolerieren homosexuelle Partnerschaften nicht nur, wir zeigen auch Wertschätzung.‘  Eine Segnungsfeier, wie sie derzeit von einigen deutschen Bischöfen angedacht wird, wäre ein solches Signal. Aber gesegnet werden dürfen auch Autos und Häuser. Eine Tatsache, die es nicht gerade besser klingen lässt. Die kirchliche 'Ehe für alle' ist der einzige Weg, um die Diskriminierung zu beenden und dem Sakrament die angemessene Wertschätzung entgegenzubringen.“

„Ich frage mich, warum zwei Menschen, die sich lieben, nicht gesegnet werden können?“

protokolle papst homolebensgemeinschaft text gregor podschun

Foto: BDKJ-Bundesstelle/Christian Schnaubelt

Gregor Podschun, 30, ist Bundesvorsitzender des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend. Er studierte Soziale Arbeit und Sozialmanagement.

„Es ist gut und richtig, dass der Papst sich für eine rechtliche Gleichstellung homosexueller Paare ausgesprochen hat. Und zwar nicht nur in Form einer eingetragenen Lebenspartnerschaft, sondern auch in Form der zivilen Ehe. Das ist das Eine. Zum anderen ist es aber seltsam, das von Staaten einzufordern und innerhalb der Kirche keine Änderung herbeizuführen. Damit legt er den Finger in die Wunde von Staaten, ohne in seiner eigenen Institution etwas zu verändern – und das ist falsch. Für homosexuelle Paare muss sich ja auch in der Anerkennung der kirchlichen Ehe etwas ändern. Es ist ein Widerspruch, einerseits die rechtliche Gleichstellung zu fordern und andererseits die kirchliche Anerkennung zu verweigern. Da wäre der erste Schritt mindestens eine Segnung von homosexuellen Paaren, aber das kann auch nur der erste Schritt sein. Die üblichen Argumente gegen die 'Ehe für alle' kann ich nicht nachvollziehen. Die Kirche argumentiert hier mit dem Naturrecht. Dabei wird völlig vergessen, dass es wissenschaftlich belegt ist, dass Homosexualität, aber auch Trans- und Intersexualität völlig normal sind. Es existieren auch Geschlechter jenseits des binären Geschlechtersystems – und das ist auch Teil der Schöpfung Gottes. Das ist kein Fehler. Gott macht in der Schöpfung keine Fehler.

Dann ist es noch so, dass auf die ausschließliche Zeugungsfähigkeit heterosexueller Paare verwiesen wird. Dabei ist Fruchtbarkeit mehr als Zeugungsfähigkeit. Fruchtbarkeit hat auch eine soziale Dimension. Das gilt auch für Paare, die zeugungsunfähig sind, oder Paare, die in einem gewissen Alter keine Kinder mehr bekommen können und so weiter. Die müssten nach dieser Logik auch enthaltsam leben. Da macht die Kirche aber Kompromisse. Das ist natürlich falsch. Und homosexuelle Paare können ja auch Kinder großziehen. Es gibt leider genügend Kinder, die keine eigenen Eltern haben und auf Paare angewiesen sind, die sie aufnehmen. Von daher ist dieses Argument nicht tragfähig. Und das letzte – und für mich allerwichtigste – Argument ist, dass es allein schon aus ethischen Gründen falsch ist. Ich kann nicht Menschen anderen Menschen gegenüber abwerten, nur weil sie eine andere Sexualität haben.   

Ich wünsche mir vom Papst und der Kirche eine vollkommene Anerkennung und Akzeptanz von homosexuellen Menschen. Homosexualität wird im Katechismus immer noch als Sünde bezeichnet und gilt als verwerflich. Das muss sich unbedingt ändern. Und dann braucht es mindestens die Segnung von homosexuellen Paaren. Die Kirche segnet unglaublich viele Dinge, auch Gegenstände. Da frage ich mich, warum zwei Menschen die sich lieben nicht gesegnet werden können.“

„Wir sprechen uns klar für die 'Ehe für alle' in der Kirche aus“

protokolle papst homolebensgemeinschaft text julia niedermayer

Foto: Privat

Julia Niedermayer, 29, ist hauptamtliche Bundesleiterin der Katholischen jungen Gemeinde. 

„Für viele Menschen ist die Ehe nicht mehr das erstrebenswerteste Lebens- oder Beziehungsmodell. Trotzdem halte ich die Ehe nicht für überholt. Ich glaube, dass es durchaus noch Menschen gibt, die mit der kirchlichen Ehe sehr viel anfangen können und dass auch junge Leute sich noch ganz bewusst für die kirchliche Ehe entscheiden. Vielleicht weil es eine Selbstverständlichkeit ist und sie damit groß geworden sind. Oder auch, weil es ein besonderer Ausdruck dafür ist, als Partner*innen zueinander zu stehen.

Es ist schade, dass der Papst sich nicht für die kirchliche Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Ehe ausgesprochen hat. Ehrlich gesagt überrascht mich das nicht. Ich bin froh und dankbar dafür, dass sich der Papst in seiner Funktion immerhin dazu bekannt hat, dass auch homosexuelle Menschen Kinder Gottes sind und das sie Rechtssicherheit verdient haben. Ich verstehe jedoch nicht, weshalb er sich für die zivile Ehe so stark macht, aber gleichzeitig ganz klar sagt: „In der Kirche machen wir das anders!“ Warum wird die gleichgeschlechtliche Ehe nicht auch in der Kirche anerkannt? Warum werden nicht die gleichen Gerechtigkeitsmaßstäbe auch in der Kirche angesetzt? In unserem Verband stellen wir das oft in Frage. Wir sprechen uns klar für die 'Ehe für alle' in der Kirche aus.

Ich kann die Argumente gegen die 'Ehe für alle' nicht nachvollziehen. Es gibt auch genügend gemischtgeschlechtliche Paare, denen es nicht vergönnt ist, Kinder zu bekommen. Sei es aus biologischen oder anderen Gründen. Ich kann nicht verstehen, weshalb da immer ein Unterschied gemacht wird. Es stimmt ja auch nur bedingt, dass homosexuelle Paare keinen Nachwuchs zeugen können. Inzwischen gibt es ja andere Mittel und Wege, auch für gleichgeschlechtliche Paare. Vielleicht ist es dann nicht das eigene biologische Kind, aber auch dafür gibt es Möglichkeiten. Die katholische Kirche ist noch sehr weit davon entfernt sich darüber Gedanken zu machen. Dennoch tun der Papst und die Kirche gut daran, Gerechtigkeit in der Welt zu fordern. Aber die eigenen Gerechtigkeitsmaßstäbe müssen auch für die eigene Institution gelten.“

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