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Warum Männer Dick Pics verschicken

Welche Art Mann verschickt eigentlich Dickpicks?
Foto: Jon Tyson / Unsplash / Bearbeitung: jetzt.de

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In grauen Vorzeiten, als die Menschen noch keine Smartphones besaßen, mussten sie sich im selben Raum befinden, damit ein Mann jemand anderem seinen Penis zeigen konnte. Heute, wo die Menschen Smartphones besitzen, geht das aber auch einfach über Chat. Das ist zwar einerseits sehr praktisch, für Paare zum Beispiel, die sich über die Entfernung gerne dennoch überall sehen wollen. Andererseits auch wieder nicht. Denn jetzt kann einem so ziemlich jeder Mann zu jeder Zeit sein Ding ins Gesicht halten, und er braucht nicht mal zu fragen.

Dieses Problem wurde zuletzt besonders öffentlichkeitswirksam thematisiert, als die Moderatoren Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf die Primetime auf dem TV-Sender ProSieben für eine kurze Sonder-Sendung nutzten. Sie waren dabei nicht selbst zu sehen, die Autorin Sophie Passmann führte gemeinsam mit anderen Frauen durch die Pseudo-Ausstellung „Männerwelten“, die über sexuelle Übergriffe aufklären sollte. Zu Beginn spazierte Moderatorin Palina Rojinski deshalb durch einen Raum, in dem die Wände behangen waren – mit gerahmten  Dick Pics, die ihr und ihren Freundinnen ungefragt zugeschickt worden sind.

Warum aber ist hier nur von Penissen die Rede und nicht von Vulven? Weil Männer eine größere Zeigefreudigkeit an den Tag legen als Frauen. Fast die Hälfte der britischen Frauen zwischen 18 und 36 Jahren haben schon mindestens ein Mal ein Dick Pic geschickt bekommen, so eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov aus dem Jahr 2018. Von diesen Frauen gaben 89 Prozent an, dass das mindestens ein Mal davon unaufgefordert geschah. Sie mussten also auf Genitalien blicken, die sie gar nicht sehen wollten. 

Umgekehrt gaben nur 30 Prozent der männlichen Umfrageteilnehmer an, je von einer Frau nach einem Penisbild gefragt worden zu sein, und 22 Prozent, überhaupt eins in ihrem Leben verschickt zu haben. Noch weniger, nämlich fünf Prozent, gaben zu, dass sie dies auch schon mal unaufgefordert getan hätten. 

Wie passt das zusammen, dass nur 22 Prozent der Männer Fotos von ihrem Penis verschicken, aber 46 Prozent der Frauen einen bekommen? Haben die Typen da nicht alle Hände voll zu tun? Und wie halten das schwule Männer, die sowieso nur selten zu ihren Gewohnheiten untereinander befragt werden?

Um derlei Fragen zu klären, wollte ich mit Männern sprechen, die von ihrer Penisbild-Praxis berichten sollten. Die Suche gestaltete sich schwer. Die wenigsten von denen, die ich ins Visier genommen hatte, waren – angeblich – je auf den Gedanken gekommen. Und wenn doch, hatten sie nur ihre langjährigen Freundinnen mit Bildern von sich beglückt – natürlich einvernehmlich. Aber schließlich fand ich sie: drei Männer, die bereits Dick Pics außerhalb vom sicheren Hafen einer festen Beziehung verschickt hatten und bereit waren, darüber zu reden; zwei Heteros, ein Schwuler. Und das haben sie erzählt:

„Ich bin nicht sicher, ob es ihr gefallen hat“

Paul, 21, Student (Name geändert)

„Bisher habe ich nur ein einziges Mal ein Foto von meinem Penis verschickt – und auch nur, weil ein Mädchen danach gefragt hat. Wir trafen uns schon eine Weile und hatten auch schon miteinander geschlafen, da saß ich eines Abends allein und horny zu Hause rum. Irgendwie hatte ich keine Lust auf Porno, sondern Lust auf sie, vor allem, weil wir uns eh schon gegenseitig mit Textnachrichten heiß machten. Ich weiß auch nicht, was mich in diesem Moment geritten hat –  denn so etwas habe ich vorher noch nie gemacht – aber irgendwann tippte ich ,Send nudes‘ in mein Handy und schickte ab.

Erst wollte sie nicht so recht, aber weil ich ziemlich rumgebettelt habe, schickte sie mir irgendwann ein Foto ihrer Brüste. Als ich mehr wollte, kam ihr Hintern. Und zum Schluss ihre Pussy. Ich fand das wahnsinnig heiß.

Am nächsten Tag dann wollte sie ein Penisbild von mir. Was mich echt überraschte, weil ich nicht so richtig verstehe, was man, optisch gesehen, an so einem Ding so spannend finden kann. Aber ich bin ja auch hetero. Jedenfalls war ich diesem Augenblick besonders froh, dass ich untenrum ganz gut gebaut bin, denn ich wollte was hermachen auf dem Foto. Also habe ich ihn hart gemacht und von oben fotografiert. Darauf schrieb sie mir zwar, das würde sie voll anmachen und sie wäre jetzt totaaaal feucht.

Aber wenn ich ehrlich bin, bin ich mir nicht ganz sicher, ob sie das wirklich fühlte oder ob sie das nur sagte, weil sie dachte, dass ich das von ihr erwarte. Also, dass er sie tierisch anmacht. Denn im Gegensatz zu mir hat sie nie wieder nach solchen Bildern gefragt.“

„Ich habe noch nie eine negative Reaktion bekommen“

Steve, 38, Erzieher

„Intime Bilder mit einer Frau hin- und herzuschicken gehört für mich zum Datingprozess dazu. Manchmal kann man sich halt nicht so schnell oder oft treffen, wie man es gern möchte. Oder man lernt sich online kennen und würde einfach gern einen Blick aufeinander werfen.

Ich bin auch auf Plattformen für Sex-Dates unterwegs, da ist eh schon klar, wo der Hase lang läuft. Wobei man auch auf vielen Profilen von Frauen lesen kann: ,Keine Dick Pics!‘ Was offensichtlich bedeutet, dass viele Typen ungefragt mit der Tür ins Haus fallen. Ich würde das nie machen.

Erstens finde ich, dass es eine ziemlich intime Geschichte ist, jemandem meinen Penis zu zeigen. Da brauche ich schon ein Mindestmaß an Vertrauen. Und zweitens würde ich niemanden überrumpeln wollen. Dafür braucht es doch einen passenden Kontext! Wenn eine Frau und ich uns gegenseitig mit Texten heiß machen, zum Beispiel. Wenn wir neugierig aufeinander sind, wenn wir Lust haben, die sich in diesem Augenblick aber nicht gemeinsam befriedigen lässt. Dann ist es ein probates Mittel, die eigene Erregung für den anderen festzuhalten.

Ob ich derjenige bin, der dann zuerst was schickt oder die Frau, kann ich gar nicht so genau sagen. Vermutlich ist es ausgeglichen. Ich habe auch nie direkt gefragt, ob ich ,darf‘, sondern das ergibt sich dann einfach so. Ich glaube, ich kann ganz gut einschätzen, wann das gut ankommt und wann nicht. Denn bisher habe ich noch nie eine negative Reaktion bekommen. Ganz im Gegenteil: Meine Bilder waren immer der Auftakt dafür, dass die Frau dann auch was von sich schickte.“

„Ich kenne beide Seiten“

Jan, 33, Dragqueen und Freelancer in der Fitnessbranche

„Dick Pics sind großartig – wenn sie gewollt sind! Als Schwuler bin ich sowohl Sender als auch Empfänger von solchen Bildern, und muss sagen, wie es ist: Unverlangte Dick Pics nerven. Ich bekomme ständig Penisse geschickt, die ich gar nicht sehen will. Einerseits über die sozialen Medien, in denen ich durch meinen Job als Dragqueen präsent bin. Viele Leute scheinen zu verdrängen, dass sie da einer Kunstfigur schreiben und denken, sie könnten was mit mir haben, wenn sie mir ihren Penis zeigen. So etwas Bescheuertes!

Andererseits bin ich als Privatperson viel auf Dating-Apps unterwegs, und da ist das auch Gang und Gäbe; vor allem bei Typen mit anonymisierten Profilen. Das heißt, ich hab noch nicht mal ihr Gesicht gesehen, aber weiß schon, wie die untenrum aussehen. Wenn ich dann hinterher ein Foto mit ihrem Gesicht bekomme, wird oft klar, warum die ihren Penis vorschicken. Aber: Das ist mir auch privat zu schnell und zu distanzlos. Deswegen reagiere ich auch auf jedes ungewollte Bild mit einer Nachricht, in der ich klarstelle, dass das absolut nicht geht. Das ist zwar ein bisschen pedantisch und viel Arbeit, aber ich denke dann immer: Wenn ich wenigstens einen dazu bringen kann, diesen Scheiß sein zu lassen, dann ist das schon gut. Wiederholungstäter werden von mir blockiert. 

Wenn sich das aber im Konsens entwickelt, dass man sich gegenseitig Bilder schickt, finde ich es super. Unter schwulen Männern ist das auch absolut normal. Gerade weil ich so viele Männer online kennenlerne und die Konversationen dann über Messenger-Dienste stattfinden, ist es einfach, irgendwann mit Fotos weiterzumachen. Dafür muss die Stimmung aber entsprechend erotisch aufgeladen und klar sein, dass der andere jetzt auch was sehen will. Dann darf sich das gerne steigern, zum Beispiel, indem man Bild für Bild mehr von sich zeigt. Dann ist das Dick Pic so etwas der krönende Abschluss.

Ich habe für solche Situationen ein extra Arsenal an Fotos von mir in vorteilhaften Posen – Ganzkörperbilder zum Beispiel, aber auch welche, wo nur mein Penis drauf ist. Spontan fotografiere ich mich nur selten, denn die schwule Datingwelt ist super oberflächlich. Da bist du schnell raus, wenn du kein gutes Material hast. Grundsätzlich gilt für mich: Was ich geliefert bekomme, liefere ich auch zurück. Wobei ich Bilder, die explizit nur den Penis zeigen, nicht annähernd so spannend finde, wie welche, wo noch mehr von dem Menschen zu sehen ist. Denn der Penis selbst ist für mein Interesse an jemandem absolut nicht ausschlaggebend. Andererseits fällt es mir leichter, nur meinen Penis zu verschicken, weil ich es viel intimer finde, wenn da zum Beispiel auch mein Gesicht drauf ist. Dann muss ich darauf vertrauen können, dass so ein Bild auch wirklich unter uns bleibt. Trotzdem ist das Ganze für mich ein Spiel, das nirgendwo hinführen muss. Also, nur, weil ich mich jemandem zeige oder dann sogar einen heißen Videochat mit ihm habe, heißt das nicht, dass das auf ein Date hinausläuft. Sich gegenseitig geil zu machen finde ich oft besser, als unverbindlichen Sex zu haben.“

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