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„Sowas kann bei uns doch nicht passieren, dachte ich!“

Andrea Barany kommt ursprünglich aus Karlsruhe und studiert im 5. Semester Psychologie im Master an der JLU.
Foto: privat

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Offiziell spricht die Justus-Liebig-Universität (JLU) in Gießen von einem „gravierenden IT-Sicherheitsvorfall“, die „Giessener Allgemeine“ schreibt, es gab einen Hackerangriff. In einer Videobotschaft nennt der Präsident der JLU die Situation einen „digitalen Notstand.“ Alle Server der Uni wurden am Montag, 9. Dezember, sicherheitshalber heruntergefahren.

Seit ungefähr einer Woche haben die Studierenden keinen Zugriff auf Emails, Noten oder Seminarunterlagen, die Website der Universität ist nur bedingt aufrufbar. Wie erleben die Studierenden den Ausnahmezustand? Andrea Barany, 34, ist Psychologie-Studentin im Master an der JLU und Referentin für Öffentlichkeitsarbeit beim Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA). Sie hat mit uns über die aktuelle Lage an ihrer Uni gesprochen.

jetzt: Was hast du gedacht, als du zum ersten Mal von dem Angriff gehört hast?

Andrea Barany: Krasse Scheiße! Ich konnte es kaum fassen. Für mich hatte das etwas Surreales. Sowas kann bei uns doch nicht passieren, dachte ich! Als ich das erste Mal davon gehört habe, saß ich in einer Referatssitzung. Internet hatten wir, ich wohne nämlich nicht im Studentenwohnheim. Aber unser VPN-Zugang ging nicht, beim Zugang zum Uninetzwerk ist die Verbindung gescheitert. Als dann an dem Montag klar wurde, welche Ausmaße das annimmt, haben wir uns gefragt: Wie sollen wir jetzt studieren?

Welche Probleme gibt es gerade durch den mutmaßlichen Cyber-Angriff an deiner Uni?

Die bessere Frage wäre wohl, wo gibt es gerade keine Probleme? An der JLU läuft fast alles über digitale Plattformen, deshalb betrifft das gerade das komplette Studium. Angefangen damit, dass ich keine Informationen dazu habe, ob meine Lehrveranstaltung überhaupt stattfindet, über die Frage, wie ich an die Materialien komme bis hin zu: Ich muss für meine Masterarbeit recherchieren, wie komme ich an Literatur?

Und wie schreibst du jetzt deine Masterarbeit?

Es gibt Gastzugänge an der Unibibliothek Marburg. Da müssen wir 30 Kilometer hinfahren und die abholen, um dort Literatur auszuleihen oder an E-Books zu kommen. Das werde ich die Tage machen.

Inwiefern spürt ihr die Situation beim AStA?

Es wenden sich gerade mehr Personen als sonst an uns, weil sie zum Beispiel nicht wissen, wie sie Literatur ausleihen sollen. Auch wir haben alternative Kommunikationswege finden müssen, weil ein Teil unserer Emailadressen nicht funktioniert.  

Und wie läuft das jetzt?

Persönlich oder telefonisch. Untereinander kommunizieren wir Studierende natürlich über soziale Netzwerke. Wenn es Änderungen zu einer Veranstaltung gibt, erfahren wir das durch einen Zettel an der Tür. Beim AStA müssen wir uns alles von privaten Rechnern zusammensuchen, weil wir keinen Zugriff auf die AStA-Server haben.

„Die Wohnheimbewohner bekommen vom Studierendenwerk eine Einmal-Zahlung von zehn Euro“

Finden denn gerade Prüfungen statt?

Ja, allerdings ganz oldschool: Da wir gerade keine digitale Möglichkeit haben, uns zu Prüfungen an- und abzumelden, gilt jetzt die Regel: Wenn wir auftauchen, sind wir angemeldet, wenn nicht, sind wir abgemeldet.

Wie empfindest du den Umgang der Uni mit dem Vorfall?

Natürlich könnte die Kommunikation schneller sein, aber unter den gegebenen Bedingungen sind wir schon damit zufrieden. Die Dozierenden bemühen sich sehr, um zum Beispiel die Vorlesungsfolien in den Bibliotheken zum Kopieren bereitzustellen. Und auf der Webseite der JLU findet man Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Mit welchen Erleichterungen kommt euch die Uni sonst noch entgegen?

Alle, die zum Beispiel gerade ihre Abschlussarbeiten schreiben, und bis zum 6.12. angefangen haben, dürfen vier Wochen länger schreiben. Alle, die in den Wohnheimen wohnen und deshalb kein Internet haben, bekommen vom Studierendenwerk eine Einmal-Zahlung von zehn Euro. Davon können sie sich zum Beispiel mehr Datenvolumen kaufen oder ins Internetcafé gehen.

Wie ist die Stimmung gerade an der JLU?

Wir sind nur alle etwas näher zusammengerückt, dadurch, dass wir jetzt viel persönlich kommunizieren müssen. Es gibt einige Gerüchte, aber über die schmunzele ich nur. Niemand weiß wirklich, was passiert ist. Es gibt Whatsapp- oder Telegramgruppen, die von Studierenden gegründet wurden und wo über den Cyber-Angriff geschrieben wird.

Hast du oder die Studierenden Angst um eure Daten?

Ich würde schon sagen, dass wir um unsere Daten fürchten. Es ist ja noch überhaupt nicht klar, um welche Daten es sich handelt. Es wird nach außen getragen, dass das aus ermittlungstaktischen Gründen nicht bekannt gegeben werden darf. Aber die Ungewissheit die da ist, ist natürlich trotzdem doof. Wir hoffen, dass nichts verlorengegangen ist, weil wir in unserer Uni-Dropbox noch einiges gespeichert haben. Wenn man sich vorstellt, die Prüfungsdaten wären weg – das wäre ja unfassbar. Persönlich habe ich große Hoffnung, dass solche Daten nicht weg sind.

Wie geht es jetzt weiter?

Diese Woche werden neue Passwörter für unsere Benutzerkennung verteilt. Ich habe meins heute Vormittag abgeholt. Vor Weihnachten soll dann noch eine E-Mail-Kommunikation wieder möglich sein. Aber das ist ja nur eines von ganz vielen Onlinesystemen, die betroffen sind.

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