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„Passt einem was nicht, dann wird die Polizei gerufen“

Sina und Marius beschäftigen sich privat und beruflich viel mit typischen Alman-Eigenschaften.
Foto: Julian-Mittelstädt

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Hinter dem Hype-Instagram-Account „alman_memes2.0“ stecken Sina Scherzant und Marius Notter. Die beiden betreiben ihn seit gut zwei Jahren und beschäftigen sich mit typisch deutschen Klischees. 608 000 Menschen folgen ihnen. Jetzt gibt es zum Account auch ein Buch: „Noch 3  Treuepunkte bis zum Pfannenset. Kleinstadtwahsinn mit den Ahlmanns“ erscheint am 23. März. Im Mittelpunkt des Buches steht Familie Ahlmann aus Hildenburg. Annette Ahlmann möchte Bürgermeisterin werden und wird von Achim, Annika und Andy dabei unterstützt. 

Wir haben mit Marius und Sina darüber gesprochen, was an einer Kleinstadt besonders nervig ist, ob ihr Instagram-Account auch politisch ist und darüber, welche Alman-Eigenschaften sie selbst haben. 

jetzt: Seit gut zwei Jahren betreibt ihr euren Instagram-Account „Alman-Memes 2.0“. Wieso gibt es jetzt ein Buch?

Sina: Wir haben sowieso immer Captions geschrieben, die viel zu lang für Instagram waren. Dann haben wir angefangen, den goldenen Alman-Achim an Leute zu verleihen, die völlig humorbefreit unter unseren Posts kommentiert haben. So ist Alman-Achim für unsere Memes, aber auch für unser Buch entstanden. Und um der A-Linie treu zu bleiben, haben wir dazu Anette, Andreas und Annika erfunden. Dann kam tatsächlich eine Literaturagentur auf uns zu. Wir wollten kein klassisches Klo-Buch voller lustiger Memes basteln, sondern eine richtige und zusammenhängende Geschichte aufschreiben, weil wir ja schon die Charaktere parat hatten.

Der Untertitel eures Buches „Nur noch drei Punkte bis zum Pfannenset“ lautet Kleinstadt-Wahnsinn mit den Ahlmanns. Welche Verbindung besteht zwischen dem Almantum und einer Kleinstadt?

Sina: Ich glaube, dass das, was du hier als „typisches Almantum“ bezeichnest, in einer spießbürgerlichen Kleinstadt viel stärker ist. In Großstädten wohnen viele Leute, die dem entkommen wollten, weil sie zum Beispiel die Engstirnigkeit in einer Kleinstadt nervt. In einer Kleinstadt hat man nicht so viel Austausch - also Austausch in dem Sinne, dass es nicht so wahnsinnig viel Zuzug gibt. Es bleibt oft alles so, wie es ist, und viele Menschen, die dort leben,  möchten das genau so.

Marius: Trotzdem arbeiten wir im Buch natürlich auch viel mit Zuspitzungen und verdichten die Klischees in dem ein oder anderen Charakter.

alman memes buch

Foto: Rowohlt Verlag

Wie wahrscheinlich ist es, dass es die Familie Ahlmann aus eurem Buch in vielfacher Form gibt? Also: Repräsentiert die Familie Ahlmann deutsche Familien?

Sina: Zum Glück wird Deutschland immer vielfältiger. Und wenn man sagt, dass bestimmte Eigenschaften typisch für eine deutsche Familie seien, bedeutet das auch, dass man damit wieder Leute ausschließt. Das wollen wir weder mit dem Account noch mit dem Buch ausdrücken. Und trotzdem glauben wir, dass es noch wahnsinnig viele Leute gibt, die genau so sind wie die Familie Ahlmann im Buch.

„Aber auch die jüngere Generation, die wir ja eher in unserem Alter verorten, steht Veränderungen häufig ablehnend gegenüber“

Wie ist sie denn?

Marius: Anettes Ehemann Achim ist zum Beispiel so jemand, der will, dass sich nichts ändert. Deswegen passen ihm ja auch ihre Pläne, Bürgermeisterin zu werden, ganz und gar nicht. Aber auch die jüngere Generation, die wir ja eher in unserem Alter verorten, steht Veränderungen häufig ablehnend gegenüber. Dass Anette jetzt durch ihre politischen Ambitionen so viel zu tun hat, findet Andi z.B. auch gar nicht gut. Wer soll denn jetzt bloß seine Wäsche waschen?

Einige der typisch deutschen Eigenarten, von denen ihr sprecht, nennt man in der Kulturwissenschaft „deutsche Kulturstandards“. Wie seid ihr diesen Kulturstandards gegenüber eingestellt und welche findet ihr besonders lästig?

Sina: Es gibt Verhaltensweisen, über die man sich aufregt, die aber nicht weiterhin schlimm sind. Wenn jemand mit Metallbesteck in die Teflonpfanne geht, das tut keinem weh.

Marius: Der Teflonpfanne schon.

Sina: Was ich nervig finde, ist dieses Beobachtende, das häufig in Nachbarschaftskontexten auftritt, dieses „Hm, was machen die jetzt?“. Dass die Leute misstrauisch und häufig feindselig gegenüber Neuem und Fremden eingestellt sind. Darüber hatten wir neulich auch ein Meme, in dem Anette sich darüber aufgeregt hat, dass jemand Neues in die Nachbarschaft gezogen ist.

Marius: Die Intention des Accounts ist und war, dass ein Großteil dieser Sachen uns granatenmäßig auf den Sack gehen. Dieses Änderungsresistente, also alles, wofür die CDU steht, aber auch eine gewisse Obrigkeitshörigkeit. Sonst wird selten etwas hinterfragt und alles mitgemacht, aber in einer Pandemie, wie sie wir jetzt erleben, sträuben sich auf einmal die Leute dagegen, eine Maske aufzusetzen.

Sina: Oder dass die Menschen nicht miteinander reden. Passt einem was nicht, dann wird die Polizei gerufen oder es wird ein Zettel ausgedruckt, in Klarsichtfolie gepackt und ins Treppenhaus gehängt, weil man eben die direkte Kommunikation umgehen möchte.

Ich sehe teilweise in euren Instagram-Storys Hinweise auf Spendenaktionen oder informative Posts über aktuelle Geschehnisse, die ihr weiterleitet. Möchtet ihr bewusst eure große Reichweite für Aktivismus nutzen?

Marius: Klar, das ist für uns selbstverständlich. Deutsche verhalten sich auch problematisch, sind zum Beispiel rassistisch. Das wollen wir thematisieren.

Sina: Mittlerweile ist das Feedback ganz gut, wenn wir uns mit unseren Posts politisch äußern. Aber anfangs haben wir dafür noch Kritik gehört, zum Beispiel: „Macht mal nur Memes und nicht nur Politik“. Doch das ist voneinander oft gar nicht zu trennen.

„Ich bin ein Broteschmierer. Und zwar richtig“

Welche Alman-Eigenschaften habt ihr selbst?

Marius: Ich denke einige.

Sina: Ein Beispiel: Wir sind beide Vegetarier und wenn man mit Leuten im Restaurant ist und am Ende soll die Rechnung durch vier geteilt werden, zucke ich innerlich zusammen, weil ich nur das Risotto für acht Euro und nicht das teure Steak mit Vorspeise hatte. Das ist bei mir leider stark ausgeprägt.

Marius: Oder man bestellt eine Pizza über eine App und bezahlt für alle. Wenn ich nach zwei Tagen keine Benachrichtigung auf Paypal kriege, dass ich das Geld zurückbekommen habe, dann regt mich das ein bisschen auf. Während ich „Kannst du mir bitte die vier Euro noch überweisen“ schreibe, denke ich mir innerlich „Nein, tu es nicht!“ und wenn ich dafür ausgelacht werde, ist das auch nur fair. Anderes Beispiel: Ich bin ein Broteschmierer. Und zwar richtig. Ich gehe super gerne wandern, aber ich gehe noch lieber wandern mit ganz vielen Broten und stehe manchmal eine halbe Stunde dafür in der Küche und schneide mir Karotten dazu. Dann erst kann ich losmarschieren.

Verstehen eure Eltern und Tanten eure Witze? Habt ihr ihnen überhaupt von eurem Meme-Account erzählt?

Sina: Ja, aber ich bin mir nicht sicher, ob sie die Memes richtig checken. Eine Followerin hat uns mal geschrieben, dass sie ihrer Mutter ein Meme und die dazugehörige Bildbeschreibung gezeigt hat, woraufhin die Mutter geantwortet hat: „Ja okay, aber das ist doch jetzt eine normale Geschichte. Was ist daran witzig?“ Wenn ich die Memes meiner Mutter zeige, ist sie die Verkörperung dieses Winnie-Pooh-Memes, wo er einen Zettel hält und irritiert schaut. Das Buch werden sie verstehen. Loriot und so finden sie ganz witzig.

Marius: Meine Eltern lieben Loriot. Und: Ich habe meinem 91-jährigen Opa ein Kapitel aus dem Buch vorgelesen und er hat es verstanden. Das fand ich schon krass.

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