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Weibliche Körperflüssigkeiten sind nicht eklig, sondern gesund

Unsere Autorin hat nichts gegen Zervixschleim in der Unterhose – seit sie weiß, wozu der alles gut ist.
Illustration: Daniela Rudolf-Lübke

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„Ist diese Menge Ausfluss normal bei Ihnen?” Diese Frage stellte mir einmal eine Ärztin, bei der gynäkologischen Vorsorgeuntersuchung. Ich fühlte mich augenblicklich überfordert, denn von der adäquaten Menge meiner Vaginalflüssigkeiten hatte ich keine Ahnung. Da ich keine Beschwerden wie Jucken oder schlechten Geruch bemerkt hatte, bejahte ich zögerlich die Normalität des Ganzen – was die Gynäkologin mir dann auch anhand eines unauffälligen Abstrichs bestätigte. Trotzdem blieb ich mit dem unguten Gefühl zurück, dass mein Ausfluss komisch oder eklig sein könnte. Warum genau ich mich schämte? Schwer zu sagen, doch Sprüche wie „Alle Muschis stinken nach Fisch“, die ich aus meiner Dorfjugend-Zeit kenne, haben sicher dazu beigetragen, dass ich meinem Intimbereich etwas skeptisch gegenüberstand.

Wenn ich heute über diese Themen schreibe, gibt es immer wieder Kommentare, dass Menstruationsblut und vaginale Flüssigkeiten doch gar kein Tabu seien – sondern „alle Ausscheidungsprodukte“ generell kein angenehmes Thema. Machen wir an der Stelle einen kleinen Test. Welche der folgenden Fragen hört man nie in einem öffentlichen, gemischt-geschlechtlichen Raum?  

  • „Hast du mal ein Taschentuch?“ 
  • „Hast du mal ein Pflaster / Verband?“ 
  • „Hast du mal einen Tampon / Binde / Slipeinlage?“

Bei der ersten Frage geht es oft um Erkrankungen, bei der zweiten um Verletzungen – die dritte bezieht sich auf völlig gesunde Körperfunktionen. Und bevor jetzt jemand sagt, dass auch Urin und Kot gesunde Funktionen sind: Richtig, aber deren Ausscheidung ist muskulär kontrollierbar und dauert nicht mehrere Tage lang. Außerdem fällt selbst die Frage nach Toilettenpapier den meisten viel leichter als die nach einem Menstruationsprodukt. Fakt ist: Weibliche Körperflüssigkeiten sind besonders tabuisiert. Wir lernen ja nicht einmal, welche es gibt – abgesehen von Basisinformationen zur Menstruation und dem heteronormativen und phallozentrischen Klassiker in Sexualkunde: „Die Scheide wird feucht, damit der Penis in sie eindringen kann.“

Wir haben nicht einfach „Ausfluss“, sondern eine Vielzahl an vaginalen Flüssigkeiten – sie wurden uns nur nie erklärt

Zervixschleim? Squirting? Wurden von Bravo und Biolehrer*innen in meiner Jugend nie erwähnt, im Gegensatz zu männlicher Ejakulation und „feuchten Träumen“. Das ist problematisch, denn nur, wenn wir wissen, was in unserem Intimbereich eigentlich so fließt, können wir einordnen, ob alles in Ordnung ist und herausfinden, wie wir uns am wohlsten fühlen. Holen wir das mal nach.

1. Zervixschleim

Zervixschleim wird in den Krypten der Zervix (Gebärmutterhals) gebildet. Er verändert sich in jedem natürlichen Zyklus nach einem wiederkehrenden Muster. Nach der Menstruation ist er oft einige Tage gar nicht zu sehen, schließlich tritt er dickflüssig, weißlich und in geringen Mengen auf. Nahe des Eisprungs wird er flüssiger, transparent und dehnbar und nimmt stark an Menge zu (heute ist meine Theorie übrigens, dass ich mich bei jenem Gyn-Termin nahe des Eisprungs befand, auch wenn ich es im Nachhinein nicht mehr sicher weiß). Nach dem Eisprung verdickt er sich wieder und ist eventuell gar nicht mehr am Scheideneingang zu beobachten.

Bereits in den 1960er Jahren identifizierten Ärzte mehrere Zervixschleim-Typen, die sich mikroskopisch unterscheiden. Alle davon werden simultan produziert und vermischen sich, doch je nach Zyklusphase variiert ihr jeweiliger prozentualer Anteil. Die fruchtbarste Schleimkategorie hilft Spermien auf ihrem Weg, nährt sie und gibt ihnen durch seine faserartige Struktur Orientierung. Ein weiterer, etwas zähflüssigerer Zervixschleimtyp filtert währenddessen minderwertige Spermien heraus. Und dann gibt es noch den Zervixschleim der unfruchtbaren Tage, der sehr engmaschig strukturiert ist und Spermien buchstäblich blockiert. Er sitzt meist wie eine Art Pfropf vor dem Muttermund und bietet auch einen gewissen Schutz vor Bakterien – was natürlich kein Kondom ersetzt.

Das Schleimmuster ist bei jeder Person ein bisschen anders, charakteristisch ist aber eine zyklische Entwicklung. Sie gibt uns einen Hinweis auf eine gesunde hormonelle Aktivität – in Kombination mit Temperaturmessung können wir damit sogar unseren Eisprung nach medizinischen Regeln bestätigen. Ganz trocken ist die Vagina natürlich nie: Neben Zervixschleim gibt es auch noch den sogenannten „vaginal cell slough“ (Zellschleim) aus abgestorbenen Hautzellen, eine Art Selbstreinigung der Vagina.

2. Erregungsschleim

Nicht mit Zervixschleim verwechseln sollte man den Erregungsschleim, der im Zusammenhang mit (körperlicher oder mentaler) sexueller Stimulation auftritt. Er ist durch seine transparentes und dehnbares Aussehen fruchtbarem Zervixschleim ähnlich, hat aber eine etwas dünnere Stuktur und wird nicht im Gebärmutterhals, sondern von Drüsen in den Scheidenwänden produziert. Extrem feucht oder wenig feucht zu werden, sagt nicht immer etwas über die tatsächlich empfundene Erregung aus, denn auch hormonelle Faktoren sowie die allgemeine Gesundheit, tägliche Wasseraufnahme und Veranlagung spielen bei der Produktion von Erregungsschleim eine Rolle.

3. Weibliche Ejakulation und Squirting

Darüber hinaus gibt es starke Flüssigkeitsausstöße bei sexueller Erregung, die zeitgleich oder zeitnah mit dem Orgasmus auftreten. Auch wenn die Zusammensetzung dieser Flüssigkeiten bis heute nicht vollständig erforscht ist, unterscheidet man zwischen Squirting und weiblicher Ejakulation. Squirting bezeichnet ein stoßweises Spritzen aus der Blase, bei dem eine Flüssigkeit herausspritzt, die verdünntem Urin ähnelt. Bei weiblichem Ejakulat handelt es sich um eine weißliche bis durchsichtige Flüssigkeit, die in den Skenedrüsen gebildet wird und meist eher fließt als spritzt.

Nicht alle Frauen erleben diese Phänomene, je nach Umfrage sind es aber immerhin zwischen 10 und 54 Prozent. Auch hier gilt: Zu ejakulieren ist genauso in Ordnung, wie es nicht zu tun. Es ist meist ein Zeichen höchsten Genusses – was allerdings nicht heißt, dass nicht-ejakulierende Frauen weniger Lust empfinden.

4. Menstruation

Die Menstruation ist eine Mischung aus Blut und Resten der Gebärmutterschleimhaut, von der wir pro Zyklus durchschnittlich 30 bis 80 Milliliter verlieren. Die unbefruchtete Eizelle wird, anders als oft behauptet, dabei nicht mit ausgeschieden, sondern schon im Eileiter vom Körper absorbiert. Unsere Periode ist übrigens ein Zeichen von Gesundheit: In einem natürlichen Zyklus (ohne hormonelle Verhütung) zeigt sie in den meisten Fällen an, dass es zu einem Eisprung kam – eine essentielle hormonelle Funktion des weiblichen Körpers. Eine mittlere bis eher starke Blutung deutet außerdem darauf hin, dass die Gebärmutterschleimhaut gut und kräftig aufgebaut war. Wenn es zu einer Befruchtung kommt, wird die Gebärmutterschleimhaut nicht abgestoßen, sondern beherbergt den entstehenden Embryo.

Bindenhersteller raten, sich von Ausfluss „nicht den Tag vermiesen zu lassen“ – geht’s noch?

Ausgerechnet für diese ziemlich faszinierenden, mindestens aber gesunden Funktionen sollen wir uns schämen? Wenn es nach Herstellern von Hygieneartikeln geht, lautet die Antwort wohl: Ja. So heißt es auf der Website eines bekannten Bindenherstellers in Bezug auf Zervixschleim und Erregungsschleim (die natürlich nicht als solche benannt, sondern mal wieder undifferenziert als „Ausfluss“ zusammengeworfen werden) zwar zunächst: „Keine Sorge. Das ist völlig normal!“, um dann hinterherzuschieben: „Generell kann man starken Ausfluss nicht verhindern – du kannst allerdings dafür sorgen, dass du dich wohl und frisch fühlst. Warum solltest du zulassen, dass so etwas wie verstärkter Ausfluss dir den Tag vermiest?” Verhindern soll man diese Gefahr, ihr ahnt es, mit einer Slipeinlage.

Doch das einzige, was hier das Potenzial hat, mir den Tag zu vermiesen, sind solche perfiden Marketingstrategien. Über meinen Zervixschleim freue ich mich inzwischen genauso wie über andere Körperflüssigkeiten, die für meine Gesundheit oder meinen Genuss stehen. Da ich sie gut kenne und differenzieren kann, fällt es mir leicht, zu merken, wenn es doch einmal zu krankhaft verändertem Ausfluss kommt – und könnte das einer Ärztin auch klar benennen. Was ich mir dank meines Körperwissens hingegen sparen kann: Slipeinlagen und Schamgefühle. Stattdessen tanze ich lieber zu WAP.

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