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Horror-Date: Die betrunkene Übergriffige

In dieser Folge geht es um Grenzen, die nicht eingehalten werden.
Illustration: Daniela Rudolf-Lübke

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Manche Dates sind schlimmer als andere, in dieser Serie erzählen wir davon. Diesmal ist es a b‘soffene G’schicht. Denn eine der beiden Verliebten hat schon vor dem Treffen zu tief ins Glas geschaut und verliert jegliches Gefühl für Grenzen.

Dating-Situation:  Zwei Girls, eine von ihnen betrunken, im chinesisch-japanischen Restaurant

Geschlecht, Alter:  weiblich, Anfang 20

Vibe des Dates: Drunk in Love, aber ohne Liebe oder Grenzen

Horrorstufe: 5 von 10

Wie flirtet man richtig, wenn man betrunken ist? Am besten gar nicht. Das wurde mir bei meinem Date mit Ayla, die eigentlich anders heißt, erst so richtig klar, als sie ihre Hand ungefragt tief in meinem Afro vergrub. Doch von vorne: Virtuell hatten mein Bumble-Date Ayla und ich uns super verstanden, auch optisch war sie eine zehn von zehn.

Wir trafen uns an einem späten Nachmittag. Es war Frühling, das Wetter angenehm. Eigentlich wollten wir uns direkt in einem chinesisch-japanischen Restaurant sehen. Um mich beim ersten Date nicht zu blamieren, wollte ich zur Sicherheit vorab Bargeld abheben. Doch meine Sorge, unangenehm aufzufallen, blieb unbegründet. Denn auf dem Weg zum Bankautomaten torkelte mir eine junge Frau entgegen, die ich ungläubig als Ayla erkannte. Sie stolperte zum Geldautomaten und lachte beschwipst: „Sorrrry, ich bin betrunken!“

„Komisch“, dachte ich, und schämte mich ein bisschen fremd. Doch ich brachte mich dazu, zu lachen. Obwohl mein Date anscheinend eine Menge Alkohol getrunken hatte, roch sie kein bisschen danach. Dennoch wirkte Ayla aufgedreht und ihre Bewegungen waren hektisch. Dafür, dass wir uns noch gar nicht kannten, kam sie mir körperlich auch etwas zu nahe. Für meine Privatsphäre hatte sie offenbar kein Gespür. Außerdem bin ich einfach kein Fan davon als „Paar“ öffentlich Zuneigung zu zeigen. Ich konnte schwer einschätzen, ob der ständige Versuch meine Hand zu halten Teil ihres vermeintlich liebevollen Charakters oder der Alkohol war. Es war also ein suboptimaler Start in unsere Kennenlernphase. Vielleicht hatte mein Date ja eine gute Begründung?

Leider nicht. Ayla erklärte mir direkt: “Mein Bruder hat vorgeschlagen, dass wir Rotwein trinken. Einfach so. Er ist 17.” Mir gefiel ihre Ausrede nicht. Wäre sie davor zumindest auf einer Office Party gewesen oder hätte mit Freund:innen auf ihre neue Wohnung angestoßen. Aber nein - mein Date, eine 23-jährige Frau, hatte sich von ihrem minderjährigen Bruder zum Day-Drinking überreden lassen. Die erste Red Flag, die ich gekonnt ignorierte.

Im Lokal angekommen, bestellte ich einen Drink, um alkohol-technisch auf ihr Level zu kommen. Für mich blieb es bei nur einem Getränk. Das war ein Fehler. Denn Ayla kaufte das stärkste alkoholische Getränk, das auf der Karte zu finden war.

Wenig verwunderlich war dann auch der Verlauf des Dates. Ayla war unentspannt. Ihre Geschichten hatten keinen Anfang und mehrere Enden. Ich kannte mich in ihnen nicht aus und sie sich offensichtlich auch nicht. Ich sagte wenig und hörte ihr unaufmerksam zu. Vielleicht war Ayla ja nervös gewesen, doch mein Interesse nahm mit jedem Wort, das sie sprach, ab. Doch der Höhepunkt des Dates war damit noch nicht erreicht.

Ihre ständigen Annäherungsversuche hatten wenig mit Zärtlichkeit zu tun

Plötzlich beugte sich Ayla über den Tisch. Sie streckte ihre Hand nach meinem Kopf aus und fasste mir in die Haare. In meinen Afro! Jede:r sollte wissen: Schwarzen Menschen sollte man ungefragt nicht in die Haare fassen. Und am besten auch nicht danach fragen. Ayla führte mir wieder vor Augen, dass Schwarze Menschen von vielen als Fremdkörper angesehen werden, dessen „Mysterium es zu erforschen gilt“. Schwarzen Männern und Frauen wird einfach überdurchschnittlich oft auf den Kopf gegriffen. Es ist ein unglaublich erniedrigendes Gefühl. Da habe ich gemerkt, dass ihre ständigen Annäherungsversuche wenig mit Zärtlichkeit zu tun hatten. Es war ein Eingriff in meine Privatsphäre. Ayla war übergriffig und respektierte mich nicht.

Ich war wahnsinnig wütend. Doch da der Alkoholpegel meines Dates vermutlich bei 1 Promille lag, ignorierte ich auch diese Red Flag. Gemeinsam verließen wir das Restaurant.

Wir gingen eine Weile spazieren. Ayla torkelte überraschenderweise nicht mehr und nicht weniger als zu Beginn des gescheiterten Treffens. Schließlich begleitete mich mein Date zur Bahn. Da wir sehr nah nebeneinander standen, nutze Ayla gleich noch einmal ihre Chance und griff mir voll in die Haare. “Wie wäschst du die eigentlich”, fragte sie mich. Ein absolutes No-Go! Ich machte sie darauf aufmerksam, dass ich mich auch nicht danach erkundige, wie ihre Haarpflege aussieht. Sie solle das bitte lassen. Zum ersten Mal wurde Ayla beinahe sprachlos. Sie erklärte, dass sie keine bösen Absichten hatte. Spätestens jetzt muss auch sie gemerkt haben, dass dies kein gelungenes Date war. Ohne mich zu verabschieden, stieg ich in die Bahn ein. Ayla und ich waren einfach kein Match.

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