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„Einem Mann ein Kind unterzujubeln, hätte ich nie gewollt“

Illustration: jetzt

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Vater + Mutter = Kind – das war einmal. Heute ist die Frage nach der Familienplanung hochpolitisch. Will man überhaupt welche? Was bedeutet das für die Beziehung? Und wenn man sich dafür entscheidet – geht das dann so einfach? In dieser Kolumne erzählen Menschen von ihrer Entscheidung für und gegen Kinder. 

Hanna, 38, hat einen fast dreijährigen Sohn von einem dänischen Samenspender. Ihr Sohn kann ihn kennenlernen, sobald er 18 Jahre alt ist. Sie hat sich bewusst dafür entschieden, alleinerziehend zu sein:  

„Bei der Voruntersuchung in einer Kinderwunschklinik sagte die Ärztin zu mir: ‚Ach, warten Sie doch noch ein bisschen. Sie finden bestimmt noch einen Partner.‘ Das fand ich wahnsinnig übergriffig. An ungefragte Meinungen zum Thema muss man sich als Single-Frau, die meinen Weg gewählt hat, aber gewöhnen. Ich habe mich mit 34 für eine künstliche Befruchtung entschieden, ganz alleine, ohne Mann. Vor mehr als drei Jahren hat es dann geklappt – beim zweiten Versuch in einer deutschen Kinderwunschklinik. 

Bevor ich schwanger wurde, ging meine langjährige Beziehung im Urlaub in die Brüche, weil mein Freund keine Kinder wollte. Als mein Flieger auf dem Rückflug in Turbulenzen geriet, war das einzige, was ich denken konnte: ‚Ich will noch nicht sterben, ich will noch Mama werden!‘ Da wusste ich, dass ich aktiv werden muss. Co-Parenting kam nicht in Frage, da dafür doch sehr viel gut passen muss, auch logistisch und mit neuen Partnern kann es schwierig werden. Einem Mann ein Kind unterzujubeln, hätte ich nie gewollt. Auch auf einen neuen Partner zu warten, fand ich weder dem Mann noch dem künftigen Kind gegenüber fair. Ich hätte keinen neuen Freund gesucht, sondern einen Vater für mein Kind.

Um herauszufinden, ob meine Entscheidung richtig ist, habe ich eine Therapie angefangen

Bei vielen hält sich der Irrglaube, dass künstliche Befruchtung für alleinstehende Frauen in Deutschland illegal sei. Das ist falsch, es bieten nur viele Kliniken nicht an. Man will so vielleicht vermeiden, dass Frauen Kliniken auf Unterhalt verklagen oder dass das Kind, wenn der Mutter etwas passiert, keinen zweiten Versorger hat. Ich finde es genauso okay, statt eines biologischen Vater einen anderen nahestehenden Menschen dafür auszusuchen.

Um herauszufinden, ob meine Entscheidung für ein Kind richtig ist, habe ich trotzdem vorher eine Therapie angefangen. Ich wollte nicht aus Trotz oder Verzweiflung heraus handeln und ein Kind in die Welt setzen, wenn die Grundvoraussetzungen nicht stimmen. Irgendwann sagte mein Therapeut: ‚Sie haben einfach einen Kinderwunsch, dafür müssen Sie sich nicht rechtfertigen.‘ Da habe ich verstanden, dass er Recht hat.

Mein Umfeld hat positiv reagiert. Auch wenn sich Eltern wahrscheinlich nicht wünschen, dass ihre Tochter ihnen eröffnet, dass das mit dem Schwiegersohn nichts wird und sie jetzt allein ein Kind bekommt, haben meine Mutter und mein Vater mich dabei voll unterstützt. Das hat mich wahnsinnig erleichtert. Gerade in ihrer Generation ist ein klassisches Familienmodell ja noch die Norm. Sie haben sich sicher auch Sorgen gemacht, ob und wie ich das alleine hinbekomme. Deswegen habe ich die Entscheidung zuerst mit meiner Schwester besprochen, die sofort sagte: ‚Das ist das Richtige für dich.‘ Ich war schon immer eher Einzelgängerin, komme gut allein zurecht. Daran gezweifelt, ob ich es alleine schaffen kann, habe ich nie. Auch, weil ich von Anfang an wusste, dass mindestens ein Mensch – meine Schwester – voll und ganz hinter mir steht. Diesen Support zu haben, ist Gold wert.

Jeder Kinderwunsch ist doch egoistisch

Die meiste Kritik kommt interessanterweise von Männern. Manche sagen sowas wie: ‚Wozu braucht ihr uns dann überhaupt noch?‘ Sie haben wohl Angst, dass sie abgeschafft werden. Dabei ist es so, dass der Anspruch an einen späteren Partner ein ganz anderer ist, weil ich jetzt keinen Vater mehr für mein Kind suche, sondern nur noch einen Partner für mich. Den Gedanken, dass es unbedingt einen präsenten Vater geben muss, finde ich tatsächlich nicht mehr zeitgemäß. Viele Kinder haben biologische Väter, die abwesend sind oder sich kaum um ihre eigenen Kinder kümmern und wachsen trotzdem zu tollen Menschen heran. Den Vorwurf, dass mein Weg egoistisch sei, kann ich auch nicht verstehen. Egoistisch ist letztendlich doch jeder Kinderwunsch.

Mit meiner Entscheidung bin ich sehr glücklich. Ich habe mir ein enges Netzwerk aus Freund*innen, anderen Müttern und Familie aufgebaut. Kolleg*innen haben in der ersten Zeit für mich eingekauft, ich habe viele Kleider und Kindersachen geschenkt bekommen. Am wichtigsten ist für mich aber der Austausch mit anderen. Meine Schwester war bei der Geburt dabei, meine Mutter blieb danach bei mir, hat mich bekocht und versorgt. Als ich aus dem Krankenhaus nach Hause kam, blitzte und funkelte die Wohnung. Es war eine total schöne Zeit.

Meine Hebamme, die noch 10 Tage zu mir kommen sollte, habe ich direkt am zweiten Tag abbestellt. Schon im Krankenhaus kamen so Sätze wie: ‚Na, zeigen Sie doch mal, wie Sie stillen.‘ Mich hat das total unter Druck gesetzt. Ohne Hilfe war ich entspannter und konnte mich einfach auf meinen Instinkt verlassen. Als ich den Babyblues hatte und vor meiner Mutter weinen musste, hat sie mich bestärkt und gesagt, dass das ganz normal ist.

Mir haben schon Frauen gesagt, dass sie mit ihren Männern mehr Arbeit haben

Klar gibt es Momente, in denen ich fertig bin. Aber Kinderkriegen ist in einer Partnerschaft nicht unbedingt leichter. Wenn ich sehe, wie manche Paare sich zoffen, denke ich manchmal, dass es bei mir entspannter läuft. Mir haben schon Frauen gesagt, dass sie mit ihren Männern mehr Arbeit haben – sie haben zwei Kinder zuhause und der Mann ist das dritte. Das stimmt natürlich nur in manchen Fällen.

Trotzdem würde ich mir ab und zu wünschen, Momente mit jemandem zu teilen, zum Beispiel, wenn mein Sohn etwas besonders Lustiges sagt, etwas Neues lernt oder auch, wenn ich mal genervt oder frustriert bin. Aber da hilft es mir, mit meinen nächsten Menschen zu sprechen. Manchmal erzählen sie mir dann umgekehrt Geschichten von meinem Sohn, was total schön ist und mir zeigt: um Entwicklungsschritte und Erlebnisse zu teilen, muss ich keinen Partner haben, der sich mit mir freut. Wenn mein Sohn krank ist, bleibe ich zuhause und verpasse manchmal berufliche Termine. Ein schlechtes Gewissen habe ich dann schon – aber ich habe mir diesen Weg  ja ausgesucht.

Dann nach Hilfe zu fragen, fällt mir manchmal noch schwer. Hilfsangebote annehmen kann ich aber inzwischen besser als noch am Anfang. Meine Mutter sagte mir ziemlich früh: ‚Irgendwann wird der Moment kommen, in dem dich dein Kind in den Wahnsinn treibt. Dann nimm dir ein paar Minuten für dich und geh’ kurz raus.‘ Das war mit einer der besten Ratschläge, die ich bekommen habe. Nur wenn man für sich selbst sorgt, kann man gut für sein Kind sorgen.

Das ist ein Balanceakt, aber mit der Zeit wird man besser darin. In der Regel kommuniziere ich Gefühle offen vor meinem Sohn, sage ihm auch, wenn ich müde, traurig oder gestresst bin. Er reagiert darauf sehr gut und kann seine eigenen Gefühle ebenfalls besser verstehen, weil ich mich vor ihm nicht verstelle. Ehrlichkeit ist mir auch in Bezug auf seine Entstehungsgeschichte wichtig. Wenn er eines Tages mehr darüber wissen möchte und darüber, wer sein Vater ist, möchte ich das genauso offen beantworten.

Ich muss alle Kosten alleine tragen

Es wäre schön, bundesweit zum Kindergeld noch etwas mehr finanzielle Unterstützung, wie in Bayern zum Beispiel das bayerische Familiengeld, zu erhalten, die speziell für das Kind gedacht ist. Dass man die künstliche Befruchtung und medizinisch notwendige Behandlungen bei Fruchtbarkeitsproblemen als verheiratetes Paar größtenteils von der Krankenkasse bezahlt bekommt, als Single aber komplett alleine finanzieren muss, finde ich ungerecht.  Für eine Insemination inklusive aller Zusatzkosten können schon mal ein paar Tausend Euro zusammenkommen. Geld, das man erstmal haben muss.

Die meisten meiner Single-Freundinnen mit Kinderwunsch fühlen sich diskriminiert. Es gibt noch diese Vorstellung in vielen Köpfen, dass die Frau auf ihren Traumprinzen warten muss und nur dann ans Kinderkriegen denken darf. Das ist für mich und viele meiner Freundinnen aber keine Realität. Mit Kinderwunsch wird die Partnersuche spätestens ab Mitte 30 zum Krampf, weil das Thema eben immer mitschwingt: Man rechnet, wann man loslegen müsste, klopft den anderen auf Vaterqualitäten ab. Dass mein Kind auch männliche Vorbilder im Umfeld hat, ist mir trotzdem wichtig, aber es muss ja nicht der eine Papa sein. Statt einem einzigen Mann hat mein Kind jetzt eben viele Bezugspersonen, die es zu einem noch sympathischeren kleinen Menschen machen.“

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