Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Diese Bücher junger Autor*innen empfehlen wir

Gute Bücher junger Autor*innen sind derzeit besonders empfehlenswert.
Foto: Addictive Stock / photocase

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Netflix ist nach einem knappen Jahr Corona-Pandemie wirklich langsam durchgespielt? Wir empfehlen: Kauft Bücher junger Autor*innen und verbringt die Zeit auf dem Sofa, im Bett oder auf der Parkbank sitzend öfter mal mit einem guten Buch. Extra-Tipp: Sich gegenseitig etwas vorlesen – nebeneinander liegend oder via Skype, ist sowieso wunderschön und wird viel zu selten gemacht. 

Hier kommen Literaturempfehlungen aus der jetzt-Redaktion:

Édouard Louis: „Das Ende von Eddy“

Édouard Louis ist der Shootingstar der französischen Literaturszene. Mittlerweile hat der 28-Jährige drei Bücher veröffentlicht, „Das Ende von Eddy“ ist sein Debütroman. Er beschreibt darin, wie es ist, als Homosexueller in der französischen Provinz aufzuwachsen, zwischen Männern, die sich vor allem über Gewalt und Alkoholkonsum definieren. „Das Ende von Eddy“ ist autobiographisch, brutal, ehrlich und oft schockierend. Es erzählt von Missbrauch und Gewalt und davon, wie man all das überlebt. 

Yaa Gyasi: „Heimkehren“

Effia und Esi sind Schwestern, die sich nie begegnen werden. Im Ghana des 18. Jahrhunderts werden sie durch den transatlantischen Sklavenhandel gewaltsam getrennt. Während Effia einen englischen Sklavenhändler heiratet, wird Esi als Sklavin an die USA verkauft. „Heimkehren“ von Yaa Gyasi erzählt über mehrere Generationen hinweg – bis in die heutige Zeit – die Geschichte einer zerrütteten Familie. Es geht um das Erbe der Sklaverei und darum, wie sich Traumata über Generationen hinweg übertragen. Am Anfang des Buches steht ein Stammbaum, jedes Kapitel ist nach einem Nachkommen benannt. Der Roman schreibt also eine Familienchronik. Am Ende bleibt den Protagonist*innen selbst verborgen, was der Roman offenlegt: die eigene Herkunft. 

Johannes Böhme: „Das Unglück schreitet schnell“

Was haben unsere eigenen Großeltern eigentlich genau getan in der Zeit des Nationalsozialismus? Was haben sie gedacht? Wie haben sie geliebt? Viele von uns wissen das nicht so genau. Johannes Böhme, 1987 geboren, wollte genau das ändern – und hat in der eigenen Familie nachgeforscht. Anderthalb Jahre wühlte er in Archiven, las alle Briefe, die seine Großmutter und ihr erster Mann Hermann einander schrieben. Hermann starb in Stalingrad, seine letzten Zeilen erreichten seine damalige Frau im Januar 1943. Johannes Böhme spürt der Liebesgeschichte der beiden nach, folgt Hermanns Weg durch den Krieg. Er erzählt von den Spuren, die Gewalt hinterlässt. Das Buch ist packend und lässt einen zurück mit genau der Frage: Wie war das eigentlich bei meinen Großeltern? Vielleicht ist es an der Zeit, das mal genauer zu erforschen. 

Sally Rooney: „Normale Menschen“

Wer glaubt, Bücher könnten nicht das Suchtpotential von Netflix-Serien entwickeln, sollte mal einen Roman von Sally Rooney lesen. Zum Beispiel ihr Debut „Gespräche mit Freunden“ oder – noch besser, „Normale Menschen“. Rooney wurde zurecht von der „New York Times“ zur Millennial-Autorin gekürt. Sie schreibt nicht nur schlicht, komisch und poetisch. Sie erzählt auch packende Geschichten über das, was die junge Generation bewegt: komplizierte Liebesbeziehungen, politische Haltungen, Identitätskrisen und Orientierungsversuche. In „Normale Menschen“ beschreibt die selbsternannte Marxistin, was Klassenunterschiede mit Liebesbeziehungen machen: Marianne und Connell werden überhaupt erst zum Liebespaar, weil seine Mutter im Haus ihrer Eltern putzt.

Kathrin Weßling: „Nix passiert“

Alex zieht aus Liebeskummer von Berlin zurück zu seinen Eltern aufs Land. Nichts scheint sich verändert zu haben. Früher wollte er immer so schnell wie möglich weg von hier, jetzt beneidet er die Kleinstadtbewohner*innen fast um die Einfachheit ihres Lebens. Statt Gästelistenplätze auf Partys, die man auf keinen Fall verpassen darf, wird daheim vorgeglüht und dann das Zeltfest besucht. Doch Alex merkt, dass er sich vor sich selbst nicht verstecken kann. Kathrin Weßling erzählt eine Geschichte des Scheiterns und des trotzdem Weitermachens, in der man sich leicht wiederfindet. Viele von uns rutschen zu Hause bei den Eltern wieder ganz leicht in die Rolle des Kindes, viele junge Menschen wollen in der Großstadt das alte Ich einfach hinter sich lassen. „Nix passiert“ zerstört mit klaren Worten diese Illusion und zeigt deutlich, dass man manche Probleme immer mit sich trägt, egal, wo man hingeht. 

Chanel Miller: „Know my name“

Chanel Millers Namen kannte lange niemand, ihre Geschichte kannte die Welt: Chanel wurde auf dem Campus der Stanford University vergewaltigt und kämpfte danach jahrelang für eine Verurteilung des „Stanford-Täters“ Brock Turner. Im zermürbenden Prozess trat sie bis zuletzt anonym auf, auch dann noch, als sie wegen ihres Briefes an den Täter weltweit Unterstützung fand, nachdem er bei Buzzfeed veröffentlicht worden war. Erst mit ihrem Debüt „Know my Name“ oder zu deutsch „Ich habe einen Namen“ hat sie ihre Identität enthüllt. Mit dem Buch verarbeitet sie diese Zeit, die ihr Leben verändert hat. Und sie tut es so sprachgewaltig, so konkret, so authentisch, dass man sich jeden dritten Satz ausdrucken und einrahmen möchte – auf dass man ihn niemals vergisst. Denn Chanel Millers Worte beweisen, dass Frauen nie nur Opfer sind. Dass sie vor allem Menschen sind, die noch ganz andere Geschichten zu erzählen haben, als die, in denen andere sie unterdrücken wollten.

Valerie Schönian: „Ostbewusstsein“

Die DDR gibt es seit 30 Jahren nicht mehr. Also dürfte es doch gerade den Jüngeren, die erst nach 1990 in Dresden, Jena und Halle geboren wurden, herzlich egal sein, dass sie Ossi sind – sie kennen ja nur das vereinigte, grenzenlose Deutschland. Valerie Schönian, 1990 geboren und aufgewachsen in Magdeburg, sagt: Das stimmt nicht. Für ihr Buch war sie in Görlitz und in Zeitz, in Halle und in Leipzig, und stellte dabei fest: Es sind oft gerade die Jüngeren, die sich auch heute und ganz ohne lebendige DDR-Erinnerung als Ostdeutsche identifizieren. Und das, findet Valerie Schönian, ist gut so. Bei ihren Gesprächen auf Wahlpartys, in Plattenbauten und in Technoclubs begegnet sie Ostdeutschen, die ihr zustimmen, aber auch Menschen wie Philipp Amthor, die ihr widersprechen. Und am Ende der Lektüre hat man als Leserin und Leser ein ganz eigenes Gefühl davon, was das sein könnte, so ein „Ostbewusstsein“.

 

Marie Luise Lehner: „Fliegenpilze aus Kork“

Marie Luise Lehners erster Roman „Fliegenpilze aus Kork“ handelt von der Beziehung einer Tochter zu ihrem Vater. Die beiden laufen zusammen durch Wien, rennen vor Kontrolleuren weg, klauen Dinge auf dem Schrottplatz, fälschen Vignetten und ziehen ständig zusammen um. Der Vater isst wenig und raucht viel, arbeitet mal als Hausmeister, mal als Bildhauer oder Sozialarbeiter. Manchmal arbeitet er auch gar nicht. Die Tochter merkt bald, dass ihr Leben anders läuft als das anderer Kinder . Sie versucht, trotzdem erwachsen zu werden. Die Beziehung der beiden ist so tiefgehend und unkonventionell, dass man beim Lesen immer dann seine eigenen Eltern anrufen will, wenn es zwischen Vater und Tochter mal nicht so gut läuft. Mit kurzen und einfachen Sätzen erzählt Marie Luise Lehner diese Beziehung Jahr für Jahr so eindrücklich, dass man traurig ist, dass die Protagonistin irgendwann erwachsen wird und das Buch ausgelesen ist.

Cemile Sahin: „Taxi“

„Taxi“ erzählt die Geschichte der Mutter Rosa Kaplan, die ihren Sohn Polat im Krieg verloren hat. Sie schreibt, um den Verlust ihres Sohnes zu verarbeiten, die Geschichte ihrer Familie fort – als Drehbuch für eine US-amerikanische Sitcom. Jahrelang sucht sie nach einem Darsteller für ihren Sohn, bis sie ihn schließlich findet. Ein Mann, unglücklich in seinem langweiligen Leben als Mitarbeiter einer Immobilien-Firma, scheint wie perfekt, um die Rolle ihres im Krieg verlorenen Sohnes zu füllen. Der junge Mann zieht zu Rosa, die ihm Geld und ein neues Zuhause bietet und die beiden fangen an, das Drehbuch von Rosa im Alltag nachzuspielen. Dabei versinken sie immer mehr in ihren Rollen, sodass aus Drehbuch irgendwann Wirklichkeit wird. Cemile Sahin erzählt das so hart und unmittelbar, dass man fast selbst mitspielt in dieser verrückten Geschichte über Trauer, Krieg und kaputte Familien.

Hinweis: Dieser Text erschien erstmals am 25.03.2020 und wurde am 26.02.2021 nochmals veröffentlicht. 

  • teilen
  • schließen