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„Ich hoffe, dass unsere Kinder uns retten werden“

Und? Erkennst du ihn noch? Das ist der mittlerweile 45-jährige „You're beautiful“-Sänger James Blunt.
Foto: Warner Music

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James Blunts Song „You’re Beautiful“ war einer der Hits unserer Jugend und hat ihn vor fünfzehn Jahren reich und weltberühmt gemacht. Danach machte er weiter, auch wenn die Aufmerksamkeit schwand. Inzwischen ist der Ex-Elitesoldat bei seinem sechsten Studioalbum „Once Upon A Mind“ angekommen. Wir sprachen mit dem Musiker in Baden-Baden darüber, was frühe Erfolge mit einem machen, wie es ist, plötzlich sehr erwachsen zu sein und warum er hofft, dass die Jugend unsere Welt rettet.

jetzt: James, für den Clip zu „Cold“  hast du die Klamotten wieder herausgeholt, die du 2004 im Video zu „You're Beautiful“ anhattest. Wo war das Zeug in der Zwischenzeit?

James Blunt: Die Sachen hingen im Kleiderschrank meines Hauses, das ich mir von dem „You're Beautiful“-Geld gekauft habe, auf Ibiza. Sie passten glücklicherweise noch.

Du sagst, dass du mit dem neuen Album zu deinen Anfängen zurückkehren willst. Warum?

Bei Manchem, was mir seit 2004 widerfahren ist, fühlte ich mich wie ein Schiffbrüchiger auf hoher See. Teilweise kann dieses Leben hohl und ein bisschen leer sein. Sobald du Erfolg hast und ein Publikum, gerätst du in dieses Rattenrennen. Du willst nicht, dass es aufhört, und du hast den Druck, immer wieder etwas anzubieten, von dem du denkst, dass die Leute es mögen werden. Ich habe über die Jahre coole, oft unterhaltsame Songs gemacht, aber nicht hinter allen konnte ich persönlich bedingungslos stehen.

Was hat sich jetzt geändert?

Diese Platte habe ich, wie meine allererste, nicht für ein Publikum geschrieben. Sondern nur für mich selbst und die Menschen, die mir am nächsten stehen: meine Frau, meine Kinder, generell meine Familie.

Warum war jetzt die richtige Zeit?

Weil mein Vater jetzt dabei ist, zu sterben und früher eben nicht. Weil ich früher keine Kinder hatte. Weil ich früher darüber schrieb, betrunken und high in einem Nachtclub zu feiern. Das war alles ein großer Spaß, ich liebte diesen Abschnitt meines Lebens. Aber diese Musik jetzt, die musste ich so schreiben, ich hatte gar keine andere Wahl. Und wer weiß, vielleicht erreiche ich gerade mit solchen persönlichen Liedern mehr Menschen als mit den Party-Songs. Weil ich ja auch nicht der einzige Mensch auf der Welt bin mit kranken, alten Eltern oder kleinen Kindern.

„Handelt einmal besser und klüger als die Generation eurer Eltern“

„Monsters“, das Lied über deinen Vater, scheint besonders persönlich. Ja. Ich sage in diesem Text Sachen, die ich so nie mit ihm besprochen habe. Normalerweise führten wir solche sehr persönlichen Unterhaltungen nicht. Ich habe auch sehr lange gezögert, ihm den Song vorzuspielen. Ich war nervös. Irgendwann tat ich es doch. Er meinte nur „So ist es, Junge.“

Wie war und ist die Beziehung zu deinem Vater?

Sie war immer exzellent. Als Familie haben wir stets zusammengehalten. Meine Eltern schickten mich aufs Internat, als ich sieben war, zu der Zeit lebten sie in Soest in Westfalen, ich kam nur in den Ferien heim. Der Möhnesee, an dem wir wohnten, war der beste Ort, den ein Kind sich wünschen kann. Im Winter habe ich auf dem See Eishockey gespielt, im Sommer bin ich geschwommen.

Dein Vater war auch Soldat. Ist das eine verpflichtende Familientradition bei euch?

Nein, meine Söhne sollen machen, was sie wollen. Es gibt keinen Druck in dieser Hinsicht. Als Eltern können wir ihnen Möglichkeiten aufzeigen, aber entscheiden müssen sie schon selbst.

In „The Greatest“ singst du, es frustriere dich, zu sehen, in was für eine Welt du deine Kinder hineingebracht hast.

Ja, die Botschaft an die Jungs ist eindeutig: Handelt einmal besser und klüger als die Generation eurer Eltern, zu der ich nun einmal auch zähle. Ich fürchte, wir haben es echt versaut. In der Welt herrscht ein Mangel an Mitmenschlichkeit und Freundlichkeit, dafür ein Übermaß an Selbstsucht und Gier, das uns irgendwann zerstören wird. Ich hoffe, dass unsere Kinder uns retten.

Machst du dir auch Sorgen wegen des Brexit?

Diese Debatte ist vollkommen entglitten. Man muss den Brexit nicht befürworten, und ich tue das auch nicht, um heute zu erkennen, dass man diese Sache undramatischer und einvernehmlicher hätte lösen können. Stattdessen haben sich beide Lager radikalisiert und finden aus ihren Ecken jetzt nicht mehr heraus. Und es gibt keinen Kompromiss, sondern einen Kampf bis aufs Blut.

„Großbritannien wird schon nicht zu Staub zerfallen“

Wie wird die Sache ausgehen?

Die ganze Diskussion ist eine politische Farce, ein einziger Bluff. Am Ende wird nicht viel passieren. Ich lebe in Spanien, bin häufig in der Schweiz, komme gern nach Deutschland, ich werde das alles auch weiterhin tun. Europa wird weiterhin großartig sein und Großbritannien wird schon nicht zu Staub zerfallen. Allenfalls werde ich in Zukunft ein Formular mehr ausfüllen müssen, wenn ich auf Tournee gehe, aber das war es dann auch.

Wie würdest du dich politisch beschreiben?

Ich ticke da anders, ich bin nicht links, ich bin nicht rechts, ich bin ein Mitte-Mann. Aber als solcher stehe ich ziemlich alleine da. Die Medien und das Internet treiben die Polarisierung voran, die Menschen neigen zu politischen Extremen. Das bereitet mir Sorge.

Du bist trotzdem unpolitisch auf Social Media, machst lieber Späße – auf deine eigenen Kosten.

Ja, ich liebe das. Warum soll ich mich denn so ernst nehmen, warum soll ich keine heiteren und positiven Beiträge liefern. Ich mache das inzwischen ganz bewusst, um mich der Aggression und der Bösartigkeit im Netz entgegenzustemmen. Denn die allermeisten Menschen sind vollkommen freundlich. Niemand käme auf die Idee, mich auf der Straße anzuschnauzen.

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