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„Die unangekündigten Besuche hörten auf, als er uns beim Sex erwischte“

Illustration: Federico Delfrati

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Fast jeder zweite Deutsche hat schon mal mit seinem Nachbarn gestritten. Egal, ob der zu laut war, auf dem falschen Parkplatz stand oder das Treppenhaus vollgestellt hat – Gründe haben die Deutschen offenbar genug. Auf der anderen Seite gibt es aber auch viele Nachbarn, die untereinander befreundet sind oder zumindest friedlich miteinander leben. Aber wie ist das eigentlich, wenn in der Wohnung neben, unter oder über einem der eigene Vermieter wohnt? Fünf Betroffene über ein ganz spezielles Nachbarschaftsverhältnis.

 

„Die Vermieterin bestand auf Änderungen in unserer Putzroutine“

Karina, 30, profitierte von ihrer Nachbarschaft mit den Vermietern – fühlte sich aber auch kontrolliert

„Dass die Vermieter direkt unter uns wohnten, sahen meine Freundin und ich als Erstsemester beim Einzug eher als Vorteil an: Das Ehepaar könnte uns eventuell eine Art Elternersatz bieten. So ähnlich war es dann auch. Wir hatten ein sehr gutes Verhältnis, bekamen umsonst Eier vom Bauernhof, luden einander ab und an gegenseitig zum Kaffeetrinken ein. Wenn bei uns etwas kaputt ging, reparierte der Vermieter es sehr zügig, unser herzliches Verhältnis bewahrte uns all die Jahre vor Mieterhöhungen.

Es führte aber auch dazu, dass die Vermieterin sich öfter mal in unsere Wohnangelegenheiten einmischte. Als sie einmal bei uns auf die Toilette ging, kam sie mit Kritik zurück: Das Waschbecken müsse man anders putzen, das sähe ja furchtbar aus. Dazu muss man wissen, dass sowohl ich als auch meine Mitbewohner selbst ziemlich penibel und reinlich sind. Aber die Vermieterin bestand darauf, dass wir einen speziellen Schwamm und besonderes Putzmittel kauften, um einen Kalkrand zu entfernen. Ähnlich lief es beim Treppenputzen. Da musste man erst fegen, dann saugen, dann wischen. Alles auf bestimmte Art und Weise. Irgendwann putzte ich nur noch, wenn sie nicht da war.

Inzwischen bin ich aus- und mit meinem Mann zusammengezogen. Auch dort ist unsere Vermieterin gleichzeitig Nachbarin. Und auch sie hat immer mal wieder Tipps für mich, wie man Wäsche aufhängt oder richtig lüftet.“

„Seine Besuche hörten erst auf, nachdem er uns beim Sex erwischt hatte“

Bei Mirja, 24, stand der Vermieter immer wieder unangekündigt in der Wohnung

„Ich wohnte vier Jahre lang in einer WG über dem Geschäft meines Vermieters. Richtig sympathisch waren wir uns glaube ich nie, trotzdem lebten wir lange in Frieden. Bis er irgendwann auf die Idee kam, ein neues Zimmer in den Dachboden bauen zu wollen. Abgesehen davon, dass ich damals 24/7 den Baustellenlärm und das Gerauche der Handwerker im Haus ertragen musste („Dann arbeiten sie schneller“), begann damit auch eine ganz andere Art Strapaze: Der Vermieter begann Führungen anzubieten.

Wohnungsführungen für Freunde und Familie. Dafür spazierte er unangekündigt mit einer Horde Menschen durch jedes Zimmer. Selbst, wenn wir da waren, ohne zu klopfen. Als es in der Prüfungsphase nicht so ordentlich war wie sonst, beschwerte er sich und sagte, wir müssten besser putzen. Was sollten seine Gäste denken? Meine Mitbewohner und ich erklärten ihm immer wieder, dass er all das gar nicht darf. Er aber sah sich im Recht, jedes Krisengespräch blieb ohne Erfolg.

Seine unangekündigten Besuche hörten erst auf, als er uns beim Sex erwischt hatte. Uns, das heißt mich mit meinem damaligen Freund, der gleichzeitig Mitbewohner war. Der Vermieter machte zwar uns den Vorwurf zur Situation („Die Fensterläden haben geklappert, ich MUSSTE jetzt selbst was dagegen tun“), ließ sich aber nie wieder unangekündigt blicken. Kurz darauf zog ich trotzdem aus.“

„Mit Vermietern als Nachbarn ist es, wie wenn die Polizei hinter dir her fährt“

Magdalena, 28, bestellt sich die Pakete nicht mehr nach Hause

„Mein Freund und ich wohnen direkt neben unseren Vermietern, einem sehr coolen Ehepaar. Unser Verhältnis ist total entspannt, wir haben ihnen daher sogar unseren Schlüssel gegeben, als wir im Urlaub waren. Mit Vermietern als Nachbarn ist es trotzdem, wie wenn die Polizei hinter dir her fährt. Du hast eigentlich keinen Grund nervös zu sein, bist es aber doch. Du willst unbedingt alles richtig machen. Ich glaube, es liegt auch an diesem Gefühl, dass wir noch immer keine Einweihungsparty gemacht haben. Ich habe Angst, dass wir in Ungnade fallen könnten, wenn es dabei eskaliert. Ich habe außerdem aufgehört, mir Pakete nach Hause zu bestellen. Ich will nämlich vermeiden, dass meine Vermieter sehen, was ich so alles geliefert bekomme. Sie müssen ja schließlich nicht alles von mir wissen.“

„Meine Vermieterin ist sehr präsent im Flur“

Linus, 31, hat ein Herz für seine Vermieterin – auch, wenn sie übergriffig ist

„Meine Vermieterin ist um die 80 Jahre alt und eigentlich sehr nett, hat mich sofort allen Nachbarn vorgestellt und mich freundlich empfangen. Manchmal übertreibt sie es aber mit der Herzlichkeit so sehr, dass sie arg neugierig bis übergriffig wird.

Zum Einzug mussten beispielsweise öfter noch ein paar Dinge in der Wohnung gemacht werden. Anstatt mir Bescheid zu sagen, wann wer kommt, sperrte sie den Handwerkern einfach auf und ging mit ihnen in die Wohnung. Das finde ich unangenehm. Auch, weil die erste Frage dieser militanten Nichtraucherin (noch vor der nach meinem Namen) war, ob ich Raucher sei. Nachdem ich (entgegen meiner Antwort) gelegentlich rauche, hab ich natürlich Schiss, dass sie da irgendwas rumfliegen sieht, weswegen sie mich hochkant aus der Wohnung wirft.

Generell ist sie sehr präsent im Flur, steht da oft wie zufällig rum, hat aber auch gleichaltrige „Spioninnen“ im Haus, die Fehlverhalten sofort weitertratschen. Ich hätte daher schon Bammel, mal einen Zwischenmieter in die Wohnung zu lassen oder so. Der Vermieterin fällt schließlich sofort auf, wenn jemand durchs Treppenhaus geht, der nicht zur Hausgemeinschaft gehört.

Trotzdem hoffe ich, dass sie uns so lange wie möglich erhalten bleibt. Denn im Haus wohnt auch ihr Sohn, der es bestimmt mal erben wird. Der ist richtig unangenehm, mosert zum Beispiel rum, wenn ihm zu viele Fahrräder unter dem Fahrradunterstand stehen. Wenn der mal Vermieter werden sollte, wird es bestimmt viel weniger spaßig dort zu wohnen.“

„Wenn die Besuch bekommen, bekommen auch wir Besuch“

Tamara, 24, wohnt mit ihrem Mann im Haus der Schwiegereltern – und hat daher familiäre Verpflichtungen

„Ich bin meinem Mann zuliebe auf den Hof seiner Eltern in eine eigens dafür ausgebaute Wohnung gezogen. Als Single würde ich jetzt wahrscheinlich in einer Stadt leben, so bin ich nun aber im Kaff gestrandet. Und das ist meistens in Ordnung so. Denn wir sparen uns durch das Verhältnis eine Menge Geld, müssen praktisch nichts zahlen. Wir werden außerdem in sämtliche Entscheidungen mit einbezogen, wenn sich irgendetwas am Haus ändern soll. Letztens durften wir beispielsweise die neue Haustür mit aussuchen.

Aber es ist nicht immer von Vorteil, dass wir so eng mit den Hausbesitzern sind: Wenn die Besuch bekommen, bekommen auch wir Besuch. Ich muss also, wenn ich abends fertig von der Arbeit heimkomme, öfter mal noch spontan die Verwandtschaft entertainen. Genauso wie wir, vor allem mein Mann, ständig auf dem Hof helfen müssen. Das ist sehr anstrengend manchmal. Im Grunde überwiegen aber die Vorteile: Denn meine Schwiegereltern respektieren unsere Grenzen ganz gut und kommen nur selten und im Notfall zu uns hoch. Anders würde es aber wahrscheinlich auch nicht funktionieren.“

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