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Irans Schlag gegen seine Social-Media-Stars

So soll sie (vielleicht) aussehen: Sahar Tabar, ein Star in der iranischen Szene und weit darüber hinaus.
Foto: faradeed.ir

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Die Bilder, die man von Sahar Tabar kennt, sind außergewöhnlich, nahezu unheimlich. Die „Zombie-Jolie“ nennen sie die Boulevardmedien herablassend. Sie selbst nennt sich Sahar Tabar. Gräuliche Haut, knochige Wangen, obskur aufgeblasene Lippen, weit aufgerissene Augen, eine extrem auffällige Nase.

Über 50 Schönheitsoperationen, so die Gerüchte im Netz, soll Tabar über sich ergehen haben lassen, um der US-Schauspielerin Angelina Jolie zu gleichen. Inzwischen wird davon ausgegangen, dass die 22-Jährige ihre Bilder stark bearbeitet. Bei Sahar Tabar soll es sich um eine Art Kunstfigur handeln­. So oder so, prominent ist sie; auf Instagram folgen ihr Tausende.

Oder besser gesagt, folgten: Die Iranerin wurde festgenommen, ihr offizieller Instagram-Account gelöscht. Die Anklage lautet dem englischen Guardian zufolge auf „Blasphemie, Anstachelung zu Gewalt, Geldeinnahmen durch nicht angebrachte Mittel und Ermutigung der Jugend zu Verderbnis“. Inwieweit die spezielle Ästhetik ihrer Kunstfigur – die auch als politische Kommentierung der iranischen Gesellschaft und ihre Schönheits-OP-Kultur interpretiert wird – oder etwaige Bildunterschriften der Auslöser für die Klage waren, ist nicht bekannt.

Blasphemie – in Iran kann das wohl für eine Gefängnisstrafe reichen. Das Land, in dem knapp 80 Millionen Menschen leben, bezeichnet sich selbst als islamischer Staat, der Staatschef Ayatollah Chamenei ist gleichzeitig das religiöse Oberhaupt und der militärische Oberbefehlshaber.

Ein „ungeheuerlicher Angriff auf die Meinungsfreiheit“

Tabar ist offenbar nicht der einzige Social-Media-Star, der dieses Jahr festgenommen wurde. Das „Center for Human Rights in Iran“ veröffentlichte im August einen Bericht, demzufolge „Dutzende Iraner*innen mit einer großen Zahl an Instagram-Followern“ von der Polizei vorgeladen worden sein sollen – darunter auch Athleten, Models und Schauspieler. Einige davon seien aufgrund des Inhalts ihrer Posts auch angeklagt worden.

Die meisten konnten jedoch gegen Kaution wieder freikommen, heißt es weiter in dem Bericht. Allerdings seien viele gezwungen worden, die Passwörter ihrer Instagram-Accounts zu verraten – und so auch die Kontrolle darüber abzugeben. Einige hätten daraufhin alte Posts von sich gelöscht, die der Staat als unmoralisch einstufen könnte. Aus Angst davor, ins Gefängnis zu müssen.

Amnesty International verurteilte die Vorgänge in Iran. Sollte Tabar wirklich nur aufgrund ihrer Posts auf Instagram festgenommen worden sein, müsse sie „sofort und bedingungslos freigelassen werden. Fotos in den Sozialen Medien zu teilen, ist kein Verbrechen“ sagt Philip Luther, Direktor für den Bereich Mittlerer Osten und Nordafrika bei Amnesty International. „Die iranischen Behörden müssen aufhören, Menschen zu kriminalisieren, die sich friedlich auf Social Media ausdrücken.“ Das sei ein „ungeheuerlicher Angriff auf die Meinungsfreiheit“.

Instagram ist die einzige große Social-Media-Plattform, die iranische Bürger*innen legal benutzen dürfen. Daher ist die Plattform – im Vergleich zu hiesigen Verhältnissen – dort noch viel wichtiger.

mpu

Edit um 8.45 Uhr: Das Statement von Amnesty International lag für die erste Fassung des Artikels noch nicht vor. Wir haben es nachträglich ergänzt.

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