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Die US-Republikaner*innen zeigen sich bei ihrem Parteitag „divers“

Foto: Andrew Harnik/AP/dpa

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„Wenn wir Ungerechtigkeit für eine Person sehen, dann tun wir etwas, um das für uns alle zu verändern“, heißt es in dem Video mit dem Titel „America“. Darin zu sehen: eine weiße Fabrikarbeiterin, ein Schwarzer Feuerwehrmann, ein Schwarzer Soldat mit Schwarzen Baby im Arm, zwei weiße Farmer, zwei Schwarze Polizisten und einige Women of Color. In dem Video (ab 03:30), das die US-Republikaner*innen um Donald Trump zur Eröffnung ihres Parteitags zeigten, geben sie sich also erstaunlich divers: Neben den darin gezeigten Politiker*innen kann man von mindestens 18 unbekannten Personen nur zwei als weiße Männer identifizieren. Wenig später kam heraus: Bei diesen Bildern aus dem Video handelt es sich um sogenanntes Stockfootage, genauer: um Material der Bildagentur „Getty Images“. Die Personen, die im Video gezeigt werden, sind also nicht unbedingt authentische Trump-Wähler*innen. Und bei einigen lässt sich das sogar widerlegen:

Denn laut Washington Post handelt es sich beim Material des „America“-Videoclips unter anderem um Bildmaterial aus Thailand. Dieses wird genau an den Stellen gezeigt, wo es explizit um die Covid-19-Pandemie geht. Zu sehen ist beispielsweise eine Frau, die ein Schild mit der Aufschrift „Danke Ärzte & Krankenpflegerinnen“ in die Kamera hält. Auf einem anderen sieht man einen Laborarbeiter, mit Maske, Gummihandschuhen und Schutzkleidung. Als ein Twitter-Nutzer auch noch in einem selbst zusammengeschnittenen Clip zeigte, woher das restliche Videomaterial ursprünglich stammt, sorgte das für Aufregung in den Kommentaren. Eine Nutzerin schreibt: „Haben diese Menschen zugestimmt, in dem RNC-Propaganda Film vorzukommen?“ und ein weiterer forderte, sie sollten „rechtliche Schritte einleiten“. Ein andere Nutzerin zeigte sich wenig überrascht: „Sie suchen sich immer die faulste Option aus, die den geringsten Aufwand bedeutet“.

Auch deutsche Parteien nutzen für ihre Werbekampagnen Stockmaterial

Dabei ist es eigentlich nicht ungewöhnlich, Stockfootage – also Stockmaterial – für Wahlkampf-Kampagnen zu nutzen. Denn es ist viel günstiger, auf bereits vorhandenes Material zurückzugreifen statt alle benötigten Szenen selbst neu zu drehen. Irritierend ist es für viele aber doch: Wenn man sich als politisch aufrichtig und authentisch präsentieren will, kommt es schließlich auch darauf an, wie man das Bildmaterial verwendet. Bei konventionellen Werbespots mögen die Zuschauer*innen vielleicht nicht damit rechnen, dass die Schauspieler*innen den beworbenen Joghurt wirklich so lecker finden, wie dargestellt. Bei politischen Kampagnen rechnet man als Zuschauer*in noch eher damit, dass die dort zu sehenden Menschen die jeweilige Partei unterstützen – selbst wenn es sich um dafür engagierte Schauspieler*innen handelt und diese nur eine kleinere Szene nachstellen: als Familie, Krankenpfleger*in, Polizist*in oder Automechaniker*in. 

Auch deutsche Parteien nutzen für ihre Werbekampagnen Stockmaterial. Das wird aber meistens dann bemerkt, wenn etwas schiefläuft. Wie beispielsweise bei der Bundestagswahl 2013, als FDP und NPD für ihre Werbespots das selbe Familienbild verwendeten: Vater, Mutter, Tochter und Sohn radeln durch eine sommerliche Allee. Zu allem Überfluss hat dann auch noch eine finnische Firma das Bild genutzt, um Speisequark zu bewerben.

Warum nutzen die Republikaner*innen plötzlich einen so diversen Cast in dem „America“-Clip?

Es ist nicht auch das erste Mal, dass die Republikaner*innen seit der Wahl Donald Trumps Stockmaterial einsetzen: Erst im vergangenen Monat zeigte eine Serie von Trump-Werbevideos auf Facebook „Tracey aus Florida“ – eine blonde junge Frau, die am Strand entlangläuft, während sie sich im Voice-Over als Trump-Fan offenbart: „Präsident Trump macht einen großartigen Job, ich könnte mir keinen besseren Präsidenten für die USA vorstellen“, sagt sie. Später enthüllte der Journalist Judd Legum das Erwartbare: „Tracey aus Florida“ gibt es nicht. Auch das Bildmaterial der Frau im Video ist Stockmaterial von „Getty Images“. Ein weiterer fiktiven Trump-Unterstützer dieser Werbekampagne war übrigens „Thomas aus Washington“ – Videoclips mit ihm findet man, wenn man bei Stockmaterial-Seiten „bärtiger Hipster“ eingibt.

Doch warum nutzen die Republikaner*innen plötzlich einen so diversen Cast in dem „America“-Clip? Schließlich gelten sie seit jeher als Partei der weißen Männer – die sich nicht gerade händeringend darum bemühten, das zu ändern. Dass bisher alle republikanischen US-Präsidenten weiße Männer waren (gegenüber einem Schwarzen Demokraten), dürfte niemanden überraschen. Aber auch in der Wählerschaft spiegelt sich das wider: Besonders beliebt ist die republikanische Partei nämlich bei weißen und evangelikalen Männern. Meinungsumfragen zeigen außerdem: Mehr als acht von zehn Schwarzen Wähler*innen halten Donald Trump für einen Rassisten. Die Mehrheit von ihnen will daher Trumps demokratischen Kontrahenten Joe Biden wählen. Ob sich die Republikaner*innen um Trump nun für die nicht-weiße Wählerschaft das eigene Image diversity-mäßig aufpolieren wollen?

Trevor Noah kritisierte in seiner Show das trügerische Diversitäts-Image

Dieser Verdacht liegt nicht allein wegen des Videos nahe. Beim Republikanischen Parteitag am Montag traten – von insgesamt 17 Sprecher*innen – außerdem vier Schwarze Trump-Unterstützer*innen auf. Sie schwärmten davon, wie viel Präsent Trump für die soziale Gerechtigkeit im Land getan habe – und begegneten damit dem Vorwurf der Demokratischen Partei, Trump sei ein Rassist. Einer von ihnen behauptete hingegen, die wahren Rassisten seien die Demokraten selbst, denn: „Sie wollen verhindern, dass Schwarze Menschen die mentale Plantage verlassen“ – eine Anspielung auf die Auseinandersetzung mit der Geschichte der Sklaverei. Trump jedoch würde dagegen kämpfen, dass Schwarze ständig als Opfer dargestellt würden. Auf der Sprecher*innen-Liste am Montag standen außerdem Mark and Patricia McCloskey – das Ehepaar, das zum Meme geworden ist, nachdem sie mit Schusswaffen auf Black-Lives-Matter-Demonstrierende zielten. Insgesamt sind außerdem ganze sieben Trumps eingeplant, um bei dem Parteitag zu sprechen.

Talkshow-Host Trevor Noah kritisierte in seiner Show das trügerische Diversitäts-Image beim Parteitag der Republikaner*innen. Aber er bemerkte dabei auch, dass es immerhin keine gänzliche Leugnung von Rassismus stattfinde: „Um fair zu sein: Sie denken einfach, dass Rassismus weniger ein systemisches Problem ist und mehr eine persönliche Hürde auf dem Weg zu einem inspirierenden Triumph.“ Denn solche persönlichen Erfolgsgeschichten wurden an dem Parteitag auch zum Besten gegeben. Zum Beispiel vom Schwarzen Senator aus South Carolina Tim Scott, dessen Vater gezwungen wurde, frühzeitig die Schule zu verlassen, „um Baumwolle zu ernten“. Trevor Noah findet seine Geschichte zwar inspirierend, aber erklärt auch: Wenn die USA kein Problem mit Rassismus hätten, wären deren Geschichten keine große Sache, sondern normal.

fsk

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