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Queers, wie können wir gute Verbündete für euch sein?

Illustration: Daniela Rudolf-Lübke

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Liebe Queers, 

ich habe noch nie eine so unglaublich positive Energie gespürt, wie die auf der Pride in Wien vergangenes Jahr. Für mich war es das erste Mal, dass ich dabei war. Es war unfassbar heiß, aber ich hatte ein kaltes Bier in der Hand und spazierte mit euch mit. Ich fühlte die Nähe zu euch, ich war so froh, dort zu sein und zum ersten Mal sah ich, wie schön Vielfalt ist. Das werde ich nie vergessen. 

Obwohl ich eine hetero cis Frau bin, also als Frau geboren wurde und mich auch als solche fühle, sehe ich mich als eure Verbündete. Es ist für mich selbstverständlich, euch zu verteidigen, zum Beispiel, wenn jemand schlecht über die LGBTQ*-Community spricht. Ich will euch unterstützen. Allerdings weiß ich auch: Was viele von euch durchmachen und fühlen, werde ich nie wirklich wissen.

Manchmal schäme ich mich für meine Seite, die cis hetero Seite 

Denn ich musste nie wirklich kämpfen, um so zu leben, wie ich leben möchte. Ich kann problemlos heiraten und niemand schaut mich krumm an, wenn ich mit einem Mann in der Öffentlichkeit Händchen halte. Viele queere Freund*innen von mir werden schlecht behandelt, eben weil sie queer sind. Wenn sie mir das erzählen, bin ich wütend und frustriert. Dann schäme ich mich für meine Seite, die cis hetero Seite. 

In unserer ersten Querfrage haben wir schon darüber gesprochen, wie ihr es findet, wenn Heteros die Regenbogenflagge also Fashion-Statement nutzen. Aber jetzt soll es nicht um Symbole gehen, sondern um Verhaltensweisen. 

Ich frage mich: Wollt ihr hetero cis Verbündete – im englischen auch „Allies“ genannt? Und wenn ja: Wie werden wir am besten solche Allies? Wie kann ich euch unterstützen, ohne euch etwas „wegzunehmen“? Auf der Pride sind alle willkommen, das ist mir klar, denn dafür steht sie ja. Aber sie findet nur einmal im Jahr statt. Was ist mit den restlichen 364 Tagen?

Wir freuen uns auf die Antwort.

Eure cis Heteros 

 

Die Antwort: 

Liebe cis Heteros,

natürlich freuen wir uns über nicht-queere Menschen, die genau die Privilegien nutzen, die wir als LGBTQ*-Community nicht genießen können. Das macht Allyship aus. Doch nicht jede*r Mensch, der sich als Ally bezeichnet, ist das auch wirklich.  

Die Schwarze Aktivistin Angela Davis sagte einmal: „In einer rassistischen Gesellschaft ist es nicht ausreichend, nicht-rassistisch zu sein. Wir müssen anti-rassistisch sein.“ Das gilt genauso für Verbündete der LGBTQ*-Community. Es macht einen entscheidenden Unterschied, ob ihr nicht queerfeindlich seid oder ob ihr aktiv versucht, uns zu helfen.

Wenn du Ally sein möchtest, dann steht der Schutz queerer Personen immer an erster Stelle

Manchmal ist es ziemlich einfach zu erkennen, dass eine Person nicht so offen ist, wie sie behauptet. Aussagen wie „Ich habe nichts gegen Homosexuelle, aber ich will nicht, dass mein Kind so wird“ machen uns misstrauisch gegenüber cis Heteros. Immerhin ist dieser Satz ziemlich offensichtlich queerfeindlich, auch, wenn die Person sich selbst wohl nicht so einschätzt. Doch es gibt auch andere Verhaltensweisen von selbsternannten „Allies“, die erst bei genauerem Hinschauen problematisch sind. 

Wenn du zum Beispiel die richtigen Pronomen oder Namen einer genderqueeren Person benutzt, wenn sie dabei ist, sie aber in ihrer Abwesenheit misgenderst, dann bist du kein Ally, so hart das klingt. Für queere Menschen würde es viel erleichtern, wenn sich alle Menschen mit ihrem Pronomen vorstellen würden, wenn man einander neu kennenlernt. Ich habe auf Instagram schon vermehrt gelesen, dass cis Aktivist*innen in ihrer Biografie schreiben, welche Pronomen sie für sich verwenden, um das Vorstellen der Pronomen zu normalisieren. Vielleicht gelingt uns das ja eines Tages!

Wichtig ist insgesamt: Wenn du Ally sein möchtest, dann steht der Schutz queerer Personen immer an erster Stelle. Den sollten Allies immer verteidigen. Dazu gehört auch, sich von anhaltenden Labels wie „lesbisch“ oder „bi“ zu lösen. Cis-Hets sollten weder ein  klassisches Coming-Out noch anhaltende Labels von uns erwarten. Schließlich heißt es sexuelle Orientierung, weil die Sexualität sich ändern kann. Nicht jede*r kündigt die eigene Queerness groß an. Denn eigentlich sollte das „nichts Großes“ mehr sein.

Als Ally ist es deswegen notwendig, queere Menschen im Bekanntenkreis nicht ohne deren Einverständnis zu outen. Auch, weil nicht alle ein tolerantes Umfeld haben. Deswegen gilt: Wenn dich ein*e Freund*in darum bittet, vor bestimmten Menschen, beispielsweise ihrer queerfeindlichen Familie, die falschen Pronomen zu benutzen, dann tu dies, um sie zu schützen.

Wir freuen uns, wenn ihr mit uns auf der Pride feiert! Aber bitte tut das informiert und nicht nur der Party wegen. Denn der Ursprung der Pride ist ernst: Damals, in der Nacht zum 28. Juni 1969, führten Polizeikräfte gewalttätig eine Razzia in der Stonewall Inn Bar in der Christopher Street in New York durch. Die Bar war ein „safe space“ für Queers, Sexarbeiter*innen und Drag Queens und Kings. Drei mutige Women of Color, Marsha P. Johnson, Sylvia Rivera und Stormé DeLarverie wehrten sich und riefen zum Protest auf. Deshalb feiern wir auf der Pride eigentlich einen der ersten Widerstände der LGBTQ*-Community, den Stonewall-Aufstand vor 50 Jahren. Wir dürfen nicht vergessen, wie wichtig Schwarze trans Frauen und queere People of Color für die LGBTQ*-Geschichte sind. Leider werden die Pride-Paraden oft nur als bunte Fete gesehen und der politische Aspekt wird vernachlässigt.

Hört den queeren Menschen zu, wenn sie euer Verhalten kritisieren

Solltest du generell zu Demos oder Veranstaltungen für LGBTQ* gehen, um Solidarität zu zeigen, dann stelle dich nicht in den Vordergrund. Ansonsten können sich Allies immer an Moneypools für queere Menschen beteiligen und (lokale) queere Unternehmen, Künstler*innen  und Aktivist*innen unterstützen, solange dies finanziell möglich ist. Ladet queere Personen als Sprecher*innen ein und achtet darauf, dass auf den Podien nicht nur Weiße sitzen. Denn die Perspektive queerer PoC ist oft noch einmal eine ganz andere.

Als Ally lernt man immer wieder Neues dazu. Also hört den queeren Menschen zu, wenn sie euer Verhalten kritisieren und informiert euch auch auf eigene Faust! Über solche Allies sind wir nämlich ziemlich froh.

Schöne Grüße

eure Queers

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