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„Schwarze Frauen glauben Meghan“

Foto: Joe Pugliese; Harpo Productions / dpa; Bearbeitung: jetzt

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 „Es gab Diskussionen und Beunruhigung darüber, wie dunkel seine Hautfarbe sein würde“, sagte Herzogin Meghan im Interview mit Oprah Winfrey am vergangenen Sonntag. Sie meint die Hautfarbe ihres Sohnes Archie. Oprah, die wohl bekannteste Talkshow-Ikone der USA, war daraufhin sekundenlang sprachlos, bis sie ein entsetztes „Was?!“ erwiderte. Die Entsetzung rührte vermutlich daher, dass Meghan mit diesem rassistischen Verhalten das britische Königshaus meinte – also ihre eigene Familie. Sie sind es, die in Gesprächen mit ihrem Mann, Prinz Harry, über Sohn Archies Hautfarbe während der Schwangerschaft „besorgt“ spekuliert haben sollen. Denn Meghans Mutter ist Schwarz. 

Es ist das erste Interview, das Prince Harry und Herzogin Meghan geben, nachdem sie vor einem Jahr ihre royalen Pflichten aufgaben und erst nach Kanada, dann in die USA auswanderten. Während die beiden darin zwar auf persönliche Angriffe gegen einzelne Mitglieder der Königsfamilie verzichteten, hat das Gespräch dennoch enorme Schlagkraft. Denn immer wieder kommt darin besonders eines zur Sprache: der Rassismus der Royals. 

„Es wurde Zeit, dass die beiden ihre Version der Geschichte erzählen. Es ist wichtig, dass Menschen etwas über den Rassismus im Vereinigten Königreich erfahren, der dort auf so vielen Ebenen existiert“, schrieb die englische Autorin Toni Tone auf Twitter. Endlich werde deutlich gemacht, dass Rassismus der Grund sei, warum Meghan vom Königshaus und der Presse so schlecht behandelt wurde. 

UK-Twitter ist sich nach der Ausstrahlung des Interviews einig: Der Umgang mit Meghan zeigt rassistische und sexistische Strukturen des Vereinigten Königreiches. In der Konsequenz trendet nun der Hashtag #AbolishTheMonarchy (also: „Schafft die Monarchie ab“). Besonders Schwarze und User*innen of Color reagierten auf das Oprah-Interview und die darin besprochenen rassistischen Verhaltensweisen. 

Prince Harry beklagte in dem Oprah-Interview besonders die fehlende Unterstützung des Königshauses. Bei all den rassistischen Angriffen gegen Meghan seitens der Presse sei nie ein Familienmitglied dagegen aufgestanden: „Mehr als 70 weibliche Mitglieder des Parlaments haben die kolonialen Untertöne der Berichterstattung kritisiert. Aber in drei Jahren hat nicht ein Mitglied meiner Familie etwas dazu gesagt“, so Harry. 

Eine Twitter-Userin postete daraufhin zwei Schlagzeilen der britischen DailyMail zu zwei royalen Schwangerschaften, die eine Ungleichbehandlung sehr deutlich machen. Eine der Schlagzeilen bezog sich auf Herzogin Kate, die weiße Ehefrau von Harrys Bruder William, die andere auf Herzogin Meghan. Während bei Kate das Streicheln des eigenen Babybauchs als freudiges Anzeichen baldiger Geburt gedeutet wurde („Nicht mehr lange!“), lautete die Schlagzeile in Bezug auf Meghan: „Warum kann Meghan es nicht lassen, ihren Babybauch anzufassen? Experten befassen sich mit der Frage, die die Nation beschäftigt: Ist es Stolz, Eitelkeit, Schauspielerei oder eine neue Bindungsmethode?“ 

Viele Menschen vergleichen die Situation von Meghan mit der von Lady Diana: Meghan und Diana seien beide selbstbestimmte Frauen – und würden damit aus dem patriarchalen Rahmen der Royals fallen. „Harry bricht den Zirkel generationenlanger Misshandlung von Frauen in seiner Familie. Schön zu sehen, dass er seine Frau und Kinder aus diesem toxischen Umfeld rausholt. Diana wäre stolz“, lobt ein Nutzer. Eine Nutzerin schreibt, damit beschütze er nun seine Frau so, wie er sich gewünscht hätte, dass es jemand mit seiner Mutter getan hätte:

Und ein anderer schreibt: „Sie beide haben so viel besseres verdient als das, was die britische Presse und Monarchie ihnen angetan hat.“ Das veranlasst einige auch zur Hoffnung auf den Namen der Tochter, die Harry und Meghan erwarten: 

Trotz des naheliegenden Vergleichs von Diana und Meghan identifizieren viele User*innen aber einen zentralen Unterschied: den Rassismus, den Prinzessin Diana als weiße Frau nicht erlebte, Meghan aber schon. Die Professorin für Kommunikationswissenschaft, Heather Thompson Day, schreibt auf Twitter: „Schwarze Frauen glauben Meghan. Denn Schwarze Frauen kennen die Intersektion von Rassismus und Sexismus. Es gibt Gründe dafür, warum Harry und Meghan sich ausgerechnet Oprah anvertraut haben.“ 

Intersektion, das meint eine Überschneidung von verschiedenen Diskriminierungsformen, zum Beispiel von Sexismus und Rassismus, was insbesondere nicht-weiße Frauen betrifft. Die Theorie der Intersektionalität geht auf die US-amerikanische Juristin Kimberlé Crenshaw zurück, die damit erstmals auf die spezifische Diskriminierung Schwarzer Frauen aufmerksam machte. Besonders bekannt ist folgender Fall: 1976 verklagten einige Schwarze Frauen den Autobauer „General Motors“ wegen Diskriminierung, weil er keine Schwarzen Frauen einstellte. Die Klage wurde aber mit der Begründung zurückgewiesen, dass in dem Unternehmen sowohl weiße Frauen als auch Schwarze Männer arbeiten würden – und deshalb liege weder Geschlechter- noch rassistische Diskriminierung vor. Laut Crenshaw übersah das Gericht dabei aber: die Intersektionalität.

Wegen dieser Diskriminierungs-Überschneidung sei nun auch der Fall Meghan nur bedingt mit dem von Diana zu vergleichen – denn der Rassismus komme noch hinzu. Herzogin Meghan äußerte im Interview mit Oprah auch, was sie am meisten bereue, nämlich „an die Institution“ des Königshauses geglaubt zu haben. Etwas, das die Autorin Anna Gifty Opoku-Agyeman gut nachvollziehen kann. Auf Twitter zieht sie daraus eine Lehre für andere Schwarze Frauen und schreibt: „Institutionen können und wollen uns nicht schützen. Sie haben es nie getan und sie werden es nicht tun. Und wie Meghan können auch wir sie verlassen, wenn sie uns nicht unterstützen.“ Denn: „Diese Institutionen sind dazu gemacht, uns fernzuhalten“. 

Für viele scheint es nämlich keine Überraschung zu sein, von rassistischen Strukturen im Königshaus zu hören – insbesondere aufgrund der Kolonialgeschichte des „British Empire“. Rassismus sei mitunter der Grund für den Reichtum der Königsfamilie, schreibt eine Nutzerin. Eine andere erklärt, die britische Monarchie sei als Kopf des Empires mit White Supremacy verknüpft, also dem Konzept weißer Vorherrschaft und verlinkt als Beleg einen entsprechenden Artikel des Guardian. Sie schreibt: „Das ist ihr Erbe. 

Warum das Interview von Herzogin Meghan und Prince Harry mit Oprah Winfrey trotz des fehlenden Überraschungs-Effekts so große Wellen auf Twitter schlägt, kann sich letztlich aber Journalismus-Professor Jason Johnson erklären: „Ich glaube, die Menschen sind weniger geschockt darüber, dass die Königsfamilie rassistisch ist, als dass sie eine Art Katharsis empfinden, dass zwei Schwarze Frauen aufdecken, dass eine derart romantisierte Institution rassistisch ist.“

fsk

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