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„Es tut weh, wenn das eigene Video nur 150 Aufrufe hat“

Screenshots: Youtube/Line und Steph, YouTube/Michi's Let's Plays, Youtube/Nordicwannabe, Youtube/Anni's Bücherwelt Bearbeitung: jetzt

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Youtuber*innen sind heutzutage Superstars. Also manche von ihnen. Klar, dass die Erfolgreichen Woche für Woche neue Videos produzieren, mit denen sie viel Geld verdienen können. Aber was hält eigentlich die vielen kleinen Youtube-Kanäle lebendig, die nur wenige Follower*innen und kaum Klicks haben und trotzdem seit Jahren Videos hochladen? Das haben wir vier Betreiber*innen gefragt. 

Die Erwartungshaltung von außen war klar: Zwillingscontent

Caroline, 23, studiert in München, nebenher hat sie mit ihrer Zwillingsschwester den Youtube-Kanal „Line und Steph“ mit 200 Abos. Nun will sie aber einen neuen gründen.

„Mein Kanal ist eigentlich ‚unser‘ Kanal. Meine Zwillingsschwester Steph und ich machen darauf seit 2016 zusammen Videos. Angefangen haben wir, als wir noch in Leipzig gewohnt haben und beide kurz davor waren, unser Studium abzubrechen. Da haben wir uns nicht mehr richtig engagiert in der Uni, sondern uns den Rest des Semesters ausprobiert – unter anderem auf Youtube. Wir hatten immer schon den Traum, uns selbstständig zu machen. Und auf Youtube kann man das kostenlos tun. Du bist plötzlich Content-Creator, ohne dich bewerben zu müssen. 

Uns ging es vor allem darum, unser Leben zu teilen. Außerdem wusste ich, dass ich irgendwann in die filmische Richtung will. Zum Ausprobieren war ein Youtube-Vlog super: Filmen, Schneiden und so weiter kann man sich dabei gut autodidaktisch beibringen. Wir hatten nie den Gedanken, damit schnell berühmt werden zu wollen. Dann hätten wir den Kanal auch anders aufgebaut und uns ein ganz klares Konzept ausgedacht. So haben wir alles ein bisschen vermischt: Travel, Food, Lifestyle. Deshalb blieb wohl auch der Erfolg aus. Unsere Freunde und vor allem unsere Mutter finden aber immer super, was wir machen und unterstützen uns bei allem, was wir ausprobieren.

Es wäre natürlich schön gewesen, mehr Follower zu haben und vielleicht irgendwann Geld damit zu verdienen. Aber wir wollten uns dafür jetzt auch nicht verbiegen. Die Erwartungshaltung von außen war klar: Zwillingscontent. Vor zwei Jahren haben wir deshalb auch so Tinder-Pranks gemacht – also uns mit Typen von Tinder getroffen und dann die Rollen getauscht. Da gab es dann aber auch berechtigte Kritik, weil das moralisch ja nicht so ganz astrein ist. Wir haben das dann gelassen.

Es war irgendwann auch ein wenig anstrengend, gemeinsam zu produzieren – wir mussten uns terminlich abstimmen und fanden nicht immer gemeinsame Themen, das Zwillingsthema wollten wir nicht ausschlachten. Mit vielen Videos von früher, vor allem mit dem Schnitt, waren wir später außerdem nicht mehr zufrieden und haben sie deshalb gelöscht, vermutlich so die Hälfte. Deswegen machen wir jetzt eher keine Videos mehr zusammen. Meine Schwester hat jetzt einen eigenen Kanal gegründet und auch ich plane einen neuen.“  

 

Wenn sich der PC aufhängt, zieht das meine Laune manchmal echt runter“

Michi ist 19 Jahre alt und kommt aus Dresden. Er studiert Finanzwirtschaft und streamt auf seinem Kanal „Michi Let’s Play“, wie er zockt. Seine Videos haben zwischen 4 und 1500 Aufrufe.

„Ich rechne nicht damit, dass ich je mit meinem Kanal Geld verdienen kann. Wenn doch, wäre das natürlich schön. Aber ich werde ja später auch mit meinem normalen Job verdienen. Den Kanal betreibe ich vor allem aus Spaß. Ich interessiere mich einfach für Videobearbeitung und zocke gleichzeitig gern – so kam die Idee, das auf Youtube zu machen. Mein Konzept ist daher auch sehr simpel: Meine Videos sind klassische Let’s Plays. Die Leute sollen einfach eine Person sehen oder hören und merken, dass da ein ganz normaler Dude spielt und Mist labert. 

Vor allem am Anfang haben die Videos sehr viel Spaß gemacht. Mittlerweile nervt es auch manchmal und ich mache weniger Videos als früher. Denn ich habe weniger Zeit und mein Equipment ist nicht gut. Es ist unbequem auf dem Stuhl zu sitzen und sich ständig ans Mikro beugen zu müssen, weil ich kein Stativ habe. Wenn sich dann noch der PC aufhängt, zieht das meine Laune manchmal echt runter. 

Ich mache trotzdem weiter, wenn auch seltener. Dazu motiviert mich auch das Feedback auf Youtube, was ein echt cooler Nebeneffekt ist. Denn manchmal schreiben Leute, die ich überhaupt nicht kenne, ich solle doch mal wieder ein neues Video machen. Sie sagen, dass sie meinen Kanal echt cool finden. Meine Freunde haben dagegen nicht so häufig meine Videos geguckt, die haben einfach Besseres zu tun.“

Youtube ist halt nicht der Hauptaugenmerk von mir. Wenn ich mich komplett darauf fokussieren würde, wäre ich bestimmt erfolgreicher. Ich müsste mich aber enorm von der Masse abheben, da es unglaublich viele Gamingkanäle gibt. Ich beschäftige mich da momentan lieber mit meinem Studium und mit Musik mit Freunden.

„Ich fühle mich manchmal richtig schlecht, dass ich Youtube so schleifen lasse“

Stefan ist 37 und kommt aus Osnabrück. Er hat sich auf seinem Kanal „Nordic Wannabe“ auf Videos über Skandinavien spezialisiert. 1040 Menschen haben ihn abonniert.

„Mein Youtube-Kanal ist ein Nebenprodukt zu meinem Blog, den ich seit 2015 betreibe. Youtube ist eine gute Plattform, um Content noch authentischer rüberzubringen als im Text. Ich habe deshalb lange jede Woche einen Vlog gemacht. Mittlerweile nutze ich die Plattform aber vor allem, um meinen Podcast online zu stellen.  

Es ist einfach extrem aufwändig, guten Content für Youtube aufzubereiten, viel aufwändiger als Artikel zu schreiben oder Instagram zu bespielen. Aktuell habe ich kaum Zeit dafür. Ich brauche etwa fünf Stunden für ein Video, manchmal auch sehr viel länger. Wenn das eigene Video dann nur 150 Aufrufe hat, tut das richtig weh.

Es ist schwer, neue Leute zu erreichen. Ich title zwar für den Algorithmus, achte also darauf dass die Headline optimiert ist, damit die Menschen das finden. Aber es wird einfach ständig neuer Content hochgeladen – herauszustechen, ist fast unmöglich. Daher ergibt es für mich Sinn, nur noch Videos zu produzieren, die ich auch anders verwenden kann, zum Beispiel auf meinem Blog oder auf anderen Seiten einbinden.

Ich fühle mich richtig schlecht manchmal, dass ich Youtube so schleifen lasse. Manchmal bekomme ich Mails von Leuten, die mich bitten, mal wieder was hochzuladen. Aber ich muss eben sehen, dass sich mein Zeiteinsatz lohnt. Es wäre cool, wenigstens so viel damit zu verdienen, wie ich dafür ausgebe. Denn das Equipment, aber auch meine Arbeitszeit sind ja teuer.“

„Klar, wünsche ich mir mehr Klicks und Kommentare“

Annika ist 26 und arbeitet bei einem Jugendbuchverlag. Ihr Kanal „Annis Bücherwelt“ hat 2030 Abos.

„Youtube gehört seit Ewigkeiten zu meinem Alltag, ich guck das schon richtig lange selber. Irgendwann im Jahr 2017 hatte ich viel Zeit und dann auch Lust, einfach selbst mitzumachen. Auch, weil das gut zu meinem Charakter passt. Ich bin einfach jemand, der sich gerne vor eine Kamera setzt und losquatscht – viel lieber als einen Blog zu schreiben, was ich auch erst überlegt hatte. Auch meine Freunde haben mich darin total bestärkt.  

Ich habe also erst überlegt, dass ich überhaupt einen Kanal machen will – später habe ich nachgedacht, welchen genau. Da ich gerne lese, dachte ich, dass das zumindest authentisch ist. Jetzt mache ich so klassische Formate, in denen ich zeige, was ich im Vormonat gelesen habe, welche Bücher ich gekauft habe und so weiter. Da hab ich mir viel von bestehenden Kanälen abgeguckt. 

Ich drehe ein Video im Durchschnitt eine Stunde lang, dann schneide ich eineinhalb. Ich brauche also circa drei Stunden für ein Video – manchmal aber auch mehr, wenn ich die Zuschauer zum Beispiel auf Buchmessen mitnehme. Ich habe mit einer normalen Kamera angefangen, zu filmen, andere arbeiten sogar nur mit Handys. Vor Kurzem hab ich mir aber eine neue Kamera gekauft, eine Softbox habe ich inzwischen natürlich auch. Ich finde aber okay, dass da Geld reinfließt. Das tut es bei anderen Hobbys ja auch.

Ich glaube, so richtig Geld verdienen werde ich nie mit Youtube. Dazu ist die Nische zu klein, die Verlage sind häufig noch nicht so tief im Social Media Thema verwurzelt. Klar, einige wenige Agenturen arbeiten zusammen, schicken Bücher umsonst – aber das ist nicht nennenswert. Klar, wünsche ich mir mehr Klicks und Kommentare. Das geht denke ich jedem Youtuber so. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde: ‚Das passt schon so, wie es jetzt ist.‘ Aber ich guck auch nicht dauerhaft auf die Zahlen.

Ich glaube, dass ich noch nicht so ganz erfolgreich bin, liegt auch daran, dass ich gerade nicht so regelmäßig hochlade. Feste Uploadzeiten sind Voraussetzung, um wirklich sichtbar auf Youtube zu werden. Dafür fehlt mir momentan die Zeit. Aber 2020 will ich gerne mehr durchstarten.“

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