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„Meine westdeutschen Mitstudenten waren gefühlt immer einen Schritt voraus“

Foto: privat; Bearbeitung: jetzt

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Gerade einmal 1,7 Prozent der deutschen Spitzenpositionen in Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur oder beim Militär werden von Ostdeutschen besetzt. Im Osten Deutschlands scheint es generell immer noch schwerer zu sein, Karriere zu machen. Das ist auch Jens Marchewski (30) aus Brandenburg aufgefallen. Um andere junge Studierende aus den neuen Bundesländern bei ihren Karriereambitionen zu unterstützen, hat er mit seinen Freunden Joe Boden (29) und Sebastian Gottwald (29) den Verein Legatum e.V. ins Leben gerufen. Seit April matchen sie Studierende und Mentor*innen aus Ostdeutschland. 

jetzt: Wie kamt ihr darauf, ein Mentoringprogramm für Menschen aus Ostdeutschland zu gründen? 

Jens Marchewski: Mir waren meine westdeutschen Mitstudenten gefühlt immer einen Schritt voraus. Ich komme aus Brandenburg und habe in Hannover und Oestrich-Winkel studiert. Als ich gerade angefangen habe zu verstehen, wie ein Lebenslauf aussehen muss, um beispielsweise in einer Unternehmensberatung zu arbeiten, hatten meine Kommilitonen aus Westdeutschland schon längst einen Fuß in dem Unternehmen. Wir als Teil der Wendegeneration sind die ersten, die die Möglichkeiten eines vereinten Deutschlands nutzen können. Jetzt wollen wir unsere Erfahrungen und Fehler, die wir gemacht haben, gerne weitergeben. Und das geht am besten in Form eines Mentorings. 

Kannst du genauer beschreiben, inwiefern dir deine westdeutschen Kommiliton*innen voraus waren? 

Ich habe mich damals für die Finanzindustrie interessiert und wollte ein Praktikum machen. Dann habe ich gemerkt, dass andere in meinem Studiengang schon Kontakte in die Branche hatten. Die wussten genau: Um bei Goldman Sachs zu arbeiten, sammel ich erst Erfahrungen bei einer kleineren Bank und dann kann ich mich bei den Top Banken bewerben. Mir war nie klar, dass das ein mehrjähriger Prozess ist. Ich hatte auch niemanden, der mir für Bewerbungsgespräche Tipps gegeben hätte. Bei meinen Mitstudenten sah das anders aus. 

„Unsere Vision ist ein vereintes Deutschland“

Und das liegt daran, dass deine Mitstudierenden aus Westdeutschland kommen? 

Ja. Man merkt heute noch, dass die DDR ein „Arbeiter- und Bauernstaat“ war. Meine Eltern haben, wie viele andere, nicht studiert. Diese Generation kann mir nicht dabei helfen, den richtigen Studienort zu finden. Es bleiben auch viele Ostdeutsche zum Studium  in ihrer Heimat, weil einem niemand sagt, dass die Universität in Mannheim oder die LMU in München einem eventuell bessere Möglichkeiten bieten. 

Meine westdeutschen Peers hingegen hatten bereits Freunde und Bekannte, die in Beratungen, Investment Banks oder Start-ups arbeiten. Die können ihnen Fragen stellen, bekommen Namen von Personalern und werden beim Bewerbungsverlauf unterstützt. Von den Problemen erzählen auch andere Mentees aus Ostdeutschland. 

Wieso ist die Lösung dann eine*n Mentor*in aus Ostdeutschland? 

Unsere Vision ist ein vereintes Deutschland. Um dahin zu kommen, müssen wir strukturelle Unterschiede direkt angehen. Im Ruhrgebiet gibt es sicher ähnliche Schwierigkeiten wie in Ostdeutschland. Ich wäre zwar in der Lage, jemandem aus Essen oder Dortmund zu helfen. Aber es wäre schwieriger, weil unsere Biografien so unterschiedlich sind. Wir kommen aus Ostdeutschland und können deshalb auch am besten Ostdeutschen helfen. 

Unser Ansatz ist: Wenn man einen Mentor bekommt, der vielleicht fünfzehn Kilometer von einem groß geworden ist, hat man automatisch schon eine gemeinsame Basis. Man hat vielleicht mal gegeneinander Fußball gespielt oder kennt die Schule des anderen. Diese Gemeinsamkeiten sind uns wichtig. 

Wie läuft das Mentoring ab? 

Mentees bewerben sich bei uns. Dann entscheiden wir auf Basis von Gesprächen mit Mentees und Mentor*in, wie wir matchen. Momentan haben wir circa 25 Mentorenpaare. Wenn ein Mentee gerne in die Unternehmensberatung gehen würde, versuchen wir ihn mit einem Mentor zu matchen, der Erfahrung in dem Feld hat. Dann arbeiten die Paare gemeinsam an dem Ziel. Weitere Richtlinien geben wir nicht. Wenn aber beide Partner motiviert sind, muss das gar nicht sein. Ein Mentee aus Magdeburg hat zum Beispiel bereits ein Praktikum in einem bekannten Start-up in Berlin gemacht und will jetzt auch ein Semester im Ausland studieren. Ohne den Mentor hätte er diese Möglichkeiten gar nicht wahrgenommen. Andere Mentees erzählen uns, wie sie gemeinsam Bewerbungsgespräche durchspielen. 

Vermittelt ihr nur Kontakte in die Wirtschaft oder auch andere Bereiche? 

Die meisten unserer Mentees studieren Wirtschaftswissenschaften, -informatik, -ingenieurwesen, -psychologie, et cetera. Studierende aus anderen Bereichen können wir nur fördern, insofern sie in die Wirtschaft möchten, etwa wenn ein Journalist in die Unternehmenskommunikation möchte. In Zukunft würden wir unseren Fokus auch gerne auf Ingenieure erweitern, aber das müssen wir dann in ein paar Jahren sehen.

Wie kann ich mich bei euch bewerben? 

Mentoren können sich laufend bewerben. Für Mentees ist die nächste Frist Ende Januar. Dann können sich Studierende wieder ab Mitte April für die nächste Kohorte bewerben. Einfach den Bewerbungsbogen auf unserer Website ausfüllen.

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