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Wie kann ich besser auswendig lernen?

Lernstoff einfach in das Gehirn reinzukopieren, funktioniert leider nicht. Doch es gibt Lernmethoden, die das Auswendiglernen effektiver machen.
Illustration: FDE

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Wer kennt diese Situation nicht? Stundenlang sitzt man am Schreibtisch, aber der Lernstoff für die kommende Prüfung will einfach nicht hängen bleiben. Eine Studie aus dem Jahr 2013 hat gezeigt, dass gängige Lernmethoden, wie zum Beispiel wiederholtes Durchlesen oder Textpassagen markieren, nicht unbedingt effektiv sind. Auch beim Auswendiglernen gilt: Work smarter, not harder. Wir stellen euch ein paar Lernmethoden vor, die für jede*n funktionieren und haben sie uns von Birgit Spinath, Professorin für Pädagogische Psychologie an der Uni Heidelberg, erklären lassen.

1. Dem Vergessen entgegenwirken: Spaced Repetition

Wie bestimmt viele von uns nach dem ersten vergeigten Vokabeltest in der 5. Klasse feststellen mussten: Beim langfristigen Lernen geht es vor allem um Wiederholungen. Wir vergessen Gelerntes nach einer bestimmten Zeit wieder, wenn wir es nicht regelmäßig abrufen. Spinath beschreibt das bildlich als „Trampelpfade“, die ausgetreten werden müssen. Es wird also im Normalfall nicht ausreichen, wenn du dir vor deiner Prüfung eine Thematik nur einmal anschaust, auch wenn du sie dir in dem Moment gut merken kannst. 

Die dauerhafte Speicherung von Informationen im Gehirn wird „Konsolidierung“ genannt. Die funktioniere laut Spinath besonders gut, wenn Pausen zwischen den Wiederholungen gemacht werden, damit das Gehirn das Gelernte auch verarbeiten könne. „Deswegen ist es auch nicht schlecht, sich den Stoff vor dem Schlafengehen nochmal anzuschauen. Wenn man schläft, hat das Gehirn viel Zeit, sich zu konsolidieren,“ erläutert Spinath. Wenn du das Gelernte regelmäßig abrufst, können die Pausen zwischen den Wiederholungen auch länger werden, ohne, dass du direkt alles vergessen wirst.

2. Altes mit Neuem verbinden: Active Recall

Doch wie nimmt man den Lernstoff am effektivsten auf? Wie der Begriff Active Recall bereits impliziert, geht es darum, aktiv Verknüpfungen zu bereits gelernten Informationen herzustellen. Versuche zum Beispiel, neue Fragen zum Lernstoff zu formulieren, die du dann mündlich oder schriftlich beantwortest – ohne Hilfe von Notizen. So kannst du auch herausfinden, wo noch Lücken sind und eventuell noch Lernbedarf besteht. Auch die klassischen Karteikarten können hier eine gute Hilfe sein, erklärt Spinath: „Karteikarten sind sehr praktisch, weil man sie durchmischen und in andere Abfrageformen einbauen kann. Je mehr aktive Beschäftigung mit den Inhalten besteht, umso besser erfolgt hinterher der Abruf.“

birgit spinath text

Birgit Spinath ist Professorin für Pädagogische Psychologie an der Universität Heidelberg.

Foto: Privat

3. Ein Gedächtnis wie Sherlock Holmes: Die Loci-Methode

Wir haben unglaublich viele Dinge in unserem Gehirn abgespeichert, aber wir finden sie häufig nicht,“ sagt Spinath. Bei der Loci-Methode werden Informationen mit Orten assoziiert. Stell dir deine Wohnung vor: In die verschiedenen Räume legst du nun Informationen ab, die du dir als Gegenstände verbildlichst. Als Medizinstudent*in könntest du zum Beispiel die Namen der Gesäßmuskeln mit deinem Schreibtischstuhl assoziieren. In deinem Kopf läufst du nun immer wieder den gleichen Weg von Raum zu Raum, um dies abgelegten Informationen abzurufen.

Wenn du noch einen Schritt weiter gehen möchtest, kannst du deine Wohnung virtuell mit weiteren Räumen ausstatten und sie zu einem sogenannten „Gedächtnispalast“ erweitern. Diesen Palast kannst du immer wieder virtuell durchlaufen, um Informationen abzurufen. Keine Sorge, dafür brauchst du keine übernatürliche Intelligenz – das konnte dieses Jahr sogar eine Studie belegen. Jeder könne solche „Memotechniken“ lernen, solange man sie konsequent anwende, so Spinath. Allerdings warnt sie, dass diese Methoden nicht unbedingt zu einem tieferen Verständnis führen würden: „Sich etwas zu merken und auswendig zu lernen, funktioniert damit gut – aber dadurch kann man Inhalte nicht automatisch besser verstehen und anwenden.“

4. Lernt zusammen – trotz digitaler Lehre

Auch wenn die Pandemie gemeinsames Lernen deutlich erschwert hat, rät Spinath, mit Kommiliton*innen zusammen zu lernen: Das könne positive Emotionen hervorrufen, den Ehrgeiz aktivieren und die aktive Auseinandersetzung mit dem Lernstoff fördern. „Durch den Austausch werden Fragen anders gestellt, als wenn man ausschließlich allein arbeitet. Außerdem fallen einem gemeinsam oft Wissenslücken besser auf,“ sagt Spinath. Also: Bilde eine digitale Lerngruppe mit Kommiliton*innen, mit denen du dich regelmäßig triffst – wenn auch nur per Videoanruf. Wenn euch gegenseitiges Abfragen zu viel Druck bedeutet, ist es schon hilfreich, gemeinsam über den Lernstoff zu reden.

5. Gutes Zeitmanagement gegen Prokrastinieren

„Fang früh genug an!“, ist immer leichter gesagt als getan. Allgemein rät Spinath, sich realistische Lernziele zu setzen, indem man das eigene Lernverhalten reflektiert und sich nicht zu viel auf einmal vornimmt: „Wann steht der Aufwand, den ich betreibe, in einer guten Relation zum Nutzen, den ich davon habe?“ Auch wenn dir nur noch wenig Zeit bis zu deiner Prüfung bleibt, kannst du deine tägliche Lernzeit gut einteilen, um nicht wegen des Berges an Lernstoff zu verzweifeln. Hier kann zum Beispiel die Pomodoro-Methode helfen, bei der du in kurzen Lernblöcken arbeitest. Erst schreibst du dir Lernziele auf, die du innerhalb von zwei Stunden erreichen kannst. Auf 25 Minuten Lernen folgen immer fünf Minuten Pause, bis du die zwei Stunden erreichst. Auf Youtube gibt es jede Menge Pomodoro-Videos, die du nebenbei laufen lassen kannst – dann musst du dir nicht jedes Mal erneut einen Wecker stellen. 

6. Vergiss die Idee von Lerntypen – fokussiere dich auf Prüfungstypen

Visuell, auditiv, kommunikativ – all diese Lerntypen, von denen oft gesprochen wird, seien laut Spinath stark überbewertet. „Es gibt bestimmte Methoden, die für alle funktionieren können, auch wenn es vielleicht kleine individuelle Unterschiede gibt“, sagt Spinath. Wichtiger sei es, die Lernmethode der Prüfung anzupassen. „Durch die Pandemie gibt es viel mehr Open-Book-Prüfungen, bei denen man Inhalte nachschlagen darf. Da macht es keinen Sinn, einfache Wissensinhalte wie für Multiple-Choice-Klausuren auswendig zu lernen.“ Nichtsdestotrotz müsse man für diese Prüfungen lernen, denn es werde vor allem das Verständnis geprüft, so Spinath. Dafür würden Active-Recall-Methoden gut funktionieren, Gedächtnistechniken wie die Loci-Methode aber eher weniger.

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