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Horror-Party: Nächtliche Hilfeleistung

Sich vor dem Club um betrunkene Fremde kümmern – kein schöner Partyabend.
Illustration: Daniela Rudolf-Lübke

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Wir alle vermissen Partys – und vergessen dabei leicht, dass Feiern nicht immer nur spaßig ist. In dieser Serie erzählen wir deshalb von den schlimmsten Partys, auf denen wir in unserem Leben waren. Viel zu viel Alkohol, grässlich langweilige Verwandte, emotionale Tiefpunkte – es gibt ja viel, das eine Feier vermiesen kann. Falls du selbst von einer schlimmen Party erzählen willst: Schreib uns eine Mail an info@jetzt.de!

Horrorstufe: 8 von 10

Center of Attention: Der Vorplatz eines Clubs

Trinkverhalten: Gemäßigt – zum Vorteil der betrunkenen Fremden

Ich hatte mir diesen Abend bereits drei Wochen vorher als absolutes Highlight in meinem Kalender markiert. Schließlich galt die Sportlerparty als DIE legendäre Party unter Studierenden. Zu denen gehörte ich als damals Fast-Abiturientin zwar noch nicht, aber der Besuch bei meiner älteren Schwester Viola sollte ein aufregendes Wochenende und eine erste Stippvisite in das von allen gepriesene Student*innenleben sein. Allerdings sollte diese erhoffte Erfahrung mir auch weiterhin verwehrt bleiben. Denn bis IN den Club kamen wir nicht.

Als wir knapp vor zwölf an der Party-Location ankamen, sagte der Türsteher wenig freundlich: „Da seid ihr ja viel zu spät dran.“ Also reihten wir uns brav in die Schlange der Wartenden ein und hofften, dass die ersten Schnapsleichen den Club bald wieder verlassen müssten. Mit jeder Minute wurde es ungemütlicher. Es war Februar, windig und kalt. Die Musik dröhnte aus der sich immer wieder öffnenden Eingangstür, wenn die Raucher*innen kurz herauskamen – aber endgültig gehen wollte anscheinend niemand. Unser ohnehin eher niedriger Alkoholpegel ließ weiter nach und jede*r von uns blickte immer genervter und müder drein. 

So viel zur ausgelassenen Party. Aber als wäre die Warterei im grässlichen Wetter nicht schon genug Stimmungsdämpfer gewesen, rempelte mich jemand auf einmal grob von hinten an. Vom Frust getrieben und innerlich bereit, mich auf meiner ersten Student*innenparty mit jemanden zu kloppen, drehte ich mich wütend um und wurde von einer Alkoholfahne überzogen. Eine mir völlig Fremde klammerte sich an meinen Arm und brüllte mir aus 30 Zentimeter Entfernung ins Gesicht: „Liiiisa, wo seids ihr?“ – „Ich bin nicht Lisa“, sagte ich und versuchte, sie abzuschütteln, aber sie hing schwer an meinem Arm. Sie rief weiter nach Lisa und klammerte sich für eine Person, die kaum stehen konnte, mit erstaunlich viel Kraft an mich.

Nicht einmal ihren Namen konnte sie uns sagen

Ihr Geschrei verschaffte uns böse Blicke vom Türsteher. Nicht einmal ihren Namen konnte sie uns sagen, geschweige denn, wo ihre Freund*innen waren. Spätestens da wurde uns klar, dass wir uns ungewollt eine zugedröhnte Partygängerin angelacht hatten – und dass ihr Zustand kein guter war. Kurze Zeit später kippte sie von meinem Arm aus einfach bewusstlos auf den Boden.

Wir beugten uns über sie und versuchten, sie zu Bewusstsein zu bringen, wir schüttelten sie und sprachen mit ihr. Nichts. Noch dazu hatte sie nur einen Minirock und ein Spaghetti-Top an und musste ziemlich frieren. Um wenigstens irgendetwas zu tun, zog ich meine Jacke aus und legte sie unter die Frau, während meine Schwester sie in stabile Seitenlage brachte. Alles und alle waren hektisch, jemand wählte den Notruf. Wenig hilfreich war der Türsteher: „Jetzt schafft eure besoffene Freundin endlich heim!“, brüllte er und kam auf uns zu. „Wir kennen die nicht mal!“, schnauzte Viola zurück. Nach einer gefühlten Ewigkeit kam der Krankenwagen. 

Dem Sanitäter war seine Meinung zu feierwütigen Student*innen bereits am Gesichtsausdruck abzulesen. Auch ihm mussten wir erstmal vermitteln, dass wir nur die fast nüchternen Helfer*innen dieses Häufchen Elends waren. Und dass wir keine Ahnung hatten, wie es hieß.

Sie begann zu schreien und um sich zu schlagen

Die gute Nachricht ist: Als die Sanitäter*innen die Unbekannte auf die Trage verfrachten wollte, kam sie plötzlich wieder zu sich. Und war auf einmal voller Energie. Die schlechte: Sie schrie und schlug um sich. Dass die Präsenz der Sanitäter*innen wenig Gutes über ihren Zustand verhieß, schien wohl zu ihr durchzudringen. Und weil ich anscheinend aussah, als hätte ich noch nicht genug bekommen, traf mich einer ihrer unkontrolliert umher schlagenden Arme voll auf die Nase. Die Sanitäter*innen beschlossen, sie trotz wiedererlangtem Bewusstsein vorsichtshalber mitzunehmen. Ich blieb mit tränenden Augen und leicht benommen zurück. Obwohl meine Nase schmerzte, war ich erleichtert – die Sanitäter*innen hatten keinen sonderlich besorgten Eindruck gemacht. Unsere unfreiwillige Bekannte würde sich also bestimmt erholen.

Dem Türsteher war seine vorherige Reaktion wohl im Nachgang unangenehm, also kam er zu uns und sagte: „Hey, es sind wieder Plätze frei, rein mit euch!“ Doch wir waren erledigt. Müde und völlig geschafft traten wir unverrichteter Dinge den Heimweg an. Das Student*innenleben musste noch ein bisschen auf meine Bekanntschaft warten. Aber immerhin hatte ich eine Sache gelernt: Sollte ich jemals eine*n Bekannte*n beim Feiern treffen, der betrunken oder zugedröhnt war, würde ich ihm*ihr nicht von der Seite weichen. Hätte Lisa das für ihre Freundin gemacht, wäre ich ihr sehr dankbar gewesen – und ihre Freundin sicher auch.

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