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„Verbänden steht es frei, Männer und Frauen gleich zu bezahlen“

Illustration: Julia Schubert

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900 000 Dollar – in etwa so groß ist der Gender Pay Gap im US-amerikanischen Fußball auf ein Team runtergerechnet. Die Weltmeisterinnen um Megan Rapinoe haben für den Titelgewinn 200 000 Dollar bekommen. Die Männermannschaft der Amerikaner würde für den Gewinn einer Weltmeisterschaft 1,1 Millionen Dollar kriegen. Als die Amerikannerinnen auf dem Rasen ihren Titel feierten, feierten die Fans auf den Rängen mit. Und von den Rängen hieß es: Equal Pay!

Woran liegt es, dass auch in Amerika, wo die Frauenfußballnationalmannschaft viel erfolgreicher ist als die der Männer, die Arbeit so ungerecht vergütet wird? „Im Fußball gibt es einen riesigen Produktmarkt. Der Produktmarkt wirkt sich wiederum auf das Gehalt der Spielerinnen und Spieler aus“, erklärt Frank Daumann, Professor für Sportökonomik an der Universität Jena. „Und der ist bei Frauen und Männern ziemlich unterschiedlich.“ Mit Produktmarkt meint Daumann die Märkte für Tickets, Merchandisingartikel und Fernsehrechte. „Der Produktmarkt spült Geld rein, das dann in den relevanten Arbeitsmarkt fließt. In unserem Fall ist das der Markt für Spielerinnen und Spieler.“ Heißt im Klartext, dass bei den SpielerInnen am Ende so viel ankommt, wie über das Produkt Fußball verdient wird. Das sind die einfachen Regeln der Betriebswirtschaft: Je größer die Nachfrage, desto höher der Wert des Angebots.

Die Zuschauerzahlen der Fußball-Bundesligen in Deutschland zeigen das deutlich. Bei den Männern liegt der Zuschauerschnitt im Stadion über 40 000, bei den Frauen schauen sich im Durchschnitt unter 1000 Menschen die Spiele an. Obwohl in den USA Frauenfußball beliebter und erfolgreicher ist als der Männer-Sport, leidet Equal Pay auch dort darunter, dass mit Männerfußball sehr viel mehr Geld verdient wird. Die Spiele der Major League Soccer, der amerikanischen ersten Liga, schauen im Schnitt 25 000 Personen im Stadion. Eine Frauenliga gibt es in den Vereinigten Staaten, wo der Sport auf dem College teilweise höheren Stellenwert als der Profisport hat, erst seit 2013. Vergangene Saison kamen im Schnitt um die 6000 Menschen zu den Spielen der Frauen. Männliche europäische Stars wie Zlatan Ibrahimovic oder Bastian Schweinsteiger sorgen dort für massig Trikotverkäufe.  Geld, das dem Frauenfußball fehlt. 

Im Fußball sind wirtschaftliche Faktoren der Grund für die Gehaltsunterschiede bei Männern und Frauen. Aber wie sieht das eigentlich bei anderen Sportarten aus?

Im Tennis sind die Preisgelder bei allen Grand Slam Turnieren beispielsweise angeglichen. Bei den US Open, einem der vier wichtigsten Turniere im Tennis, bekommen Frauen und Männer sogar schon seit 1973 das gleiche Preisgeld. Tennis war damit die erste Sportart, die gleiche Preisgelder bei einem großen Turnier für Männer und Frauen ausschüttete. Ein Blick auf die Zuschauerzahlen zeigt, dass im Tennis keine so großen Unterschiede herrschen wie beim Fußball. 2018 schauten bei der BBC sogar zum ersten Mal in 13 Jahren mehr Zuschauer das Finale der Frauen, als das der Männer. Allerdings fand das am selben Tag wie das Finale der Fußball WM der Männer statt. „Die Geschlechtsunterschiede bei den Zuschauerzahlen im Tennis schwanken hin und her“, sagt Daumann. „Trotzdem ist der Unterschied keinesfalls so hoch wie im Fußball.“

Preisgelder für SportlerInnen sind meist wirtschaftlich begründet

Bei der Bezahlung von SportlerInnen geht es rein um wirtschaftliche Faktoren. Und obwohl es wirtschaftlich begründet ist, bekommt auch im Tennis das angeglichene Preisgeld immer wieder Gegenwind. 2016  beschwerte sich Novak Djokovic, Weltranglisten-Erster im Tennis und gerade frisch gekürter Wimbledon-Sieger, darüber, dass Frauen so viel verdienen wie er selbst. Er argumentierte damals, dass die Spiele der Männer im Schnitt länger dauern und mehr Tickets verkaufen. Djokovic ruderte dann wenige Tage später zurück und betonte, dass er für Gleichberechtigung sei. Allerdings hat Djokovic im Grunde genommen keinen Grund, neidisch auf weibliche Kolleginnen zu sein. Er besitzt nämlich trotzdem mehr Geld. 2015 verdiente er laut Forbes-Liste doppelt so viel durch Werbeeinnahmen wie Serena Williams, die Nummer eins im Frauen-Tennis.

Bei Nischen-Sportarten hingegen sieht die Ausschüttung der Preisgelder insgesamt fairer aus. Aber auch da nicht wegen dem Wunsch nach einer Gleichbehandlung der Geschlechter, sondern weil es keinen größeren Markt gibt. Die BBC hat 2014 in einer Statistik 56 verschiedene Sportarten und deren Preisgelder bei Wettbewerben zwischen Frauen und Männern verglichen. Mit dabei waren populäre Sportarten wie Fußball und Basketball, aber auch Bowling, Bogenschießen und Taekwondo. Dabei kam heraus, dass in 70 Prozent der Sportarten an beide Geschlechter das gleiche an Preisgeldern ausgeschüttet wurde.

Bei Sportarten ohne große internationale Zuschauerzahlen bei den Männern, wie zum Beispiel Klettern, Tauchen, Handball, Snowboarden oder Tischtennis, sind die Gehälter angeglichen. Große Unterschiede gibt es zum Beispiel im Golf, Cricket oder Darts. Alles Sportarten, in denen die Männer sehr viel mehr Geld umsetzen als die Frauen. Die US Open im Golf der Männer sahen zum Beispiel insgesamt 2,81 Millionen Menschen im amerikanischen Fernsehen. Das Turnier der Frauen interessierte nur etwas mehr als 500 000 TV-Zuschauer.

Keiner zwingt Sportverbände dazu, Männer besser zu bezahlen als Frauen

Und wie könnte man diese Lücke zwischen den Gehältern für Frauen und für Männer schließen? Dass die Frauen- und Männersportarten komplett andere Märkte bedienen, müsste die Verbände weder im Golf noch im Fußball daran hindern, gleiche Preisgelder auszuschütten. Das Geld, das zum Beispiel die deutschen Frauen- und die Männernationalmannschaften umsetzen, landet beim gleichen Verband: dem DFB. Wirtschaftlich gesehen könnte man natürlich quersubventionieren“, sagt Frank Daumann. „Da müssen Sportverbände entscheiden, ob ihnen die Gleichstellung von Mann und Frau wichtiger ist als ökonomische Fakten. Verbänden steht es aber frei, Männer und Frauen gleich zu bezahlen“

Quersubvensionierung wäre also die Lösung, mit der Sportverbände Frauen und Männer gleich bezahlen könnten. Dafür entschied sich 2018 die World Surf League. Der Weltverband im Wellenreiten kündigte vergangenes Jahr an, dass ab 2019 bei jeder Veranstaltung, die der Verband ausrichtet, Frauen und Männer exakt das gleiche Preisgeld bekommen, egal was die einzelnen Wettbewerbe an Einnahmen generieren. Allerdings ist beim Surfen der wirtschaftliche Faktor verglichen mit Fußball oder Tennis gleich Null. Die gesamte World Surf League hat pro Jahr 19 Millionen US-Dollar an Einnahmen. So viel verdient Lionel Messi beim FC Barcelona in fünf Monaten.

Wenn der ökonomische Faktor zwischen Frauen- und Männersport also nicht so unterschiedlich ist wie zum Beispiel im Tennis, oder wie beim Surfen praktisch nicht existent, dann wird oft auch das Gleiche bezahlt.

Quersubvensionierung wird momentan aber nur angewendet, wenn nicht all zu viel Geld im Spiel ist: „Aufgrund der unterschiedlichen Produktmärkte kommt es im Sport einfach meistens nicht zu gleichen Löhnen von Frauen und Männern. Aber natürlich könnten Sportverbände zugunsten von Equal Pay da anders handeln“, sagt Frank Daumann. „Nur wäre das wirtschaftlich meistens nicht sinnvoll.“ Sportverbände seien Unternehmen und Unternehmen handelten nach Wirtschaftsfaktoren. Und nicht nach Equal Pay.

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