Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Erst Ehe, dann Kinder?

Illustration: Daniela Rudolf-Lübke

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

In dieser Kolumne geht es um Schwangerschaft und Eltern-Sein, um die Hürden, das Glück, die Mythen rund ums Thema Baby. Unsere Autorin ist Mutter einer dreijährigen und einer einjährigen Tochter. Folge 25: Wie eine Hochzeit die Beziehung verändert.

Schon als kleines Mädchen wusste ich: Später einmal will ich heiraten. Oder zumindest war ich davon überzeugt, dass ich mal heiraten werde. Denn ob und wieso ich das wirklich möchte, das habe ich mich bis ins Erwachsenenalter nicht ernsthaft gefragt. Schließlich war das der Lauf der Dinge: Irgendwann lernen Frauen einen Mann kennen, er geht vor ihnen auf die Knie, sie feiern ein Hochzeitsfest mit weißem Kleid und Torte, und dann sind sie eine Familie. So lebten es mir die Erwachsenen in meinem Umfeld vor, so stand es in allen Kinderbüchern, so zeigten es die Kinofilme. Erst mit Anfang 20 begann ich langsam damit, das Konzept „Ehe“ zu hinterfragen. Und heiratete dennoch. In einem weißen Kleid, mit Torte.

Mein Partner und ich kannten uns seit vier Jahren, als er während eines Urlaubs in Lissabon um meine Hand anhielt, wie man so schön sagt. Dass wir heiraten wollten, darüber hatten wir schon oft gesprochen. Die steuerlichen Vorteile waren damals noch kein Thema für uns, wohl aber die rechtlichen. Wir wollten gerne Kinder, wir wollten unser Leben zusammen verbringen. Ob Erbrecht, Vaterschaftsanerkennung oder Besuchsrecht bei Krankenhausaufenthalten: Als verheiratetes Paar wird einem vieles leichter gemacht.

Dass die klassische Reihenfolge erst die Hochzeit und dann die Kinder vorsieht, liegt auch daran, dass das Elternwerden innerhalb einer Ehe besser abgesichert ist. Zum Beispiel gilt der Ehemann automatisch als Kindsvater – er muss das Neugeborene nicht erst formell anerkennen. Der erziehende Elternteil hat außerdem Anspruch auf Unterhalt und im Falle einer Scheidung auf Versorgungsausgleich. Für viele Frauen ein starkes Argument, vor einer Schwangerschaft erst noch zu heiraten. Denn wer durch die Mutterschaft beruflich zurückstecken wird, kann verheiratet entspannter in die Kinderplanung gehen. Und, kleiner aber dennoch nicht unwichtiger Aspekt: Man hat eine Hochzeitsfeier ohne elterliche Pflichten, auch das haben wir sehr genossen.  

Daher war die Ehe für uns sinnvoll, schon aus rein praktischen Gründen. Und sollten wir uns irgendwann auseinanderleben, dann werden wir uns eben scheiden lassen. Diese Option war uns immer klar und auch Teil unserer Gespräche. 

Bei meinem Heiratswunsch spielten aber auch romantische Vorstellungen eine Rolle, die noch immer tief in mir verankert waren. Schon im Kindergarten spielten wir Mädchen Mutter-Vater-Kind, und bestimmt noch bis zur Mittelstufe kombinierte ich den Nachnamen eines Jungen, der mir gefiel, mit meinem Vornamen – nur um schonmal zu testen, wie das klingen würde. Jahre lang formten Bücher und Filme ein Bild vom „schönsten Tag im Leben einer Frau“ in meinem Kopf. Und ein Teil von mir fand einfach, dass vor dem gemeinsamen Kind eine Hochzeit kommen sollte. Vielleicht, weil das den Papierkram leichter machen würde, wahrscheinlich aber – wenn ich ganz ehrlich bin – auch „weil man das so macht“.

Meinen Nachnamen zu behalten war wohl das höchste der feministischen Gefühle

Nie im Leben wäre ich jedenfalls von selbst auf die Idee gekommen, zur Eintragung meiner Partnerschaft ein weißes Kleid zu tragen (ich trage nie Kleider) oder einen Verlobungs- und Ehering über den Finger zu streifen (Ringe fand ich vorher immer unangenehm). Ich kann rückblickend also nicht behaupten, dass meine Hochzeit durch und durch ein selbstbestimmter, feministischer Akt war. Meinen Nachnamen zu behalten war wohl das höchste der feministischen Gefühle. Trotzdem bereue ich meine Hochzeit nicht, ganz im Gegenteil: Ich bin sehr gerne verheiratet und fand den Termin beim Standesamt einen schönen Anlass, unsere Liebe zu feiern. 

Das als Frau behaupten zu können, dürfte in der gut 5000-jährigen Geschichte der Ehe eine wahre Seltenheit sein. In frühen Hochkulturen war die Heirat ein rein wirtschaftlicher Vertrag zwischen zwei Familien, die Frau dabei Gegenstand des Geschäfts ohne Mitspracherecht. Die ältesten gefundenen Eheringe stammen aus der Antike und wurden nur von der Frau getragen – als Zeichen, dass sie einem Mann gehörte. In Europa machte im Mittelalter die Kirche dann aus der Ehe einen Bund fürs Leben: heilig, unkündbar und strengen rechtlichen und moralischen Regeln unterworfen. Erst ab dem 19. Jahrhundert wurde die Ehe zunehmend romantisiert, die Idee der Liebesheirat gewann an Beliebtheit und Scheidungen wurden zumindest teilweise möglich. Dennoch blieben Frauen in der Ehe wie in der sonstigen Gesellschaft Menschen zweiter Klasse. In Deutschland war die Ehefrau noch bis 1977 rechtlich zur Haushaltsführung verpflichtet und erst seit 28 Jahren steht die Vergewaltigung in der Ehe auch als solche unter Strafe. 

Im Vergleich dazu ist die Ehe heute so offen, gleichberechtigt und privat wie noch nie. Und trotzdem nichts rein privates, denn noch immer entscheidet der Staat darüber, wer heiraten darf und wer nicht: Erst seit wenigen Jahren können Menschen unabhängig von ihrer Geschlechtsidentität und sexuellen Orientierung heiraten, und eine Freundin von mir hatte enorme Probleme bei dem Versuch, ihren lateinamerikanischen Freund heiraten zu dürfen. Die Ehe bleibt also etwas relativ Exklusives. 

Gleichzeitig sind die Akzeptanz und Gleichstellung von Partnerschaften ohne Trauschein so hoch wie noch nie: Was früher als „wilde Ehe“ skandalisiert wurde, ist heute vor allem unter jungen Menschen eher die Regel. Sicher bekommen einige unverheiratete Paare noch immer die Frage, „Und, wann gebt ihr euch endlich das Ja-Wort?“, zu hören. Aber ich werde mittlerweile ähnlich oft gefragt, warum ich in der heutigen Zeit und als aufgeklärte Frau überhaupt geheiratet habe. Die Liebe feiern kann man schließlich auch so, erst letztes Wochenende war ich bei so einem Event eingeladen. Klar, die Ehe bietet viele rechtliche Vorteile – von A wie Adoption bis Z wie Zugewinnausgleich – aber im Alltag ist ein unverheiratetes Paar kaum noch schlechter gestellt.

Es war zwar kein Versprechen „für immer“, aber doch ein „ich meine das hier absolut ernst“

Denke ich heute über die bald sechs Jahre als verheiratetes Paar nach, so hat mir meine Hochzeit dennoch mehr gegeben hat als ein paar Rechte und einen Ring. Und zwar viel zusätzliche Sicherheit und Vertrauen, die man durch das Commitment einer Ehe aufbaut. Es war zwar kein Versprechen „für immer“, aber doch ein „ich meine das hier absolut ernst“. Außerdem rückt eine Ehe ein Paar zwangsläufig enger zusammen, weil es vor dem Staat zu einer wirtschaftlichen Einheit wird. „Mein ist dein“ im wahrsten Sinne. Außerdem das Wissen, dass mein Mann mich mehr liebt, als er Papierkram hasst. Denn den muss man nicht nur für die Hochzeit ausfüllen, sondern auch im Falle einer Scheidung. Weshalb man sowohl für die Eheschließung als auch für die Trennung ein paar Hürden nehmen muss.

Ich jedenfalls würde daher wieder heiraten, sollte die Frage danach eines Tages erneut im Raum stehen. Die Eintragung würde ich wohl auch wieder zum Anlass einer Feier nehmen. Aber ein paar Dinge würde ich anders machen: Ich hätte zwar ein großartiges Outfit an, aber kein Kleid, schon gar nicht weiß. Und für meinen Partner oder meine Partnerin gäbe es nur dann einen Ehering, wenn er oder sie gerne Ringe trägt. Mein Mann jedenfalls hat nie gerne Ringe getragen, und seinen Ehering auch schon vor Jahren verloren. Einen neuen haben wir nicht gekauft, wofür auch? Wir wissen, wie wir zueinanderstehen.  

  • teilen
  • schließen