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„Sag ihnen einfach, dass es Bill Gates gewesen sein muss“

Kinder von QAnon-Anhängern geben sich auf Reddit Tipps zum Umgang mit ihren Eltern.
Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Jacqueline Larma

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Was kann man tun, wenn die eigenen Eltern an Verschwörungsmythen glauben? Laut Expert*innen zum Beispiel: Quellen prüfen, konsequent widersprechen, immer wieder dagegen argumentieren oder sich an Beratungsstellen wenden. Aber was, wenn wirklich nichts mehr hilft? Wenn Mama nicht davon abrücken will, dass Bill Gates hinter Corona steckt? Oder Papa fest davon überzeugt bleibt, dass Trump mit Schreibfehlern auf Twitter geheime Botschaften an seine Unterstützer*innen aussendet – wie es die Anhängerschaft der US-amerikanischen Verschwörungs-Bewegung QAnon glaubt? Auf Reddit hat der User „Craftsmaniac“ einen pragmatischen Vorschlag für all jene geteilt, die keinen Ausweg für die Verschwörungs-Eltern mehr wissen. Die Reaktionen zeigen, wie verzweifelt viele Kinder von „QAnon-Eltern“ gegenwärtig sein müssen.

„Du kannst einfach zu deinen Liebsten nach Hause gehen, dich in ihr Wlan einloggen und den Router so einstellen, dass bestimmte Websiten blockiert werden“, empfiehlt „Craftsmaniac“ in dem betreffenden Subreddit der Gruppe „QAnonCasualties“. Nutzer*innen tauschen sich da über ihre Erfahrungen mit Verschwörungsglaubenden aus, geben sich Tipps, kotzen sich einfach nur aus oder diskutieren miteinander. „Unterbinde das konstante Tröpfeln des QAnon-Gifts“, schreibt „Craftsmaniac“. Ein Gift, das durch Plattformen wie Facebook und Parler, aber auch durch Medienkonzerne wie OANN oder Fox News verbreitet werde. Falls die betreffenden Familienmitglieder die Router-Blockade doch bemerken sollten, könnte es passieren, dass sie wütend reagieren. Für diesen Fall empfiehlt „Craftsmaniac“: „Sag ihnen einfach, dass es Bill Gates gewesen sein muss“. Nutzer*innen teilten in dem Subreddit daraufhin ganze Anleitungen und Blocklisten. 

Eine weitere Empfehlung aus der Community: die Kindersicherung im Fernseher einsetzen

Einige erzählten auch von ihren persönlichen Erfahrungen mit QAnon-Eltern – und von ähnlichen kleinen Alltags-Hacks, die sie eingesetzt haben, um die Verschwörungszufuhr der Eltern zu regulieren. Eine weitere Empfehlung aus der Community war zum Beispiel: die Kindersicherung im Fernseher einsetzen – aber nicht um die Kinder vor nicht-jugendfreien Inhalten zu bewahren, sondern die Eltern vor Fox News. 

So erzählte auch User „WanderWut” von einem ähnlichen, wenn auch etwas heimlichen Versuch: „Mein Dad nutzt einen Youtube-Account, der mit meinem verbunden ist“ –  die perfekte Chance also, den Youtube-Algorithmus ein bisschen zu beeinflussen. Deshalb abonnierte „WanderWut“ kurzerhand eine ganze Reihe von harmlosen Ablenkungs-Accounts über Gartenarbeit, Handwerk und Kochen – und blockte im Gegenzug toxische Verschwörung-Inhalte. Das habe funktioniert: „Jetzt hat er ein paar Kanäle, die er sogar gerne anschaut.“

Viele Menschen in der Community lobten die Idee, den Youtube-Algorithmus auszutricksen. „Ich denke, das ist wahnsinnig wichtig. Es reicht nicht, das Gift zu entfernen, nach dem sie süchtig sind. Der wahre Lösung ist, die Leere mit etwas Lebensbejahendem zu füllen. Gut gemacht, du hast deinen Dad gerettet“, schrieb User „notyourstranger“ begeistert. 

„Du kannst keine Desinformationen verstecken, du musst sie bekämpfen“

Allerdings kritisierten auch einige User*innen diese Empfehlungen als übergriffig und unethisch. Solche Maßnahmen könnten nicht die Lösung des viel größeren Problems der Verbreitung von Desinformationen sein. Zum Beispiel sollten doch lieber Plattformen wie Youtube & Co in die Pflicht genommen werden, die Inhalte zu regulieren, statt es Einzelpersonen zu überlassen. Und: Ein heimliches Blockieren sei außerdem nur eine wenig hilfreiche Symptom-Bekämpfung: „Du kannst keine Desinformationen verstecken, du musst sie bekämpfen. Das wird nicht langfristig funktionieren“, schrieb User „OaulWard4Prez“. 

Manche gaben auch zu bedenken, dass Eltern, die im großen Stil an Verschwörungsmythen glauben und QAnon anhängen, durch heimliches Regulieren ihrer vermeintlichen Informationsquellen noch paranoider werden könnten. „Sie werden dann nur glauben, dass jemand ihren Computer gehackt hat, um sie von der Wahrheit fernzuhalten“, findet User „Watkinobe“. Dadurch könne auch unbeabsichtigt die falsche Annahme unterstützt werden, dass die Medien „Zensur“ betrieben. Andere Nutzer*innen schlossen aus der Diskussion, dass man – wenn überhaupt – darauf achten müsse, diese Tricks nur bei nicht besonders technik-affinen Familienmitgliedern anzuwenden. Eine andere Empfehlung zur Geheimhaltung lautete: Nur ein paar Seiten blocken oder die Blockierung immer mal wieder aufheben, damit die Eltern nicht auch dahinter eine Verschwörung vermuten, sondern höchstens einen technischen Defekt. Andere hingegen vergleichen das Blocken bestimmter Websites mit einem kalten Entzug: am Anfang schwer, aber der einzige Weg zur Heilung. 

„Ich habe keine Chance, dagegen anzukommen“

Auch Katharina Nocun, Autorin und Expertin für Verschwörungsideologien, teilte auf Twitter den Subreddit als Empfehlung für Jugendliche, die mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben. Wie groß die Verzweiflung vieler Kinder und Jugendlicher mit Verschwörungs-Eltern aktuell sein muss, zeigen auch die anderen Einträge der Reddit-Gruppe „QAnonCasualties“. User „The First Goomba“ erzählt zum Beispiel, dass die eigene „Qmom“ (die mehrere Stunden täglich auf Facebook und Youtube verbringe) mal zu ihm gesagt habe: „Ich brauche keine Fakten. Selbst wenn du Fakten dafür liefern kannst, dass du Recht hast, würde ich es nicht glauben, weil ich weiß, was ich fühle und dass meine Gefühle durch Gott inspiriert sind. Meine Entscheidungen basieren auf Gefühlen und nicht auf Fakten." Und er schreibt weiter: „Wie argumentiert man gegen so eine Logik? Gar nicht”. „The First Goomba“ habe mittlerweile schon aufgegeben, denn: „Ich habe keine Chance, dagegen anzukommen“. 

fsk

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