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Wie Lehrer*innen, Schüler*innen und Eltern das Homeschooling erleben

Foto: Adobe Stock

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Schon seit März bedeutet der Lockdown vor allem für Schulen eine große Umstellung. Lehrer*innen und Schüler*innen müssen auf Online-Portale ausweichen und den Unterricht großteils von zu Hause aus gestalten und verfolgen. Dass dabei einiges schiefgehen kann, haben die Reaktionen auf unseren Aufruf auf Instagram gezeigt. Wir wollten von euch wissen, was eure lustigsten, aber auch nervigsten Erfahrungen aus dem Homeschooling sind – das sind eure Antworten.

Die Technik

Herausforderung Nummer eins: die Technik. „Es ist super nervig, dass jegliche Portale, mit denen man guten Online-Unterricht machen könnte, vollkommen überlastet sind“, erzählt Romy, 36, Lehrerin an einer Haupt- und Realschule in Hessen. Das Schulportal, auf dem Aufgaben online gestellt werden können, sowie einige Videokonferenz-Portale seien zeitweise gar nicht, oder nur sehr schlecht erreichbar. „Bei uns läuft es leider überhaupt nicht gut! Die Videokonferenzen brechen ständig ab oder es werden Leute zwischendurch rausgeschmissen“, berichtet auch Pauline, 18 Jahre alt. Sie ist Schülerin an einem Gymnasium in Bayern.

Auch auf Mebis, der digitalen Lernplattform des bayerischen Kultusministeriums, kämpften Nutzer*innen zum Beginn des erneuten Lockdowns wieder mit Ausfällen und langen Wartezeiten. Davon berichtet Valerie, 33, Lehrerin an einer bayerischen Grundschule. Auch wenn der digitale Schulstart auf Mebis nach den Weihnachtsferien insgesamt einigermaßen störungsfrei verlief, habe es schließlich erneut Probleme mit der Lernplattform gegeben. „Nachdem wir auf andere Plattformen ausgewichen sind, sind diese wiederum zusammengebrochen. Wie man es macht, man macht es verkehrt“, schreibt Valerie.

In anderen Fällen wiederum funktioniert zumindest technisch alles einwandfrei: „Homeschooling oder Heimunterricht, wie es bei uns heißt, funktioniert ganz gut“, erzählt die 35-jährige Katja, Lehrerin an einer evangelischen Oberschule in Sachsen. „Wir haben eine sehr moderne Schule, die für Schüler*innen Tablets bereitgestellt hat – teilweise sogar mit Simkarten.“ Dank der Simkarten sind die Schüler*innen nicht auf ein stabiles Wlan angewiesen. Dass so eine gute (und vermutlich teure) technische Ausstattung nicht der Normalfall, sondern die Ausnahme ist, ist allerdings auch klar.

Aber auch die 16-jährige Annika hat an ihrem Gymnasium in Bayern positive Erfahrungen mit dem digitalen Unterricht gemacht: „Ich bin selbst ein wenig überrascht, aber meine Schule hat das Homeschooling klar und realitätsnah organisiert.“

Die fehlende Struktur

Selbst wenn der technische Rahmen rundherum steht, fehlt Einigen die Struktur. Lotta, 18, besucht ein Gymnasium in Thüringen. Neulich habe sie versehentlich zwei Unterrichtseinheiten verpasst, schreibt sie. Sie sei sicher gewesen, dass sie an diesem Tag nicht stattfinden würden, bis zwei Lehrkräfte ihr eine Nachricht schrieben. „Weil ich natürlich nicht die Wahrheit sagen wollte, habe ich mein Fehlen auf technische Probleme geschoben. Zum Glück hatte das keine Konsequenzen. Aber peinlich war es mir trotzdem“, erzählt sie.

„Ich finde beim Homeschooling am schlimmsten, dass die Kinder keinen Tagesrhythmus mehr haben und gerade die Schwächsten total auf der Strecke bleiben“, schreibt Kathi. Sie ist 28 Jahre alt und Referendarin an einem Gymnasium in Nordrhein-Westfalen. Ihrer Erfahrung nach ist es bei der digitalen Lehre für die Schüler*innen eine besonders große Herausforderung, sich selbst zu organisieren. Kathi sagt, dass ihr der persönliche Kontakt mit den Kindern sehr fehle, um diesem Problem entgegenzuwirken: „Man verliert eben doch mehr Kinder als man denkt auf die Distanz.”

Gerade bei den Jüngsten ist das ein Thema. Hier sind es dann oftmals die Eltern, die neben den Lehrer*innen gebraucht werden. „Es könnte wirklich sehr einfach sein und funktioniert bei denen super, die von zu Hause Unterstützung erfahren“, sagt die 29-jährige Grundschullehrerin Vanessa aus NRW.

Jana ist 37 und Mutter. Ihr 11-jähriger Sohn besucht eine Gesamtschule in München. Sie erzählt, dass es für ihn oft sehr schwer sei sich zu konzentrieren, sodass sie immer neben ihm sitzen muss. Sie fand schließlich eine kreative Lösung, um auch mehr zu ihren eigenen Aufgaben als Selbstständige zu kommen: „Wir spielen zusammen Kniffel und immer wenn mein Sohn eine sechs würfelt, muss ich eine von meinen Aufgaben erledigen und wenn ich eine sechs würfel, macht er eine Schulaufgabe.“

Die guten und lustigen Momente

Nicht nur bei Jana bringt das Homeschooling auch ein paar lustige und positive Erfahrungen mit sich. Manchmal eben gerade weil nicht alles ganz reibungslos abläuft:

Julia, 30, zum Beispiel unterrichtet an einem Gymnasium in Baden-Württemberg und hat vor einer Online-Unterrichtseinheit vergessen, ihr Hintergrundbild auf Zoom zu ändern. Sie war am Beginn des Lockdowns schwanger und hatte ein Ultraschallbild eingestellt, um es ihrer Verwandtschaft bei einer digitalen Familienfeier zu zeigen. „Natürlich habe ich vergessen, den Hintergrund wieder zu ändern, und dann mit diesem die Mathestunde in Klasse sechs eröffnet. Das hat für viel Gelächter gesorgt, aber so hatten wir sofort eine gute Stimmung“, erzählt sie.

Wo der direkte Kontakt fehlt, werden auch absichtlich manchmal ganz persönliche Momente vor dem Bildschirm geteilt. Von solchen berichtet auch Susi. Sie ist 33 und Lehrerin an einem Gymnasium in Bayern. „Die lustigsten Momente sind am Anfang der Konferenz. Auch Schüler*innen der zehnten Klasse zeigen noch gerne sehr ausführlich ihr Haustier her!“

Auch Kathi, die Referendarin aus NRW, erzählt neben ihrer Kritik an der Technik von einem Ereignis, das sie zum Lachen brachte: „Meine lustigste Anekdote war ein Vater, der in Jogginghose und Schlabberpullover in die Videokonferenz geplatzt ist, ganz fröhlich und nur leicht überrascht in die Kamera geschaut und sich bei mir mit Vornamen vorgestellt hat.“

Lisa, 27, Grundschullehrerin in Bayern, berichtet, dass sie immer wieder aus den Videokonferenzen rausfalle und sich freue zu sehen, dass ihre Zweitklässler*innen sich bemühen, den Unterricht dann eine Zeit lang ohne sie fortzuführen. Sie würde sich wünschen, dass in der Debatte um das Homeschooling neben der Kritik auch mehr die Mühen von Lehrer*innen, Schüler*innen und Eltern hervorgehoben werden, die ihr Bestes geben und versuchen, mit der neuen Situation umzugehen. „Schule und Bildung ist auf Interaktion, spontanes Reagieren und voneinander Profitieren angewiesen. Das lässt sich nicht eins zu eins auf den Bildschirm übertragen. Aber es entstehen neue Möglichkeiten und Chancen“, sagt sie.

Auf dieses Miteinander sind alle Betroffenen wohl noch eine Weile angewiesen. Aufgrund der gerade noch hohen Infektionszahlen ist immer noch unklar, wann die Schulen wieder öffnen können. Derzeit scheint es wahrscheinlich zu sein, dass die Schulschließungen auch nach Januar noch weiter andauern.

rowe

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