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„Ich richte zum ersten Mal mein Zimmer selbst ein“

Manideep lernt gerade für seine letzte Uniprüfung.
Foto: Prajwal Veeresha Sajjan / Bearbeitung: SZ Jetzt

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Manideep Allu, 26, kam aus Indien für den Master in „Chemical and Energy Engineering“ nach Deutschland. Er ist eine der Fachkräfte, die Deutschland so dringend braucht. Wir protokollieren seinen Alltag und wollen wissen: Klappt Integration? In Folge 13 erzählt er, wie er Kleinanzeigen-Möbel ohne Führerschein transportiert und wie er schöne Orte in Deutschland findet.

„Mein neuestes Bundesland, in dem ich lebe, ist Bayern: Ich wohne jetzt seit zwei Wochen in Nürnberg. Vorher war ich in Magdeburg in Sachen-Anhalt und Braunschweig in Niedersachsen. Der Grund für meinen Umzug: Ich habe den Job bekommen, von dem ich letztes Mal erzählt habe. Juhu! Es gab insgesamt vier Bewerbungsrunden. In der letzten war ich vor Ort, der Werksleiter hat mir eine Führung gegeben. Ich bin jetzt zu 80 Prozent glücklich. Die letzten 20 Prozent bin ich glücklich, wenn ich den Vertrag unterschrieben habe. Darum mache ich mir noch ein bisschen Sorgen. Die Personalerin meinte, dass mehrere Mitarbeiter, die den Vertrag formal unterschreiben müssen, gerade im Urlaub sind, nur deshalb ist er noch nicht da. Ich glaube ihr. Eine andere Wahl habe ich nicht: Ich weiß, dass ich zufrieden sein kann, zu diesen schwierigen Zeiten in der Autobranche eine Stelle bekommen zu haben. Im Juli geht es los. Ich bin jetzt schon umgezogen, um mich einzugewöhnen. Meine WG habe ich über WG-Gesucht gefunden. Wir sind zu fünft. Zwei Inder, ein Russe, zwei Deutsche, zehn Minuten vom Hauptbahnhof entfernt, 450 Euro warm. Das ist perfekt für mich. 

Ich stehe jetzt vor einer neuen Aufgabe: Ich richte zum ersten Mal mein Zimmer selbst ein. Sonst habe ich immer in möblierten WGs gelebt. Meine Matratze habe ich von einem Freund aus Erlangen, er hatte zwei. Ich habe sie geklappt und per Zug nach Nürnberg gebracht. Meinen Schreibtisch und einen Stuhl dafür habe ich im Internet bestellt, meinen Nachttisch hole ich morgen von jemandem über Kleinanzeigen ab. Ich liebe Kleinanzeigen, es gibt so günstige Sachen dort! In Indien gibt es auch Gebrauchtwaren-Seiten, zum Beispiel OLX, aber das ist anders. Die Nutzer sind viel professioneller und es geht eher um Immobilien und Autos, also größere Dinge. 

Ich habe auch meine Lieblingsdeko mitgebracht, ein Schild von Tedi, auf dem motivierende Sprüche stehen wie „Geh deinen eigenen Weg“, oder „Sei mutig und trau dich“. Da steht auch drauf: „Glaube an dich.“ Diese Motivation brauche ich gerade, denn mein größtes Problem ist das Bettgestell: Es gab ein kostenloses, das ich abholen wollte. Aber es ist 1,80 mal 2 Meter groß. Und ich habe keinen Führerschein. Ich habe mehrere Taxiunternehmen angerufen, niemand transportiert so etwas Großes für mich. Deshalb schlafe ich erstmal auf dem Boden.“

Mein bestes Erlebnis der vergangenen sechs Wochen: Das Bergkirchweih in Erlangen, da war ich mit Freunden. Und das Pfingstfest in Ingolstadt. Das ist wie ein Mini-Oktoberfest. Ich liebe Maß-Bier trinken, in Zelten auf Bierbänken sitzen und dem Volkslied-Gesang zu lauschen. Es gibt so viele Mini-Oktoberfeste in Deutschland, am liebsten würde ich alle besuchen. Was mir noch fehlt: das Original. Auf dem richtigen Oktoberfest war ich noch nie, weil München zu der Zeit so teuer ist. Jetzt wohne ich so nah dran, dass ich einfach morgens mit dem Regionalzug hin- und abends zurückfahren kann!    

Meine neueste Entdeckung: „Secret Places in Deutschland“– das ist ein Buch, das mir meine ehemaligen Kollegen zum Geburtstag geschenkt haben. Darin sind wunderschöne Orte aufgeführt, mit mittelalterlichen Burgen, kleinen Seen und Weinanbaugebieten. Die erkunde ich jetzt nach und nach, schließlich habe ich noch etwas Freizeit, um anzukommen. Als nächstes will ich nach Iphofen, eine Weinstadt in Franken. Vorher mache ich meine Spaziergänge hier in Nürnberg. Ich laufe immer einfach in eine Himmelsrichtung los, ohne festes Ziel. Wenn ich keine Lust mehr habe, schaue ich auf Google Maps nach dem Heimweg. Das habe ich auch in Braunschweig so gemacht, um die Stadt kennenzulernen.

Mein aktuelles Lieblingswort und warum?

„Grüß Gott“ – es sind zwar zwei Worte, doch sie werden immer zusammen gesagt. Ich höre das öfter, seitdem ich hier wohne. Ich finde das sehr deutsch und überlege jetzt auch damit anzufangen. Irgendwie ist das lustig, wieso sollte man Gott grüßen können, außer man stirbt? Das wäre ja jetzt nicht unbedingt wünschenswert. Aber ich darf mich nicht beschweren, in Indien sagen wir „Namasthe“ zur Begrüßung – und als Dank. Das ergibt auch nicht so viel Sinn.“

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