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Ankommen-Serie, Folge 12: Manideep schätzt deutsche Zertifikate
Manideep Allu, 26, kam aus Indien für den Master in „Chemical and Energy Engineering“ nach Deutschland. Er ist eine der Fachkräfte, die Deutschland so dringend braucht. Wir protokollieren seinen Alltag und wollen wissen: Klappt Integration? In Folge 12 erzählt er, weshalb die deutsche Leidenschaft für Zertifikate auch etwas Gutes hat.
Vergangene Nacht habe ich zum ersten Mal wieder ruhig geschlafen. In den Monaten zuvor war das anders. Ihr wisst ja, dass ich mir viele Sorgen mache – wegen meiner Zukunft, wegen meines Jobs, wegen meines Studiums.
Jetzt hatte ich ein sehr gutes Vorstellungsgespräch, und das war schon die zweite Runde! Ich konnte viel über Arbeitssicherheit erzählen und darüber, wie alles bei meiner Arbeit läuft. Wenn das klappt und ich bei diesem Autozulieferer die Fachkraft für Arbeitssicherheit werde, dann ist es mein Job, dafür zu sorgen, dass alle 250 Arbeitnehmer jeden Tag wieder unversehrt nach Hause kommen. Ich gebe dann Sicherheitsschulungen. Ich achte auch darauf, dass jede Maschine eine Konformitätserklärung hat. Das ist ein Zertifikat vom Hersteller, das bedeutet: Die Maschine ist sicher – wir sind sicher. Der Mitarbeiter kann sicher an der Maschine arbeiten. Wenn etwas passiert, haftet jemand anderes.
Ich habe inzwischen viele Zertifikate für alles Mögliche: Ich bin Ersthelfer, ich weiß, was man im Notfall tun kann. Ich bin seitdem zertifiziert, einen Defibrillator zu benutzen. Außerdem bin ich zertifizierter Brandschutzhelfer – aber kein Brandschutzbeauftragter. Das ist die Person, die bei einem Feuer wichtige Entscheidungen treffen darf. Dafür brauche ich eine andere Ausbildung, die möchte ich auch noch gerne machen.
Mit meinen Eltern habe ich darüber noch nie gesprochen. Vielleicht würden sie über so viel Sicherheit lachen? Ich überlege, wie das in Indien ist. Das weiß ich gar nicht. Ich habe nie in Indien gearbeitet oder Sicherheitszertifikate absolviert. Ich weiß nur: Es gibt TÜV in Indien, zumindest sowas Ähnliches.
Ich finde es gut, dass es hier so viele Zertifikate gibt. Das ist sicherer – auch für die Arbeitgeber. Fürs Schweißen braucht man zum Beispiel ebenfalls eine Erlaubnis. Wenn ein Angestellter behauptet, schweißen zu können, und ich ihm glaube, ohne ein Zertifikat gesehen zu haben, dann bin ich schuld, wenn ihm etwas passiert.






Mein bestes Erlebnis der vergangenen sechs Wochen:
Meine Masterarbeit abzugeben. Endlich! Damit ist viel Druck von mir abgefallen. Jetzt fehlt nur noch das Kolloquium, also das Gespräch, in dem ich meine Ergebnisse präsentiere. Davor bin ich noch etwas aufgeregt – aber wenn das klappt, gebe ich endgültig meine Wohnung in Magdeburg auf. Dann muss ich nie wieder dorthin. Mein Studium ist dann vorbei. Ich mag Braunschweig lieber. Aber wenn ich den Job bekomme, muss ich sowieso wieder umziehen.
Meine neueste Entdeckung:
Das öffentlich-rechtliche Fernsehen. Ich habe davon erfahren, weil ich jeden Monat Geld dafür bezahlen muss. Leider läuft Cricket dort nicht – dafür habe ich einen südasiatischen Streamingdienst, das Abo teile ich mit Freunden. ARD und ZDF sind wie ein Fitnessstudio, das ich bezahle und dann nie nutze. Deshalb will ich es öfter verwenden und schaue Olympia und Fußball. In Indien gibt es so etwas Ähnliches, das heißt „Doordarshan“ oder „All India Radio“. Es wird komplett vom Staat bezahlt, deshalb finden manche, dass es nicht staatskritisch genug ist. Mir ist das egal – ich schaue sowieso andere Sender.
Mein aktuelles Lieblingswort und warum?
Pendeln. Das ist wieder ein lustiges deutsches Wort mit doppelter Bedeutung. Ich kenne es meistens von meiner Arbeit – da muss ich nämlich hinpendeln. Morgens hin, abends zurück. Jeden Tag. Aber es gibt auch noch das Pendel, das Hypnotiseure benutzen. Manche Frauen in Indien tragen es auch als Anhänger um den Hals. Bei meinem neuen Job soll ich wahrscheinlich wieder pendeln. Wenn ich den bekomme und endlich mehr Geld verdiene, will ich auch den deutschen Führerschein machen. Dann stören mich die Bahnstreiks endlich nicht mehr. Also: Drückt mir die Daumen!